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Nach der Schule gehe ich zum Skateplatz. Zwar hoffe ich, dass der Junge nicht da ist, aber das ist mir eigentlich egal. Ich muss hier nur weg, das ist das einzige, was ich gerade möchte. 

Genauso, wie das letzte mal, ziehe ich mir meine Kapuze hoch, damit ich nicht erkannt werde und nähere mich den Jungs. Nach einer Weile werfe ich mein Board auf den Boden und mache wieder ein paar Tricks. "Wo warst du so lange?" Ich hebe ein wenig meinen Kopf und erblicke den Jungen, den ich eigentlich nicht sehen wollte, aber ich habe wie immer nur Pech. Ich zucke zur Antwort nur die Schultern und versuche ein weiteren Trick zu machen. "Warum bist du das letzte mal einfach weg gegangen?" Erneut zucke ich meine Schulter. "Weißt du, es ist ok, wenn du hier skatest, auch ohne diese Kapuze im Gesicht. Es ist ok, wenn Mädchen skaten." Ich hebe wieder ein wenig meinen Kopf um ihn anzusehen. Er sieht ernst aus. Soll ich wirklich die Kapuze runter machen? 

Bist du bescheuert? Nein!

Ich lasse sie auf dem Kopf und starre wieder den Boden an. "Ich meins ernst.", sagt er. "Du gehst mir langsam auf den Zeiger, merkst du das nicht?", frage ich und versuche meine Stimme männlich klingen zu lassen. "Langsam ist nicht schnell." Ich lache leise. "Und du brauchst deine Stimme nicht zu verstellen." Ich zucke mit den Schultern. Plötzlich knurrt mein Bauch. Der Junge fängt an zu lachen. Ich sehe ihn kurz an. "Warum lachst du so?", frage ich. "Dein Bauch.", antwortet er und lächelt. "Ist es unnormal, wenn man Hunger hat?", frage ich genervt und setze mich auf eine beliebige Bank um mein Brötchen aus meiner Tasche zu holen. Ich hatte heute morgen etwas Geld aufgekratzt und es hat gerade noch so für ein Brötchen gereicht. Hungrig beiße ich rein und genieße es. "Schmeckt's?" Ich nicke. Er lacht und setzt sich zu mir. Ich spüre, wie er mich beobachtet, doch das juckt mich im Moment gar nicht. 

Nachdem ich den letzten Bissen meines Brötchens gegessen habe, sehe ich den Jungen an. "Was starrst du mich so an?" "Ich möchte dein Gesicht sehen.", antwortet er. "Ist das normal bei dir, diese Neugier?" Er nickt lachend. "Ich war schon immer ein neugieriger Mensch." Ich schüttele meinen Kopf. "Was ist eigentlich so schlimm daran dein Gesicht zu zeigen?" "Ich habe wohl meine Gründe." "Diese Gründe möchte ich gerne wissen." Plötzlich fällt mir auf, dass ich seinen Namen gar nicht weiß. "Wie heißt du eigentlich?" "Sage ich dir, wenn ich dein Gesicht sehen darf." Sein Ernst? "Meinen weißt du auch, ich habe das Recht deinen Namen zu wissen." "Mein Gesicht siehst du auch, ich habe das Recht, deins auch zu sehen." Mann, ist er gut! "Ok, du sagst mir deinen Namen und ich zeige dir mein Gesicht, aber erstmal deinen Namen." Er sieht mich misstrauisch an. "Erst dein Gesicht." "Nö, erst dein Name." Eine Weile geht das so weiter, dann gibt er auf. "Ok. Mann, bist du dickköpfig." Ich grinse nur. "Aber du musst mir dein Gesicht zeigen, versprochen?" Ich nicke. "Nate." Nate. Süßer Name. "Nate, ich mag deinen Namen." "Sam, ich möchte dein Gesicht sehen." Ich schüttele meinen Kopf. "Nö." "Du hast es versprochen." "Warum willst du unbedingt mein Gesicht sehen? Ist doch nur ein Gesicht wie jeder andere auch.", frage ich Nate. "Wie gesagt, ich bin neugierig." "Ich werde dir trotzdem nicht mein Gesicht zeigen." "Wie heißt du mit Nachnamen?" Ich sehe ihn verwirrt an. "Warum willst du den meinen Nachnamen wissen?" "Nur so." "Den... brauchst du nicht zu wissen." "Darf ich überhaupt etwas wissen?" "Meinen Namen weißt du doch." "Ich weiß nur das, du aber weißt mehr über mich. Findest du das nicht ein wenig unfair?" Ich lache. "Ne, eigentlich nicht." Er lacht kurz. "Ich will doch nur dein Gesicht sehen." "Meinen Nachnamen willst du auch." Er lächelt. "Den brauch ich nicht mehr, wenn ich dein Gesicht gesehen habe." "Ich bin eigentlich hier hingekommen um meine Ruhe zu haben und nicht um mit dir hier zu diskutieren, weißt du? Mein Tag war schon scheiße genug." "Was ist denn passiert?" "Ich spreche nicht gerne darüber." Ich stehe auf und werfe meine Tasche auf mein Rücken. "Ich sollte jetzt gehen." "Du weißt schon, dass ich irgendwann dein Gesicht sehen werde, oder?" Ich schüttele lächelnd meinen Kopf. "Nein." Dann werfe ich mein Board auf den Boden und sehe ihn kurz an. "Bye, nerviger Nate." Er steht jetzt auch auf. "Bye, dickköpfige Sam." Ich lache kurz, dann skate ich los und spüre den Blick von Nate hinter meinen Rücken. 

***

"Samantha, bist du das?", höre ich die zittrige Stimme meiner Schwester Sandy. Ich schließe die Tür. "Keine Sorge, ich bins." Sie kommt die Treppe runter zu mir und umarmt mich. "Na, kleine? Wie geht es dir?" "Gut und dir?" "Super." 

Zusammen gehen wir hoch in mein Zimmer. Ich setze mich an meinen Schreibtisch, Sandy auf mein Bett. "Wo warst du?", fragt Sandy mich nach einer Weile. "Skateplatz." "Seit wann gehst du wieder zum Skateplatz?", fragt sie mich überrascht. "Seit letzter Woche oder so." Ich hole meine Hausaufgaben aus der Tasche und lege sie auf den Tisch. "Du siehst schlecht gelaunt aus." Ich sehe sie überrascht an. Sieht man mir das an? "Ja, ein wenig." "Schule?" "Ja, so ungefähr." Sandy steht auf und läuft zur Tür. "Ich lass dich dann mal alleine." Ich nicke und sie geht raus. Ihre Schritte werden immer leiser bis sie ganz verstummen. Ich schlage mein Buch auf und versuche zu lesen, doch es geht nicht. Meine Gedanken wechseln von Alex zu Jacqueline, von Nate wieder zu Alex. Ich kann mich einfach nicht konzentrieren. Ich schlage das Buch wieder zu und hole mein Handy raus. Ich hatte es letztes Jahr zu meinem Geburtstag bekommen. Meine Mutter hatte gelacht als ich wie verrückt herum gesprungen bin vor Freude. Damals waren wir eine glückliche Familie. Damals war meine Mutter und mein Bruder noch da, mein Vater war kein Alkoholiker, der seine Kind schlägt, ich wurde nicht gemobbt.

Ich entsperre mein Handy und gehe auf WhatsApp. Ich habe eine Nachricht, was mich überrascht. Mich schreibt eigentlich kaum jemand an, doch sobald ich sehe von wem die Nachricht ist, wird meine Laune noch mieser. 

"Ich schwöre, ich bringe dich um, wenn du dich nicht von Alex fernhälst, du kleine Schlampe."

Jacqueline denkt ernsthaft, dass ich mich an Alex ranmachen möchte. Ich überlege, ob ich ihr antworten soll, doch entscheide mich dagegen. Ein Streit ist das letzte, was ich im Moment brauche. Ich lege das Handy weg und starre die Wand an. 

Plötzlich ist Nate wieder in meinen Gedanken. 

Nate...

"Süßer Name.", sage ich leise. Dann wird mir bewusst, dass ich mit mir selbst geredet habe und schüttele meinen Kopf. "Ich werde ja langsam verrückt."

Und wie ich das werde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 10, 2016 ⏰

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