Kapitel 15 - „Ach, du redest von Luna!"

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Ich wachte in einem viel zu hellen weißen Raum auf. Wo war ich? Langsam sah ich mich um, großes Fenster mit weißen Vorhängen, leerer Raum und irgendwoher kam ein sehr komischer nerviger Pieps Ton. An der einen leeren Wand hing eine Uhr. Die Wand rechts neben mir, hatte eine große hellgraue Tür und daneben ein Fenster mit Gardienen. Dadurch konnte man scheinbar auf eine Art Gang schauen. Doch viel erkennen konnte ich nicht. Als ich meinen Kopf weiter nach links drehte, bemerkte ich das komische Gerät von dem der regelmäßige Pieps Ton kam. War ich im Krankenhaus? Aber warum? Ich versuchte mich langsam aufzurichten, doch mein rechtes Bein tat höllisch weh und an meinen Armen bemerkte ich diverse Schürfwunden. 
Ich saß auf der Bettkante und sah auf mein eingegipstes Bein an. Und dann fiel mir wieder alles ein. Ich hatte meine Maschine repariert und wollte eine Probefahrt machen. Ich wurde seitlich von einem Auto erwischt und landete an einer Laterne. Fuck! Mein Motorrad! Mein Baby! Die grade so schön reparierte Maschine direkt wieder ruiniert! Ich hoffe ich bekomm das wieder hin.
Ich zog mein T-Shirt hoch und sah die ganzen blauen Flecken und fühle an meinem Rücken weitere Schürfwunden. Ich stöhnte leicht auf als ich versuchte aufzustehen, ließ mich aber kurz darauf wieder auf das Bett fallen. Kurz darauf ging die Tür auf und ein Mann mittleren Alters mit weißem Kittel kam rein. Ich sah ihn fragend an, sagte aber nichts. „Oh sehr gut, sie sind wach.“, sagte er überrascht und trug etwas auf dem Klemmbrett ein, dass er unterm Arm getragen hatte. Ich nickte leicht. „Ihre Verlobte wartet draußen und schläft, ich kann sie gerne wecken und reinholen.“, bot er mir freundlich an. „Meine Verlobte?? Ich hab doch noch nicht mal eine Freundin.“, sagte ich verwirrt und mit leicht brüchiger Stimme. „Oh sie können sich nicht an sie erinnern?“, fragte der Mann mich, der ein Arzt zu sein schien. „Ich hol sie mal rein. Sie hatte darauf bestanden, hier zu warten, bis sie wach werden. Vielleicht erinnern sie sich ja dann an sie.“, sagte der Arzt und verließ das Zimmer. Ich sah ihm sehr verwirrt hinterher.
Die Tür öffnete sich keine fünf Sekunden später wieder und eine sehr müde Keara betrat das Zimmer. Man konnte dennoch die Sorge in ihrem Blick erkennen. Sie kam auf mich zu und setzte sich neben mich auf das Bett. Ich sah sie erwartungsvoll an. Scheinbar war sie ja meine Verlobte. Als sie nichts sagte, fragte ich sie, „Verlobte??“ und sah sie weiterhin verwirrt an. „Sie wollten mich nicht mitfahren lassen, es sei denn ich wäre deine Frau oder Verlobte.“, sagte sie während sie die Wand anstarrte. Ich nahm ihre Hand und sah sie mit einem sanften Blick an. „Das heißt ich habe keinen Gedächtnisschwund, sehr gut.“, ich machte eine kurze Pause ehe ich weiter redete, „Aber was machst du hier? Ich meine, warum bist du hier?“ Keara sah mich endlich an. Ihre Augen waren wässrig. „Ich bin einfach froh dass es dir gut geht.“, sie ging nicht auf meine Fragen ein und sah wieder zum Fenster, „Ich… Ich dachte ich hätte dich verloren.“, ihre Stimme brach ab. Ich setzte mich auf um ihr vorsichtig über die Wange zu streicheln. „Ich bin da, ich lebe noch. Ich bin hier. Mit dir.“, sagte ich mit sanfter Stimme. „Du bist noch nie geblieben, du gehst immer. Man kann sich nicht auf dich verlassen.“, sagte sie mit einer leicht verletzen aber dennoch monotonen Stimme. Was war nur los mit ihr? Das was sie sagt ergab keinen Sinn. „Ich konnte dich einfach nicht so da liegen lassen. Ich war verzweifelt. Ich BIN verzweifelt. Ich weiß einfach nicht mehr was ich mit dir machen soll! Und dann wollte ich eigentlich mit dir reden und dann werd ich angeschnauzt.“ Begann sie ihren Monolog. Ich sah sie einfach weiterhin an, mit meiner Hand auf ihrer. Worauf wollte sie hinaus? „Und kaum bin ich zuhause, fliegst du einfach vor meinem Haus  quer über die Kreuzung und bewegst dich nicht mehr. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Und als dann noch der Krankenwagen kam…“ sie brach ab. Ihre Stimme klang verzweifelt und sie hatte angefangen leicht zu weinen. Ich wischte ihr die Träne von der Wange. Ich wusste nicht was ich daraufhin sagen sollte. „Ich… Ich konnte dich einfach nicht alleine lassen. Ich wollte nicht.“ Ich sah sie mitfühlend an. „Danke.“ Es war das einzige was mir einfiel, was ich herausbringen konnte. Was erwartete sie denn jetzt?  Sie sah mich mit immer noch verweinten Augen an, „Ich hab mir solche Sorgen gemacht.“ Keara schien nicht mehr drüber nachzudenken was sie da sagte, sie sagte es einfach. Doch nun blieb sie still. Ein Schweigen legte sich über uns.
„Ich  versteh nur leider nicht warum.“, sagte ich schließlich. „Warum machst du dir solche Sorgen um mich? Warum wolltest du unbedingt mitkommen, sodass du sogar lügst und behauptest meine Verlobte zu sein?“ Ich hatte über ihre gesagten Worte nachgedacht doch wurde einfach nicht daraus schlau. Und mein scheinbar doch angeknackstes Gehirn war der Meinung, keine Empathie mehr zu zeigen und stattdessen dumme Fragen zu stellen. „Das Fragst du noch? Bedeute ich dir so wenig, dass ich dir diese Frage wirklich noch beantworten muss?“, sie klang enttäuscht, verletzt. In meinem Kopf machte eine Sicherung grade klick, nur leider war es die Falsche. „Nur weil ich dich einmal geküsst habe sind wir noch lange nicht zusammen!“, das kam ernster und gefühlsloser rüber als es eigentlich gemeint war. Doch ich konnte es nicht zurücknehmen. Keara sah mich einfach nur entgeistert an. Ihr liefen wieder Tränen über die Wange und sie stürmte schluchzend aus dem Zimmer. „Scheiße! Ich bin so ein Vollidiot!“, fluchte ich laut über mich her. Natürlich waren wir nicht zusammen. Aber Sie schien viel zu viel von mir zu erwarten. Wollte sie wirklich eine Beziehung mit mir? Ich meine mit MIR?!
Den ganzen Vormittag drehten sich meine Gedanken um sie. Was sie gesagt hatte, was sie getan hatte, wie sie einfach nur verweint und verzweifelt an meiner Bettkante saß und mich ansah. Ich hätte sie in dem Moment zu gerne geküsst und ihr versichert, dass alles gut wird. Doch ich muss natürlich der dumme Vollidiot sein, der ich schon immer zu ihr war. Ich hab mir wahrscheinlich alles bei ihr versaut.
                                ***
Den Vormittag verbrachte ich damit, im Bett zu liegen und die Wand anzustarren. Ich konnte nicht aufhören über Keara nachzudenken. Was sie gesagt hatte, was sie wahrscheinlich von mir erwartete. Es war mir einfach grade alles zu viel. Da kamen auch schon meine Bandkollegen rein. Ich hoffte eigentlich auf Abwechslung, doch sie fragten mich natürlich aus, was passiert sei. „Geht’s dir gut?“ „Kannst du noch laufen?“ „Wie geht’s deinem Baby?“ „Was ist eigentlich passiert?“ 

„Hey nicht alle auf einmal, ich hab immer noch Kopfweh!“, sagte ich leise und sie sahen mich alle erwartend an. „Ok, einer nachm anderen.“ Ich sah in die Runde und Benny ergriff als erster wieder das Wort. „Wie geht’s dir? Was is eigentlich genau passiert?“, fragte er nüchtern aber dennoch leicht besorgt. Die Anderen blieben still und sahen mich weiterhin erwartungsvoll an. Ich kam mir vor, wie in einem Verhör, beantwortete aber brav die Frage, „Mir geht’s soweit ganz gut, den Umständen entsprechend halt. Auch wenn ich momentan zu viel nachdenke. Der Arzt hatte irgendwas von Gedächtnisverlust gesagt.“ Ich machte eine kurze Pause die Jimmy direkt nutze, „Wie geht’s deinem Baby?“ Ich sah ihn perplex an. „Woher weißt du das?“, fragte ich verwirrt. „Na komm schon, jeder weiß das doch!“ Jetzt war ich noch verwirrter als vorher, aber gut. „Ich hab eigentlich versucht es zu verdrängen. Ich glaub ich hab’s diesmal komplett versaut! Ich weiß nicht ob ich das wieder hinbekomme.“ „Ach komm, du bist der mit den besten Fähigkeiten! Als ob du das nicht wieder grade biegen kannst.“, versuchte mich Danny aufzuheitern. „Woher willst du das wissen? Du kennst sie nicht mal!“, warf ich ihm vor, „Sie wird mir das nie wieder verzeihen!“ „Ach komm, so schlimm is das schon nicht, du hast doch alle Ersatzteile und so übel sieht sie doch ned aus oder?“, fragte nun Jimmy wieder. „Ersatzteile??“ Jetzt war ich noch verwirrter als vorher. Wovon redete er? „Junge natürlich Ersatzteile, was denn sonst? Oder willst du dir auf einmal ne Verkleidung und neue Motorteile aus den Hüften schneiden?!“ „Ach, du redest von Luna!“, machte es bei mir endlich Klick! Ich nannte mein Motorrad liebevoll Luna. Auch wenn das nicht ganz passte, da sie schwarz war und nicht weiß wie der Mond. Ok Luna war auch eigentlich die Mondgötting. Aber ich sah es dann doch eher wie das Pink Floyd Album, Dark Side of the Moon, dessen Platte weiß war.  „Ja klar bekomm ich die wieder hin! Schade nur, dass ich sie zu Schrott gefahren hab, nachdem ich sie grade wieder repariert hatte…“, antwortete ich ihm daher und sah deprimiert an die Wand gegenüber von mir.
Jetzt wurde ich verwirrt angeschaut, „Von wem oder was hast du denn geredet?“, fragte mich Benny jetzt. „Ach nix nix…“, versuchte ich abzulenken und pfiff leicht, als wäre absolut nichts gewesen. Die eindringlichen Blicke der Drei machten mir es allerdings schwer. „Kommt schon Jungs. Ihr kennt doch meine Songtexte. Ihr wisst doch genau von wem ich rede.“ Man konnte ihnen wirklich ansehen, wie die Zahnräder in ihren Köpfen beginnen sich zu drehen. „Ich hab Keara gesagt, nur weil wir uns geküsst haben, sind wir noch lange ned zusammen.“, nuschelte ich leicht vor mich hin, aber laut genug dass es bei allen klick machte. „Oh Mann, immer noch diese ganze Keara scheiße? Ich dachte du wärst über sie hinweg.“ „Das Mädel aus deiner Schulzeit? Komm schon!“ rieselten die Kommentare nur so auf mich herunter. Und ja ich hatte es verdient. Nach einer ordentlichen Standpauke von den dreien, was Beziehungskrams und Keara angeht, boten sie mir noch an mir mein Zeug zu bringen von Zuhause, was ich zum Glück ablehnen konnte. Ich wusste ich konnte die nächsten Tage heim, da die Verletzungen nur oberflächlich waren und abgesehen von dem „Gedächtnisverlust“ was meine „Verlobte“ anging, war alles in Ordnung. Und das mit dem Bein wird schon wieder werden, meinte der Arzt. Na dann, ich konnte nur hoffen, dass das mit Keara genauso wird. Auch wenn ich das ordentlich verbockt hatte.

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