10

63 14 2
                                    

Als du zum ersten Mal in meiner Wohnung gestanden hattest, hast du seltsam verloren ausgesehen. Meine Wohnung war der Inbegriff von Chaos, dabei hatte ich zuvor extra für dich versucht etwas aufzuräumen und dennoch hatten überall Leinwände und Farbeimer herumgestanden.

Poseidon hatte dich freudig begrüßt, er schien dich ebenfalls bereits in sein großes Hundeherz geschlossen zu haben, und auch ich war unglaublich froh gewesen dich wiederzusehen.

Voller Tatendrang hattest du mich gefragt, wie du mir helfen könntest und ich hatte mich endlich getraut dich zu fragen, ob ich dich für mein Kunstprojekt zeichnen darf. Als du zugestimmt hattest, hatte mein Herz einen freudigen Hüpfer gemacht und meine Finger hatten angefangen zu kribbeln, als hätten auch sie es kaum erwarten können, deine Schönheit auf Papier einzufangen.

Wie sich herausgestellt hatte, war dich zu zeichnen eine Kunst für sich. Ständig musste ich nach dem Radiergummi greifen, da es mir einfach nicht gelingen wollte alles von dir einzufangen. Jemand der die Zeichnung ansah sollte nicht einfach nur einen hübschen jungen Mann sehen, sondern auch spüren wie viel mir dieser jemand bedeutet und wie besonders er ist.

Und noch heute bewundere ich deine Geduld, mit der du geradezu unbeweglich auf dem Stuhl gesessen und mich lediglich mit einem sanften Lächeln angesehen hattest, als wären dies gerade nicht die langweiligsten Stunden deines Lebens, sondern als wärst du rundum zufrieden mich einfach nur still bei meiner Arbeit beobachten zu können.

Ich hatte gerade die letzten Striche auf das Papier gesetzt, als Sonnenstrahlen durch das Fenster gefallen sind, die deine blonden Haare wie bei unserem zweiten Treffen wie flüssiges Gold aussehen haben lassen und dir die Erscheinung eines Engels verliehen.

Da fühlte ich es ein weiteres Mal: Basorexie, den plötzlichen Drang jemanden zu küssen.

Also hatte ich den Bleistift aus meiner Hand gelegt und die drei Meter die uns noch voreinander trennten überwunden.

Ich hatte dir noch ein leichtes Lächeln geschenkt, eine stille Frage nach Erlaubnis, die du mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken beantwortest hattest, ehe ich endlich dem Gefühl nachgab und meine Lippen auf die deine legte.

Und in dem Moment, mit deinen Lippen auf meinen und dich in meinen Armen haltend, hatte ich das Gefühl, dass sich das Puzzle des Lebens zusammenfügte.

Alle Teile die zuvor nicht zusammenpassen wollten, die schon Risse enthielten und die jenen die ich schon irgendwo verloren geglaubt hatte, bildeten plötzlich ein wunderschönes Kunstwerk.

BasorexieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt