Die Enkelin

Keine Einsicht

Kurz vor 19 Uhr kommen wir bei Lisas Reihenhauswohnung in Stuttgart an und eine Stunde später falle ich müde in das Bett, das sie mir anbietet. Am nächsten Morgen wird schnell klar, dass ich mir Klamotten beschaffen muss. Während der Shoppingtour mit Lisa suche ich ganze fünfmal in irgendwelchen Gaststätten das stille Örtchen auf.

Noch am selben Nachmittag sitzen wir bei Keksen und Saft auf Lisas sonniger Terrasse, als sie zu fragen beginnt:

„Hast du dir eigentlich schon mal überlegt, etwas gegen deine Blasenschwäche zu unternehmen?"

„Nein. Was denn auch?", frage ich. „Abstreiten kann ich sie nicht, das ist mir bewusst. Aber was soll ich schon machen?"

„Na ja.", meint sie. „Es gibt ja Windeln. Ich kann dir welche besorgen, wenn wir unterwegs sind, ziehst du ein Exemplar an..."

„Da würd ich ja gegen mein Vorhaben im hohen Alter keine Windeln tragen zu müssen, verstoßen!"

„Und was ist dabei? Weißt du, wie viele Menschen das machen? Du bist garantiert nicht der einzige Mensch."

„Mich überzeugt es nicht!"

„Warum??" Lisa sieht mich erwartungsvoll an. Warum?, Warum?

„Weil's eklig ist und stinkt."

„Drei Gegenargumente:

Nummer eins: Eklig ist es auch, wenn du' s in der Hose hast. Kommt also aufs Selbe raus.

Nummer zwei: Erwachsenenwindeln sind so konzipiert, dass sie unangenehme Gerüche nicht nach außen lassen.

Nummer drei: Warum machst du dir um Gestank und Gefühl Sorgen? Als Baby war dir das doch sicher auch egal."

„Was ziehst du denn für Vergleiche? Jetzt bin ich erwachsen und..."

„Aber warum sind wir denn alle so unentspannt?", fragt Lisa ungeduldig. „Wenn du eine Windel anhast, dann denk doch einfach, dass es dir egal ist. Egal, was die Leute um dich rum denken. Egal, wo du gerade bist. Akzeptiere es einfach und vor allem... Mach rein!"

„Reinmachen??"

„Ja. Hab ich doch schon gesagt. Lass dich gehen und dann klappt's."

„Also, ich glaub, ich kann das nicht."

„Natürlich. Es ist nichts als Übung! Ich zeig's dir!"