Chapter 1

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Zufall.

Die einen sagen es gibt Zufälle, die anderen wiederum sind sich ziemlich sicher, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert. Was nun am Ende wahr ist, ist im Grunde doch völlig egal. Tatsache ist doch, es ist passiert, ob es nun ein Zufall war oder Schicksal. Sei es die Begegnung mit einer Person im Supermarkt oder das Aufprallen eines neuen Handys auf den harten Boden. Jede noch so erdenkliche Situation, jedes Handeln, löst eine Kettenreaktion auf alles Bevorstehende aus.
Die harmlose Begegnung im Supermarkt endet mit einer Hochzeit, das kaputte Handy sorgt für Unstimmigkeiten mit seinen Eltern, da man nicht erreichbar war und etwas hätte passieren können. Hätte. Da haben wir ihn - den Konjunktiv. Er wird gerne verwendet, um sich beispielsweise selbst ein schlechteres Gewissen zu machen - unbeabsichtigt natürlich: Hätte man dies nicht gemacht, wäre jenes nicht passiert.

Meine Mutter sagte immer: „ Hijo, mach immer das Beste aus jeder Situation. Morgen wirst du ein größeres Problem haben." Klingt logisch; man hat immer mit einem Problem zu kämpfen, das einem unlösbar scheint, wenn sich einem dann eine schlimmere Bürde in den Weg stellt, kommt einem das vorherige Problem gar nicht mehr so problematisch vor. So geht das immer weiter. Tag für Tag.

Die Bürde, die sich mir gerade in den Weg stellte, sind die Klienten, denen mein Pitch nicht so gut zu gefallen schien. „Raees, das hört sich alles Schön und Gut an, aber wer versichert uns, dass das auch so funktioniert?" Keiner kann dir irgendetwas versichern, alter Mann. „Nimm es an oder lass es, mit anderen Worten friss oder stirb - ganz einfach." Ich hatte es satt mich hier stundenlang an ein und demselben Tisch fesseln zu lassen ohne ein Schritt fortwährst zu kommen. „Wäre dein Vater noch am Leben, hättest du es niemals gewagt so mit mir und meinen Kollegen zu sprechen."
„Wäre mein Vater noch am Leben, hätte weder er noch ich überhaupt ein Wort mit Dir gewechselt." Die gräulichen Augenbrauen meines Gegenübers zogen sich zu einem zornigen Blick zusammen. Er wusste, er war nicht gern in meiner Firma zu sehen und doch saßen wir beide hier: Ich, wie ich ihm ein Angebot machte und er, wie ein dummer Mann, der mein Angebot nicht annehmen wollte. Was für ein Teufelskreis. „Dein Angebot ist nicht schlecht, lockt dennoch nicht das Geld in meine Tasche, aber keine Sorge! Damit habe ich schon gerechnet, weshalb ich meine Tochter mitgebracht habe. Sie wird in deiner Firma arbeiten, somit verlierst weder du noch ich unser Geld." Wie auf's Stichwort wurde die breite Tür geöffnet und eine schmale,zierliche Frau trat ein. Sie war nicht groß, doch die hohen Schuhe ließen sie mindestens 10cm größer wirken. Ihre dunkelbraunen Haare hatte sie zu einem strengen Zopf zusammengebunden, ihre Augen jedoch waren nicht leicht zu erkennen, da sie durch eine Runde Brille versteckt wurden, es schimmerte jedoch ein sattes Grün durch die Runden Gläser. Es gab selten Menschen, denen eine Brille stand, doch sie schien wie gemacht für diese Brille. „Tut mir leid für die Verspätung, aber die Empfangsdame empfand ihren Computer wichtiger als mich zum entsprechenden Raum führen zu lassen.", entschuldigte sie sich, dabei eher an ihren Vater gerichtet, mir warf sie lediglich einen verachtenden Blick zu, als wäre ich die Empfangsdame und nicht der CEO dieses Gebäudes. „Raees, das ist Carla, meine Tochter." Sie trat einen Schritt auf mich zu und streckte mir die Hand aus. „Sie wird ab heute für dich arbeiten. Das heißt, du musst sie nicht bezahlen und ich muss meine Schulden nicht abbezahlen, die noch für deinen Vater offen waren. Das ist doch ein fairer Deal, findest du nicht?" Fairer Deal wohl kaum. „Ich wüsste nicht, wo ich sie einbringen könnte. Wir haben keine offenen Stellen." Carla schaute zwischen ihrem Vater und mir hin und her. Mir entging nicht, wie die Blicke seinerseits, die er ihr aufdringlich widmete, zu mir gerichtet waren. „Ich könnte deine Assistentin sein, deine ganz Persönliche." Ich schnaubte auf. Waren wir hier auf einem Basar? „Brauche ich nicht. Ihr schuldet mir Geld, von überschüssigen Arbeitskräften halte ich nichts."
Auch wenn ihre Brille ihr halbes Gesicht und vor allem ihre Augen verdeckte, erkannte ich, dass das was ich sagte, sie finster drein blicken ließ. Es gefiel ihr anscheinend nicht, als unwichtige Person abgestempelt zu werden. Auch ihrem Vater schien das ganze nicht in den Kram zu passen. „Ich bitte dich, Raees." Verzweiflung. Wie ich es liebte, alte Geizkragen, wie ihn, an ihre Grenzen zu bringen. Ohne mich könnte er sich sowohl bei seiner offiziellen, als auch bei seiner inoffiziellen Company, verabschieden. Die Drogen und das Geld konnten schließlich nicht von Luft und Liebe fließen. Doch wir wollten mal nicht so sein, schließlich war er, trotz seiner Schulden, ein seriöser Geschäftspartner des Álvarez Unternehmens. „Sie hat einen Monat."
Ich selbst, war von meiner Entscheidung überrascht. War es die Brille, die so gut zu ihr passte? Wohl eher ihr Vater, der sie zu meinem Mittel zum Zweck macht. Man hat doch gerne noch ein Ass im Ärmel, wenn es mal kritisch werden könnte.
Um nicht noch mehr Zeit zu verschwenden ließ ich meinen Gegenüber nun seinen kleinen Sieg, mir seine Tochter als trojanisches Pferd in meine Firma untergebracht zu haben, feiern und verließ somit das Besprechungszimmer. „Das wirst du nicht bereuen, mein Freund.", rief er mir zum Abschied hinterher. Das fängt ja gut an, als nächstes nennt er mich seinen Sohn. Ich war mir sicher, dass Carla aus einem bestimmten Grund hier war, ziemlich sicher sogar, dass sie es beide auf meine Firma abgesehen haben. Wenn sie jedoch schonmal hier ist, kann ich sie ja im Auge behalten.

It's all lies, DarlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt