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In Actionfilmen wirkt es immer so cool, wenn eine Person jemanden geheim beschattet. Aber die realen Begebenheiten des Ganzen kommen nie auch nur ansatzweise rüber oder - was wohl wahrscheinlicher ist - sie werden einfach bewusst verschwiegen. Die Langeweile, die Müdigkeit, die Anstrengung, der Dreck, das Gefühl, ein Creep zu sein und die drückende Blase, wenn man schon ein paar Stunden unterwegs war...

Lion war nicht zuhause, stellte ich irgendwann fest. Normale Menschen mit halbwegs gesunden Familienverhältnissen verbrachten Weihnachten wohl bei ihren Familien. Zu erwarten, dass ich ihn auf dem Sportplatz oder in seiner Wohnung ein bisschen stalken konnte, um runter zu kommen, war also ein Fehler meinerseits gewesen.

Ich schaute öfter mal bei meinen Freunden vorbei. Bei Lion am meisten. Er war relativ in der Nähe und nachdem ich mir sicher sein konnte, dass noch keiner eine Verbindung zwischen uns hergestellt hatte, konnte ich guten Gewissens einfach mal vorbeikommen und nach ihm sehen. Natürlich nur so, dass er es nicht mitbekam.

Er war nicht oft zuhause und wenn doch, dann schlief er meistens. Allein, vor seinem Haus zu stehen und in seine Wohnung hochzuschauen, ließ mich manchmal kurz glauben, ich sei noch dieser Typ von damals, dem jedes Mal, wenn er Lion sah, die Kotze hochkam.

Teilweise hatte ich mehrere Zigaretten am Stück gebraucht, um mich ruhig zu halten, nur, wenn ich ihn auf dem Pausenhof schon von weitem gesehen hatte. Davon, wie aggressiv es mich gemacht hatte, wenn Lucy über ihn geschwärmt hatte, ganz zu schweigen. Dann war er auch noch so gut mit Tony befreundet gewesen und irgendwie bekam ich die Gelegenheit, alles Schlechte auf ihn zu projizieren.

Ich wusste von Anfang an, dass er nicht ehrlich war. Dass da irgendwas war, das er verheimlichte, dass ihm sein Leben nicht gefiel und dass er etwas Anderes wollte... Ich hasste ihn dafür. Ich sah einen undankbaren, egoistischen, narzisstischen Sack in ihm, der alles in den Arsch geschoben bekam und einfach nicht genug kriegen konnte. Doch gleichzeitig spornte er mich irgendwie auch immer wieder an, ohne es auch nur zu erahnen.

Das mit Lion und mir war eine sehr seltsame Art der Hass-Freundschaft gewesen, denn obwohl ich ihm die meiste Zeit über am lieben ins Gesicht geschissen hätte, hätte ich keinen Moment gezögert, mir eine Kugel für ihn einzufangen. Denn irgendwie hatte ich ihn auch bewundert und obwohl ich ihn gehasst hatte, hatte es da wohl auch einen kleinen Teil in mir gegeben, der ihn ganz gut ausstehen konnte.

Ich dachte ziemlich oft an ihn, das gebe ich zu. Ich machte mir Sorgen und zwang mich dazu, darauf zu vertrauen, dass Lion ein Kämpfer war. Ich hatte nie gewusst, wie schwer er es gehabt hatte, da er zu gut darin gewesen war, es zu verbergen. Doch das hieß nicht, dass es deshalb leichter geworden war, im Gegenteil. Ich wusste, was für eine Kraft in diesem Typen steckte. Ich beneidete ihn dafür. Und immer, wenn ich kurz davor war aufzugeben, dann erinnerte ich mich an sein selbstgefälliges Grinsen und dachte mir, was der kann, kann ich schon lange. Also rappelte ich mich wieder auf und machte weiter.

Obwohl das jetzt vielleicht so wirkte, war ich nicht nur zum Spaß oder der Nostalgie wegen hier. Dennis hatte am Morgen nach mir sehen sollen. Drei Tage nach meiner öffentlichen Auspeitschung war Kaan wohl der Meinung, ich sollte langsam wieder arbeitsfähig sein und schickte Dennis, um dies zu überprüfen.

Als er im Flur telefonierte, bekam ich so mit, dass sie noch immer hinter Lion herwaren. Er hatte ihnen einen fünfstelligen Betrag an Drogen gestohlen, doch sie hatten es noch nicht geschafft, ihn ausfindig zu machen. Carlos, der Dealer, dem er die Drogen geklaut hatte, war gesichtsblind und nur dazu in der Lage, Lion anhand der Kleindung zu identifizieren. Wir wussten also, dass es jemand aus dem Fußballteam war und nachdem Theo wegen des Drogenkonsums in die Klinik gekommen war, glaubten alle, er sei es gewesen.

Ace - guns, drugs and loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt