05 | realisieren

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Louis hielt die beiden Pappbecher wieder in seinen Händen, als ich abgetrocknet und frisch angezogen auf ihn zuging. Mit jedem Schritt, den ich setzte, schnürte sich mein Herz ein wenig mehr zusammen. Kurzerhand schloss ich die Augen, nahm einen tiefen Atemzug und zog den letzten Knopf meines Hemdes durch die dazugehörige Schlaufe.

Bereits von Weitem streckte ich meine Finger nach meiner Limonade aus. "Oh nein, Glaub mir, das willst du nicht trinken", Louis wackelte leicht die beiden Getränke, "ich hab' genau einen Schluck genommen und hatte das Gefühl, dass ich mich übergeben muss. Das Zeug ist komplett aufgewärmt." Seine Mundwinkel zuckten nach oben und ich ließ meine Hand langsam wieder sinken. "Alles klar. Aber ich bräuchte jetzt trotzdem irgendwas zu trinken. Das Meersalz hat mich von innen komplett ausgetrocknet." Ein amüsiertes Grinsen lief über Louis Gesicht. "Erst jetzt? Ich dachte, du wärst schon so heiß genug." Er zwinkerte mir lachend zu und schien nur darauf zu warten, dass ich miteinstimmte.

Stattdessen aber stellte ich mir vor, wie es sich anfühlte, wenn er solche Worte ernst gemeint hätte. Doch ich brauche nicht mehr als eine Sekunde, um zu realisieren, dass das keinen Sinn hatte. Er war mein bester Freund. Oder, besser gesagt, ich war sein bester Freund. 

"Danke, Lou. Du bist auch nicht ganz daneben", sagte ich daher und Louis rollte ironisch mit den Augen, "Wenn du möchtest, können wir uns ja irgendeine Bar suchen und uns auf ein, zwei Getränke hinsetzen." Mit einem Blick über die Schulter schaute ich zu Gemma und ihrem Freund, die am Ufer saßen und sich das Wasser über die Zehen schwappen ließen. "Sollten wir die zwei fragen, ob sie vielleicht mitkommen wollen?", fragte ich und wandte mein Gesicht wieder zu Louis. "Wir werden nicht lange brauchen. Die werden gar nicht erst merken, dass wir weg waren."

Unter einem Schulterzucken gab ich nach. Nur weil wir zusammen hier waren, bedeutete das noch lange nicht, dass wir auch den ganzen Tag zu viert verbringen mussten. Jedenfalls hoffte ich, dass Gemma das genauso sah. Schließlich war der Trip ihre Idee gewesen. Im schlimmsten Fall würde ich es später einfach mit ihrem Lieblingsgetränk wiedergutmachen.

Louis und ich traten vom Sand über die Holztreppe auf den Bürgersteig. Ich schrak auf, als meine nackten Füße den erhitzten Asphalt berührten. Louis hatte das erst gar nicht bemerkt. Dafür war er viel zu sehr damit beschäftigt, sich die Landschaft anzusehen und mit der Sonne um die Wette zu strahlen. Ich ließ meinen Blick über sein Profil gleiten.

"Wir sollten sowas öfter machen", meinte er dann.

Mit zusammengekniffenen Lidern schaute Louis in meine Richtung. Sichtlich verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen und grub meine Finger in den Stoff meines Hemdes. "Was? Gemeinsam auf Urlaub fahren?" Meine Stimme brach gen Ende des Satzes, weswegen ich mich daraufhin in die Halsbeuge räusperte. Louis hob als Antwort darauf seine beiden Hände in die Luft, "ja, genau."

Auch diese Antwort brachte mich immer nicht sonderlich weiter. "Wir sind monatelang aneinandergeklebt. Und ganz nebenbei sind wir um den Globus gereist. Das ist im Grunde das, was wir seit drei Jahren die ganze Zeit machen", erwiderte ich, doch er schüttelte bestimmt den Kopf. "Nein, ich meine, nur wir zwei. Ohne jeglichen Druck. Und vielleicht sogar ohne die Jungs. Ich meine klar, ich habe sie alle drei unglaublich gern, aber es ist einfach nicht dasselbe", sagte er. Unsere Schritte verlangsamten sich und wir kamen mitten auf dem Bürgersteig voreinander zum Stehen. Ein paar Autos fuhren an uns vorbei, sanfte Melodien von Radiomusik erfüllten die Luft. "Vor ungefähr zwei Stunden haben wir uns noch so gestritten wie schon ewig nicht mehr." - "Ja, ich weiß. Aber jetzt gerade gehen wir die Straße entlang wie zwei ganz normale Jungs, die das tun, was alle anderen Jungs in unserem Alter machen. Eine verdammt gute Zeit haben, ohne zu viel über das nachzudenken, was wir sowieso nicht mehr ändern können."

Die Zeit rauschte über uns hinweg wie die Wellen, die gegen die Küste schlugen. Stark, unvorhersehbar und alles um uns herum in scharfen Zügen unter den Meeresspiegel ziehend. Und das Einzige, was ich darin erkennen konnte, war das blaue Schimmern der Oberfläche. Nur dass es diesmal nicht das Wasser, sondern Louis' Augen waren, die mich mit ihm zurück unter das Wasser zogen. Die Gemmas Worte zurückspulten, wieder von vorne abspielen und das Chaos in mir in ein einziges, bittersüßes Gefühl aufzulösen begannen.

Sobald er in der Nähe war, war es völlig um mich geschehen. Da konnte ich nicht mal mehr normal atmen.

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reverie | 𝐥𝐚𝐫𝐫𝐲 𝐬𝐭𝐲𝐥𝐢𝐧𝐬𝐨𝐧Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt