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Ty schien zu gehen, denn es ertönten wütende Schritte, die sich in die entgegengesetzte Richtung begaben. Leichtes fluchen war zu hören, weshalb ich fast gelacht hätte.

Jetzt hatte er definitiv bewiesen, dass Lakota's Aussage stimmte und dagegen kam er nicht mehr an. Er hatte die ganz falsche Reaktion gezeigt, sollte Lakota wirklich der Schuldige gewesen sein. Schließlich würde er sonst nicht einen Punkt suchen, an dem er mich runtermachen konnte und mir das schlechte Gewissen einredete.

Ob er mit Nathan unter einer Decke steckte oder nicht machte hier keinen Unterschied mehr. Ty war genau so ein Arschloch und von irgendjemand musste er ja die Sache mit Jayden erzählt bekommen haben- hier war sonst niemand, der davon bewusst mitbekommen hatte, ohne dass ich es erzählt hatte.

Ich würde niemals verstehen, wie man den Umgang mit Menschen so falsch angehen konnte. Sie würden es doch selber auch nicht wollen- egal um welches Thema es sich in ihrem Fall handeln würde. Warum dann machen?

Ich atmete zittrig aus und löste meinen Griff von seinem Pulli. Langsam lehnte ich nur noch meinen Kopf an seinen Brustkorb, die Augen geschlossen und ein wenig beschämt, da er wirklich die schlimmsten Einblicke in mein Leben bekam.

Seine warmen Hände, die noch über meinen Rücken gestrichen hatten, wanderten nun zu meinen Schultern. Sanft drückte er mich ein kleines Stück zurück, bis er eine Hand schließlich von meiner Schulter nahm und sie unter mein Kinn legte.

Gezwungen ihn anzusehen hob ich meinen Blick und entgegnete den moosgrünen Augen, die mich mit so viel Wärme ansahen, dass ich Gänsehaut bekam.

Vorsichtig strich sein Daumen über meine Wange, weshalb ich ein Schmunzeln nicht verhindern konnte. "Ich bin so bescheuert."

Ich entlockte ihm ein Lächeln. "Das kann sein."
Automatisch legte ich meinen Kopf noch weiter in den Nacken, um ihn besser ansehen zu können. "Aber nicht was diese Situation angeht."

Behutsam legte er nun auch die andere Hand auf meine Wange und drückte mir einen Kuss auf den Kopf.
"Lust zu schwänzen?"

Und mich abzulenken? Nichts lieber als das. Aber ich konnte nicht. Ich musste mich auf eine wichtige Vorstellung vorbereiten, die in naher Zukunft stand und viel Zeit aufwandte. Dafür musste ich aber die nächste Vorlesung mitbekommen. Meine erste für heute hatte ich zwar noch nicht verpasst, aber ich wollte nicht fünf Minuten zu spät in den Saal platzen.

Skeptisch zog ich meine Augenbrauen zusammen. "Ich kann nicht. Und ich schwänze nicht."

Er lachte leicht auf und zog seine Hände zurück. "Spießer. Was hast du schon zutun?"

Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und neigte meinen Kopf leicht zur Seite. Er tat es mir gleich und zog erwartungsvoll eine Augenbraue hoch.

"Eine Vorstellung. Ich brauche noch mehr Material."

Er verdrehte schmunzelnd seine Augen. "Du hast noch ein paar Semester und Vorstellungen vor dir. Ist doch egal, wenn der eine Vortrag nicht so gut wird."

Ich schüttelte den Kopf und hielt ihm einen Zeigefinger an die Brust. "So denkst du vielleicht."

Abwehrend hob er seine Hände und begann zu Lachen, als ich einen Schritt zur Seite ging und an ihm vorbeilaufen wollte. "Kannst du das nicht morgen noch nachholen?"

Ich stoppte abrupt, als er sich mir in den Weg stellte und seine Arme zur Seite streckte, damit ich nicht weiterlaufen konnte.

Jetzt war ich an der Reihe meine Augen zu verdrehen. "Geh mir nicht auf die Nerven."

In Wahrheit wollte ich unbedingt meine Zeit mit ihm verbringen. Innerhalb ein paar Minuten hatte er mich bereits dazu gebracht mich nicht mehr zu sehr auf Ty zu konzentrieren. Er tat das so leicht, als könnte er meine Gedanken manipulieren.

Jedoch kam der Vortrag als erste Priorität- ich wollte schließlich gut abschneiden.

"Wenn es dich umstimmt mitzukommen", meinte er herausfordernd und zog mich an meiner Hüfte zu sich.

Erschrocken weiteten sich meine Augen und mein Herz flatterte.

"Ich komme nicht, tut mir leid", sagte ich- meine Stimme klang schon ein wenig protestierend.

"Okay", murmelte er und sah zu mir herunter. Er war leicht über mich gebeugt, auf seinen Lippen wieder das gerissene Grinsen. Als ich merkte, wie nah sich unsere Gesichter waren hielt ich die Luft an, wandte mich jedoch nicht von ihm ab.

Stumm sah ich zu ihm hoch. Mein Blick verfolgte jede seiner Bewegungen, blieb jedoch in den Fängen seiner grünen Augen, die verspielt blitzten.

Er kam immer näher und ich erwischte ihn, wie sein Blick auf meine Lippen huschte, er jedoch wieder zurück in meine Augen sah.

Unfähig irgendwas zu sagen oder tun, ließ ich zu, dass er seine Stirn an meine legte. Sein Atem streifte meine Lippen, genau wie meine Nasenspitze. Unbewusst lehnte ich mich weiter zu ihm, kam ihm entgegen, sodass sich unsere Lippen ganz leicht nur berührten.

Doch er zog zurück.

"Dann verpasst du was, Onawa."

Er löste sich komplett von mir, setzte an zu salutieren und zwinkerte mir provokant zu, auf den Lippen noch immer das Grinsen.

Empört zog ich meine Augenbrauen zusammen. Was war das?

"Lakota" Beleidigt, auch peinlich berührt, kniff ich meine Augen zusammen und legte meinen Kopf in den Nacken.

Oh Gott.

"Worauf wartest du?" Er sah mich herausfordernd an. "Niemand hält dich auf."

Ich zeigte ihm nur den Mittelfinger und atmete entnervt aus. Aber in die Augen schauen konnte ich ihm nicht. Dafür war mir meine Reaktion auf seine Nähe viel zu unangenehm.

Ohne ihn also eines weiteren Blickes zu würdigen stapfte ich an ihm vorbei und schluckte, als ich an seine Nähe von gerade eben dachte.

Ich konnte meine Wangen nicht davon abhalten rot zu werden, als ich diese Information verdauen musste.

Gerade, als ich mir durch die Haare streichen wollte, da das das einzige war, was mir einfiel, um nicht einfach stur davonzulaufen wie ein kleines Kind, wurde ich wieder zurückgehalten.

"Kannst du dich mal entscheide-"

Von warmen, weichen Lippen, die bestimmend auf meine trafen wurde ich unterbrochen. Wieder stieg mir der vertraute Duft in die Nase, der mit seiner so plötzlichen Nähe kam.

Ich hatte gar keine Zeit mich irgendwie mental einzustellen, da hatte er sich wieder von mir gelöst. Sein Atem traf nur leicht auf mein Gesicht und er löste seine Hände wieder von meinen Wangen.

"Den Kuss wollte ich trotzdem."

Geschlagen seufzte ich und streckte mich zu ihm hoch. Jetzt schaute er blöd aus der Wäsche.

Meine Arme schlang ich um seinen Nacken und lehnte mich zu ihm. "Ich habe ihn nicht mal erwidert."

Das Grinsen war zurück und er umgriff meine Taille. "Dann hoffe ich doch, dass du es jetzt tust."

Sanft trafen sich unsere Lippen erneut und bewegten sich innerhalb von Sekunden im perfekten Einklang.

hooded plane boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt