Wie und vor allem wann wir in diesem Wald gelandet waren, daran konnte ich mich nicht mehr erinnern. Plötzlich waren wir umgeben von Bäumen und dem Duft nach Erde, keine künstlichen Lichter, kein Beton und kein Eisen. In mir fühlte es sich so an, als hätte ich einen lange verlorenen und vergessenen Teil wieder gefunden.
„Wo genau sind wir?", fragte ich und blickte mich um. Nichts als Bäume.
„In Ered'allra, Iomoras Reich", antwortete Cirán ächzend. Er versuchte aufzustehen, doch seine Beine zitterten so sehr vor Schwäche, dass er sich wieder hinsetzten musste. Das Licht des Morgens wurde zu einem Spiel der Blätter.
„Geht es dir gut?", fragte ich leicht besorgt und ging auf ihn zu.
„Ja, ja keine Sorge, ich brauche nur etwas Zeit", hauchte er. Sein Gesicht hatte die Farbe von Milch, geisterhaftes, fast durchscheinendes Weiß.
Ich kniete mich neben ihn, strich ihm vorsichtig die Haare aus den Augen und musterte ihn abschätzend.
„Vielleicht sollten wir warten, bis es dir besser geht. So können wir auf gar keinen Fall weiter", meinte ich. Seine Finger schlossen sich um mein Handgelenk.
„Nein, es wird nicht lange dauern, der Nordstamm ist nicht weit entfernt", warf er ein. Ich sagte darauf nichts, da deutlich war, dass mit ihm zu argumentieren keinen Sinn machen würde. Also wechselte ich das Thema.
„Warum sind mein Vater und Iomora zerstritten", stellte ich die Frage, die mich seit seiner kleinen Gesichte nicht mehr los gelassen hatte. Soweit ich mich erinnerte, hatten sie einander immer zugestimmt, den anderen in seinen eigenen Entscheidungen immer unterstützt und nun sollten sie nicht einmal mehr mit einander reden. Das klang für mich ein bisschen zu unglaublich.
Da Cirán im Moment die Kraft nicht aufbringen konnte, sich aufzusetzen, legte ich mich neben ihn in das heruntergefallene Laub der Bäume um uns herum.
„Nach deinem Verschwinden zweifelten viele, ob Robdán das Richtige getan hatte. Iomora war unter ihnen, sie vertrat die Meinung, dass du stark genug gewesen wärest, sie hatte deine Ausbildung angeleitet und wusste somit über deine Fortschritte Bescheid. Dein Vater allerdings wollte dich keinen unnötigen Risiko aussetzten also bat er uns dich fort zu bringen. Aus der Meinungsverschiedenheit am Anfang wurde ein ausgeprägter Geschwisterstreit.", erklärte er. Je länger wir hier lagen und auf das Fleckchen Himmel starrten, das zwischen den mächtigen Baumriesen hervor lugte, desto mehr fühlte ich wie ich zu mir selbst zurückkehrte.
„Es mag sich zwar so einiges verändert haben, aber vieles blieb gleich. Hör nur!", flüsterte ich und schloss gleichzeitig die Augen. Das leise ächzen der Bäume, die sich im Wind bogen, das Rauschen und Rascheln der Blätter, das weitentfernte Zwitschern eines Vogels. All das gehörte zu den Dingen, die waren, sind und sein werden.
„Vielleicht hast du recht, es könnte vieles wieder dahin zurückkehren, so wie es einmal gewesen ist", murmelte er, stützte sich auf seinen Arm, um sich zu mir umzudrehen. Ich realisierte im selben Augenblick wie er, dass wir nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Um das, was wir hatten nicht kaputt zu machen, rückte ich etwas von ihm weg.
„Was auch immer du vorhast, lass es lieber, wir können das jetzt nicht brauchen!", wies ich ihn darauf hin. Seufzend ließ er sich wieder fallen.
„Irgendwann müssen wir uns intensiver damit beschäftigen, als bevor wir hier hergekommen sind. Du hast genauso Gefühle wie ich. aber ich werde deinen Wunsch respektieren", antwortete er, in seinen Augen stand der Schmerz.
„Irgendwann, aber nicht jetzt, denn jetzt haben wir nicht genug Zeit", entgegnete ich, dann erhob ich mich und wartete, dass auch Cirán endlich die Kraft fand, um meinem Beispiel zu folgen. Plötzlich knackte in der Nähe ein Zweig. Mein Herz begann zu rasen. Mit einem Mal wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Ich spürte Blicke auf mir, die ich jedoch nicht sah, spürte Augen, die mich beobachteten. Cirán und ich waren nicht mehr alleine. Innerhalb eines Wimpernschlages konnten wir uns in keine Richtung mehr drehen ohne einem Soldaten gegenüber zu stehen. Alle trugen sie Rüstungen und hielten eine Waffe in der Hand. Furchteinflößend, stämmig, aber dennoch ohne ein weiteres Geräusch zu machen, hatten sie sich vor uns aufgebaut.
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Princess of Delgardia
FantasyZoe weiß, wer sie ist und was sie will. Als dann aber ihr ganzes Leben dank eines mysteriösen Jungen über den Haufen geworfen wird, findet sie heraus, dass ihr Leben eine einzige Lüge war. Nur langsam findet sie zurück, zu denen die sie liebt. Doch...