Das Licht der untergehenden Sonne tauchte das Lager in rotgoldenes Licht. Ahornpfote blieb einen kurzen Moment stehen, um den wunderschönen Abendhimmel besser betrachten zu können, doch Jadepfote stieß gegen sie.
„Ahornpfote", nuschelte sie durch das Eichhörnchenfell in ihrem Maul hindurch, „Komm vorwärts, wir blockieren alles!"
Nach dem Kampftraining waren die Schüler noch auf der Jagd gewesen. Jadepfote, die mit ihrer zierlichen Gestalt, den langen Krallen und dem furchtlosen Herzen eine ausgezeichnete Kletterin war, hatte zwei große Eichhörnchen erlegt. Eispfote konnte zwei fette Wühlmäuse vorweisen und Ahornpfote immerhin eine Drossel. Die hatten sie und ihre Gefährten allerdings schon nach der Jagd im Wald essen dürfen, deshalb musste Ahornpfote nichts mehr tragen. Der Himmel hatte sich aufgeklart und der Regen war weniger geworden. Im Wald sowie jetzt im Lager deuteten Knospen, Blätter und Blumen auf den bevorstehenden Frühling hin.
Ahornpfote fühlte sich plötzlich belebter und positiver, sie trabte in die Lagermitte und wollte beim Frischbeutehaufen auf Jadepfote warten, als eine Stimme vom anderen Ende ihren Namen rief. Erfreut erkannte sie ihre Mutter Haselwunsch, die noch immer in der Kinderstube lebte. Jetzt saß sie davor, neben ihr gaben sich Taubenlied und Sonnenflocke die Zunge. Luchsjunges, eines von Sonnenflockes Jungen, kuschelte sich an seine Mutter, während seine Geschwister spielerisch miteinander rauften.
„Ahornpfote", Haselwunsch hatte sich aufgerichtet und zuckte ungeduldig mit dem Ohr, „Komm zu mir. Hast du etwa nichts gefangen? Du bist doch schon lange Schülerin! Honigpfote hingegen hat heute drei Eichhörnchen, zwei Wühlmäuse und drei Amseln erlegt!"
Mit einem Schlag sank Ahornpfotes Laune wieder. Sie wusste nicht, womit sie ihre Mutter jemals stolz machen könnte. Vermutlich, in dem sie sich in eine zweite Honigpfote verwandelte. Perfekt in Haselwunsches Augen, ohne Fehler, ohne Verträumtheit, ohne Schwächen. In eine Katze, die stets das richtige sagte und sich niemals peinlich verhielt. Tja, dachte Ahornpfote trotzig, darauf kann sie lange warten. Ich bin nun mal wie ich bin. Und Jadepfote, die anderen Krieger und Glutsturm haben damit ja scheinbar kein Problem! Obwohl Glutsturm als Vater viel weniger Zeit mit seinen Töchtern verbracht hatte, war er immer viel liebevoller mit Ahornpfote umgegangen. Er war es, der sie für ihren ersten Fang über den Himmel hinaus gelobt hatte, der ihr von Klein auf erklärt hatte, dass sie sich niemals für irgendjemanden verändern sollte.
Durch diese Worte ermutigt reckte Ahornpfote das Kinn und miaute:
„Doch, habe ich, Mutter. Eine Drossel, aber die durften Fischpfote, Jadepfote und ich schon im Wald fressen. Außerdem waren wir drei heute in der Kuhle und haben Kampfzüge trainiert. Honigpfote war jagen. Auf jeden Fall meinte Blaubeerherz nach dem Training, das ich wirklich gut kämpfen könnte und das ich..."„Nun, deine Schwester nimmt das Gesetz der Krieger ernster und hat erst gegessen, als sie im Lager war und alle versorgt hat. Außerdem ist sie in beidem perfekt, kämpfen und jagen. Sie hat mir gestern erzählt, wie sie Eichenpfote besiegt hat! Sie wird bestimmt bald zur Kriegerin ernannt!"
Ahornpfote legte die Ohren an, die Worte ihrer Mutter fühlten sich an wie ein Krallenhieb direkt ins Gesicht. Sie schluckte und hoffte, dass ihr die Verletztheit nicht allzu offen ins Gesicht geschrieben stand.
„Ich nehme das Gesetz der Krieger doch Ernst! Aber wir hatten so viel gefangen und Honigpfote und Eichenpfote auch schon und... Naja, es wurde uns eben erlaubt! Außerdem hat Jadepfote Eispfote heute auch besiegt, es war großartig. Er war so beeindruckt von ihrem Zug, dass er..."
„Sogar Jadepfote ist besser als du? Das ist erbärmlich, sie ist kleiner und sogar jünger als du! Du enttäuscht mich wirklich, Ahornpfote. Jeden Tag mehr"Wütend, verletzt und frustriert grub Ahornpfote die Krallen in das weiche Moos unter ihr, wirbelte herum und stapfte quer über die Lagermitte zu ihren Freunden. Die Worte ihrer Mutter hallten in ihrem Kopf herum, der kalte Ausdruck in ihren Augen. Tut mir leid, dass ich nicht wie Honigpfote bin!, dachte sie bitter und fragte sich, ob ihre Mutter jemals so von ihr sprechen würde, wie sie es von ihrer Schwester getan hatte. Vermutlich nicht.
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Ahornbrises Gabe
FanfictionEinst jagten sechs Clans friedlich in einem Tal in den Bergen. Doch dann geschah ein Unglück nach dem anderen, die Wasserquelle versiegte nach einem Sturm und Beute und Heilkräuter wurden immer knapper. Katzen, die sich früher respektiert und geschä...