Kapitel 1: Kämpfen auf eigene Gefahr

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Idris; 11. Juli 2018:

Heute war ich besonders aufgeregt, denn endlich war ich fünfzehn, und das alljährliche Shadowhunter-Treffen fand statt, woran ich nun teilnehmen durfte. Ich fand ja schon, dass Idris atemberaubend aussah, doch als ich die Zentrale des Institutes betrat, war ich fassungslos. Überall liefen Shadowhunter aus aller Welt herum, und auch die Institutsleiter aus sämtlichen Städten waren gekommen. Ich fühlte mich ein bisschen außen vor. Hilfesuchend blickte ich zu meinem Dad und meiner Tante. Beide waren schon oft auf diesem Treffen gewesen. Von meinem Dad wusste ich, dass neue Rekruten der Shadowhuntergemeinschaft vorgestellt wurden. Deshalb wurde ich ziemlich nervös, als Großinquisitorin Herondale zum Mikrofon griff: „Guten Abend liebe Shadowhunter. Wie jedes Jahr beginnen wir das alljährliche Treffen mit einer Vorstellung unserer neuesten Shadowhunter." Ich hoffte, dass ich nicht als erstes nach vorne musste. Ich atmete erleichtert aus, als der erste Name nicht meiner war. „Beginnen wir mit Tobias Starkweather, bitte komme nach vorne." Ich sah wie ein dunkelhaariger Junge neben die Großinquisitorin trat. Als nächstes wurde ein Mädchen mit blonden, langen Haaren nach vorne gerufen: „Als nächstes möchte ich Ihnen Olivia Branwell vorstellen." Sie stellte sich neben Tobias. Da schon zwei der neuen Rekruten vorne standen, und nur noch zwei Rekruten übrig waren, musste ich einer der noch zwei fehlenden sein. „Jeane Nerissa Lightwood." Mein Herz begann schneller zu schlagen. Mein Blick wanderte zu meinem Dad, der mir aufmunternd zu nickte. Nervös trat ich nach vorne. Jeder in der Zentrale starrte mich an, doch darüber konnte ich mir keine weiteren Gedanken machen, denn es ging schon weiter. „Und die vierte im Bunde: Skye Lynn Morgenstern." Als sie den Namen ausgesprochen hatte, ging ein Raunen durch die Menge. „Noch eine Morgenstern?!", hörte ich jemanden flüstern, den ich als Victor Aldertree identifizierte. Kurz darauf kassierte er jedoch den warnenden Blick des Mannes, den ich an der Seite von Valentine Morgenstern stehen sah. Skye, die sich neben mich gestellt hatte, schien ihn zu kennen. Jetzt erkannte ich ihn auch. „Verzeiht mir mein Temperament, aber ich kann es nicht gut heißen wenn man so über meine Tochter redet", sagte Jonathan gespielt höflich. Skye war also die Tochter von Jonathan Morgenstern. Bevor verschiedene Meinungen entstehen konnten, beschloss Inquisitorin Herondale, die Vorstellung der neuen Rekruten zu beenden.

Ich verließ schnell die Bühne und lief zu meinem Dad und meiner Tante. „Das lief doch ganz gut", sagte Izzy und umarmte mich. Dankbar lächelte ich sie an und blickte zu meinem Dad. Bevor er mich zu meiner gelungenen Bühnenpräsenz beglückwünschen konnte, wandte sich Izzy an ihren Bruder: „Ich finde als ihr Vater, solltest du es ihr erzählen Alec." Verdutzt blickte ich drein. „Mir was erzählen?", fragte ich nun doch neugierig. „Schon morgen beginnt das Duo-Training und du musst dir einen Partner aussuchen. Ich würde dir raten..." Sein Satz wurde unterbrochen, denn gerade hatten sich Olivia und Tobias zu uns gesellt. „Übrigens sind Tobias und ich schon Partner, das heißt..." „...dass ich mit dem Halbdämon zusammen arbeiten muss. Vielen Dank", beendete ich genervt Olivias Satz. Hochnäsig zog sie Tobias zurück in die Menge. Abweisend, blickte ich nun hinüber zu Skye, die sich gerade zu Jonathan und Valentine stellte. Ermutigend legte Dad mir eine Hand auf die Schulter. „Vielleicht hast du ja Glück und sie hat nicht alle schlechten Eigenschaften ihres Vaters geerbt", sagte er amüsiert. Izzy und ich warfen ihm einen sarkastischen Blick zu. Alec lachte kurz. „Okay, doch nicht so witzig." Izzy wandte sich nun an mich: „Aber mal im Ernst. Du bist klug, intelligent, mutig und in einem fairen Duell definitiv nicht leicht zu besiegen." Dies ließ mich schmunzeln. „Nur versprich mir dich nicht austricksen zu lassen", wandte Dad ernst ein. Ich blickte zu Skye und dann zu meinem Dad. „Versprochen."

Am nächsten Morgen waren alle früh auf den Beinen. Der erste Tag des Trainings war gekommen, doch bevor wir richtig mit dem Training anfangen konnten, mussten wir unsere Waffen aussuchen, und anschließend musste ich sie im New Yorker Institut registrieren lassen. Ich fühlte mich heute besonders professionell. Nicht nur weil ich meine beiden Elternteile an meiner Seite hatte. Heute sah ich aus wie ein richtiger Shadowhunter. Ganz in schwarz. Ich trug eine lange Lederhose, unter meiner Lederjacke ein schlichtes Top und schwere Boots. Ich hatte meine dunkelblonden, schulterlangen Haare zu Boxer-Half-Ups zusammengebunden. Meine Stele hatte ich in meiner Hosentasche verstaut. Waffen trug ich noch nicht bei mir, denn diese musste ich erst noch wählen. So kam es, dass ich mich mit den drei anderen in der Waffenkammer traf. Staunend beobachtete ich, wie die junge Waffenmeisterin die sauber polierten Seraphklingen zurück an ihren Platz legte. „Hallo mein Name ist Aline Penhallow", stellte sich die junge Frau vor. „Ich bin Idris' Waffenmeisterin. Ihr könnt euch gerne Zeit nehmen um euch umzusehen. Und denkt daran, die Waffen wählen euch." Also teilten Wir uns auf. Tobias lief direkt zu dem Seraphklingen, in der Hoffnung, eine davon würde ihn wählen. Olivia folgte ihm. Ich bemerkte, dass sie weniger an den Waffen und mehr an ihrem Trainingspartner interessiert zu sein schien. Mein Blick schweifte zu Skye, die an der anderen Seite des Raumes die Speere an der Wand begutachtete und vorsichtig ihre Hand über den silbernen Stiel gleiten ließ. Nun konzentrierte ich mich auf mich selbst. Ich konnte nicht so gut mit Pfeil und Bogen umgehen oder geschweige denn Magie praktizieren, wie meine Eltern, weshalb ich hoffte, der Bogen würde mich nicht aussuchen. Ich ging weiter an Speeren und Kampfstöcken vorbei, als mein Blick schließlich an einer besonderen Seraphklinge hängen blieb. Sie war anders als üblich. Diese eine besaß insgesamt zwei Klingen, eine an jeder Seite. Irgendwie fühlte ich mich zu ihr hingezogen. „Hast du dich schon entschieden?", fragte Aline, die mittlerweile neben mich getreten war. Ich ließ meinen Blick nicht von der Seraphklinge abschweifen und sagte nichts. Erwartungsvoll schaute Aline mich an. Ich nahm die spezielle Waffe in die Hand und die darauf eingeritzten Runen begannen in einem cyan-blau zu leuchten. Ich spürte positive Energie in mir aufsteigen und von diesem Moment an wusste ich: dies war meine Waffe.

Shadows from two frontsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt