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Als ich meine Augen öffnete, war ich nicht mehr in Auroras Haus. Um mich herum war ein wunderschöner Wald. Ich konnte nicht glauben, dass das gerade wirklich geschehen war. Hatte ich mich mit der Kraft meiner Gedanken an einen anderen Ort gezaubert? Oder hatte Aurora mich unbemerkt unter Drogen gesetzt? Vielleicht halluzinierte ich von dem Tee, den ich doch wieder angenommen hatte. Es fühlte sich jedoch nicht an als wäre es eine Täuschung. Es fühlte sich so echt an.

Als ich mich noch einmal umsah, bemerkte ich eine hübsche junge Frau, welche an einem Strick um den Hals vom Baum hing. Ich vergaß alles was Aurora mir eingetrichtert hatte und rannte geschockt auf die Frau zu. Ich konnte es nicht fassen, sie hing da oben und schenkte mir ein mildes Lächeln. Meine Stimme zitterte, als ich fragte, wer ihr das angetan hätte. Es sei schon in Ordnung so, sie hätte sich entschieden, flüsterte sie. Tränen stiegen mir in die Augen als ich die Bedeutung ihrer Worte begriff.

Fieberhaft überlegte ich wie ich ihr helfen konnte. Ich fand einen scharfkantigen Stein, kletterte auf den Baum und säbelte an dem Seil. In meiner Vorstellung hatte der Stein das Seil um einiges schneller durchtrennt. Als ich es mit schmerzenden Händen dennoch geschafft hatte das Seil durchzuschneiden, fiel sie zu Boden. Sie schien jedoch kein Interesse daran zu haben das Seil zu lockern. Sie lag nur da und lächelte weiter vor sich hin. Schnell kletterte ich zu ihr hinunter um diese Aufgabe für sie zu übernehmen. Während ich nach dem Seil griff um es zu lockern, legte sie ihre Hand beschwichtigend auf meine. Es sei zu spät, sagte sie sachte.

Hysterisch fuhr ich sie an, wie sie das den Menschen, die sie liebten, antuen könne. Nun stiegen auch ihr Tränen in die Augen und sie wandte den Kopf von mir ab. Ich hatte wahrlich alles, was Aurora mir beigebracht hatte, in den Wind geschossen und handelte nur noch emotionsgesteuert. Dann endlich besann ich mich auf die Worte meiner Mentorin. Sanft fragte ich nach wie sie hieße. Nach ihrer Antwort sagte ich sie bräuchte sich nicht zu fürchten, wünschte ihr eine gute Reise und gab ihr einen Kuss. Dann war ich schlagartig wieder zurück in Auroras Haus als wäre nie etwas geschehen. Es fühlte sich an als wäre ich aus einem schrägen Traum erwacht.

Ich wollte Aurora gerade von meinem Erlebnis erzählen, da sah ich sie blutüberströmt auf ihrem weißen Teppich liegen. Sie war bereits Tod, das konnte ich spüren. Die Haustür stand weit offen. Ich wählte den Notruf und behauptete ich hätte sie gerade so gefunden als ich sie besuchen kommen wollte. Was war passiert als ich im Wald auf Mission war? Wer hatte ihr das angetan? Oder war das nur ein weiterer Teil ihres Spieles? 

Der unerwartete Tod von Aurora beschäftigte mich sehr. Die Befragung durch die Polizei war auch alles andere als einfach gewesen, konnte ich ihnen doch nicht die ganze Wahrheit sagen. Trotzdem sollte es nicht so wirken als würde ich etwas zurückhalten und meine Geschichte musste stimmig wirken. Ich fühlte mich schuldig, obwohl ich nichts mit ihrem Ableben zu tun hatte. Vielleicht würde es mir wieder etwas besser gehen, wenn die Polizei den Vorfall geklärt hatte.

Aber was, wenn es wirklich magische Wesen gab? Als Kind hatte ich mir das immer gewünscht. Mit meiner blühenden Fantasie habe ich mir ausgemalt wie es wäre, wenn herauskommt, dass ich eigentlich eine besondere Begabung hätte. Jemand würde kommen und mich weit fortbringen in eine magische Welt mit tausend Möglichkeiten. Mal lebte ich als Elfe im Wald in Harmonie mit den Tieren mit denen ich selbstverständlich sprechen konnte, mal lernte ich als Zauberschülerin mit meinen Kräften umzugehen. In meiner fantastischen Welt wimmelte es von Drachen, Einhörnern, Meerjungfrauen und all den anderen wundervollen Wesen, welche ich aus meinen Büchern kannte. Jedem, der mir gesagt hätte dies alles sei wirklich real, hätte ich nur zu gern geglaubt. Und jetzt wo dieser Wunsch in gewisser Weise wahr geworden war, setzte ich alles daran zu widerlegen, dass das alles real war.

Erlöse michWo Geschichten leben. Entdecke jetzt