Prolog

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Freudig vor mich hin summend kämmte ich meine glänzenden, schwarzen Haare. Bevor ich das Haus verließ, stopfte ich noch schnell ein paar Sachen in meine Handtasche und schon war ich draußen vor der Tür. Levi, mein bester Freund, hatte angekündigt er hätte eine große Überraschung für mich. Er wollte sich am Nachmittag mit mir am Strand treffen und mir zeigen was er herausgefunden hatte. Seit er wegen seines Studiums weggezogen war, sahen wir uns zu meinem Bedauern leider nur noch selten. Umso mehr freute ich mich auf unser Treffen heute. 

Es war ein traumhafter Frühlingstag, die Pflanzen waren frisch ausgetrieben und die Sonne strahlte warm vom Himmel. Aus freudiger Aufregung war ich natürlich viel zu früh losgegangen und erreichte mein Ziel lang vor der ausgemachten Zeit. Lange schon war ich nicht mehr am Meer gewesen, obwohl es doch so nahe lag. Langsam streifte ich meine Schuhe ab und watete mit meinen Füßen durch das kalte Wasser. Immer wieder schwappten Wellen gegen meine Waden. Das warme Kribbeln der Sonne auf meiner Haut genießend, hing ich meinen Gedanken nach und wartete auf Levi. Doch er kam nicht. 

Als ich meine Füße kaum noch spürte warf ich einen Blick auf meine Uhr. Er war schon eine viertel Stunde zu spät. Levi kam nie zu spät. Ich musste wohl die falsche Zeit im Kopf gespeichert haben. Also las ich erneut Levis Nachricht. Die ausgemachte Zeit stimmte. Unruhe kam in mir auf. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Das ungute Gefühl in meinem Bauch wurde immer unerträglicher. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und marschierte vom Treffpunkt aus in Richtung Stadt los. Aus dieser Richtung erwartete ich Levi. 

Ich war schon eine Weile unterwegs, als ich zu einer unübersichtlichen Kurve kam. Dort sah ich ihn dann liegen. Der Anblick war grauenhaft. Blut rann aus seinem Mund und seiner Nase. Als er mich war nahm, schien für einen kurzen Moment wieder Leben in ihn zu kommen. Sein Körper bäumte sich auf und er röchelte. Irgendetwas wollte er mir mitteilen, aber ich verstand kein Wort. Er fummelte am Reisverschluss seiner Jackentasche, bekam sie jedoch nicht auf. Zitternd kniete ich mich neben ihn, öffnete die Tasche und zog einen gefalteten Zettel hervor. Mit seiner Hand umschloss er meine mit dem Zettel ganz fest. Und hauchte mir leise etwas zu. Um es besser zu verstehen, hielt ich mein Ohr ganz nahe an seine Lippen, doch die sich nähernde Sirene, machte es mir unmöglich seine Worte zu verstehen. 

Mit Entsetzen nahm ich seine schwächer werdenden Atemzüge wahr. Mit einer Hand hielt ich seine fest umklammert und zog sie zu meiner Brust. Mit der anderen strich ich ihm eine Strähne aus dem Gesicht. Unter Tränen flüsterte ich ihm zu, er dürfe nicht sterben, obwohl ich mir selber sicher war, dass für ihn jede Hilfe zu spät kam. Plötzlich überkam mich ein Drang ihm einen Abschiedskuss zu geben. In dem Moment als meine Lippen die seinen berührten, merkte ich, wie der letzte Lebenshauch seinen Körper verließ. Nie werde ich den metallischen Geschmack seines Blutes an meinen Lippen vergessen. 

Erlöse michWo Geschichten leben. Entdecke jetzt