1. Kapitel

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Leises Knistern des in der sommerlichen Wärme getrockneten Laubs unterbrach die ungewöhnlich perfekte Stille, die in den Tiefen des Waldes herrschte. Dichte Äste der hohen Bäume ließen nur einzelne, blasse Lichtstrahlen die tief schwarze Finsternis durchbrechen um die Umrisse der unzähligen Bäume sichtbar zu machen. Wie ein schweres Tuch lag die Dunkelheit über den hölzernen Riesen und umschlang alles was vor und hinter einem lag. Kroch immer näher oder zog sich zurück bei jeder flauschigen Wolke die über den hellen, kalten Mond hinweg trieb.
Weiteres Rascheln folgte bei jedem einzelnen Schritt, der durch die Nacht wie Schatten schleichender Silhouetten. Eine Truppe aus dreizehn Männern bahnten sich ihren Weg durch das Holz. Einer hinter dem anderen folgten sie einander, um sich gegenseitig nicht aus den Augen zu verlieren. Ein älterer Mann am Anfang der Reihe sah sich immer wieder um und horchte jedem kleinsten Geräusch, welches ihm verraten könnte dass der Feind in der Nähe ist. Als einziger Offizier der Gruppe spürte er die ganze Last der Verantwortung für das Leben der Soldaten. Denn nur eine Sekunde der Unachtsamkeit seiner Seits könnte das Ende der jungen Seelen bedeuten.
Das kaum hörbare Knacken eines trockenen Asts, hinter seinem Rücken, ließ ihn aufhorchen. "Seid mal bitte etwas leiser dort hinter!", zischte leise der Offizier mit hörbarer Spannung in der Stimme, ehe er sich wieder umdrehte, um seinen Weg fortzusetzen. Ein junger Soldat der das Geräusch verursacht hat, zuckte leicht zusammen bei den Worten des höher gesetzten Kameraden und senkte beschämt den Kopf. Solche Fehler durften ihm nicht unterlaufen, auch wenn es äußerst schwer war bei der schlechten Sichtbarkeit. Mit einem tiefen Atemzug konzentrierte er sich erneut auf die wenigen Geräusche um ihn herum und die Wahl seiner Schritte. Das rascheln von Blättern unter den Sohlen seiner Mitstreiter, deren leiser Atem und ab und an das leise heulen des Windes hoch oben in den Baumkronen, über ihren von schweren Helmen geschützten Köpfen. Noch nicht mal das Rufen einer Eule irgendwo in der Ferne war zu hören. Als ob die Geschöpfe des Waldes wüssten, dass etwas Schlechtes bevorstünde und auf Grund dessen angespannt die Luft anhielten, in der Angst auch nur das kleinste Piepsen von sich zu geben. Ein zweifellos schlechtes Zeichen, dachte sich der junge Soldat und hielt kurz angespannt Inne als er sich einbildete eine fremde Rede irgendwo von der Seite zu hören. Um sich sicher zu gehen, dass er nicht der einzige ist der das hört, sah er zu den Männern hinterher seinem Rücken. Diese aber zu seinem Pech oder vielleicht aber auch Glück, schienen es nicht gehört zu haben und schritten weiter hinter ihm her.
Mit der Erschließung, dass er es sich nur zusammen gedichtet hat, richtete er seinen Blick wieder nach Vorne.

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"Ich möchte an die Front.", die Aussage war genauso abrupt, wie das Erscheinen selbst im Büro des mächtigen Führers. Mit überzeugten Gesichtsausdruck und sicherer Körperhaltung Stand er nun wieder da und sah zum streng in eine SS Uniform gekleideten Mann, welcher unbeeindruckt die Augen hob und erschöpft seine Hand zum Gesicht führte, um sich den Nasenrücken zu reiben.
"Ich meine wir hätten das Thema schon besprochen. Und nicht nur ein Mal, Deutschland.", antwortete ruhig das Dritte Reich und sah wieder runter auf die Papiere, die er sich durchlesen müsste um weitere Befehle erteilen zu können und seinen Plan fortzuführen. "Ich weiß Vater... aber...", Deutschland senkte den Kopf und ballte seine Hände zu Fäusten, im Versuch die richtigen Worte zu wählen, um sein Elternteil überzeugen zu können.
"Ich möchte auch meinen Teil in den Krieg beitragen. So viele Soldaten sterben dort draußen... dafür tun sie aber wenigstens etwas um ihre Treue unserem Vaterland zu beweisen. Sie kämpfen, verhelfen dir zum Sieg-".
"Uns.", unterbrach ihn kurzerhand Reich, der den Blick seiner himmlisch blauer Augen wieder wie eine drohende Waffe auf seinen Sohn richtete.
"Uns. Ich meine uns zum Sieg verhelfen.", verbesserte seine Aussage der junge Deutsche nach einem Räuspern und hielt leicht nervös den Augenkontakt mit dem Führer. "Im Gegensatz zu ihnen tu ich nichts bedeutungsvolles.", er kam ein paar Schritte näher zum Tisch an dem Reich saß. "Es ist nicht gerecht Vater. Nicht gerecht den armen Familien gegenüber, die Tag für Tag ihre Familienmitglieder verlieren."
"Du möchtest dein Leben dort an der Front dalassen?", ertönte die Frage mit einigen kaum bemerkbaren Tönen des Verachtens in der ansonsten gleichgültig klingenden Stimme. Weiterhin den Blickkontakt haltend, erhob sich das dritte Reich von seinem Platz und umkreist in einem langsamen Gang den Tisch, wobei die Absätze an seinen Schuhen einen gleichmäßigen Rythmus in den Boden schlugen. Es sollte dazu dienen den Jugendlichen nervös zu machen und einzuschüchtern und das wusste Deutschland genau. So gut wie jede Strategie des Älteren im Bereich der Manipulation hat er bereits durchschaut und ahnte wie man dagegen vorgehen muss, um sein eigenes Ziel erreichen zu können und dabei Reich nicht zu verärgern. Ohne mit der Wimper zu zucken hielt der Jüngere dem schweren Blick seines Vaters Stand und beantwortet die ihm gestellte Frage: "Nein, ich weiß mein Leben zu schätzen, ehrlich. Jedoch finde ich es nicht richtig und sogar erniedrigend, dass ich mich hinter deinem Rücken und hinter den Millionen von Opfern verstecke. Ich muss mein zukünftiges Volk zu beschützen wissen. So wie du Vater. Und ich werde es nur auf der Praktik lernen können. Ich bin schließlich nicht mehr ein Kleinkind... Die Zeit ist gekommen, dass nun ich unsere Leute anfange zu beschützen."
Schweigen hörte der Führer seinem Sprössling aufmerksam, bis zum Ende zu und nickte leicht nach einigen Augenblicken des Überlegens: "Du hast recht...".
"Was..?", fragte etwas überrumpelt der Jüngere, da er eine solche Reaktion nicht erwartet hatte. Zu oft scheiterten seine Versuche wenn es um dieses Thema ging.
"Du bist schon längst kein kleiner Junge mehr.", seufzte leise das dritte Reich und sein Blick verlor die gewöhnliche Kälte und das Verachten. Seine Hand fand ihren Weg zur Wange seines Sohnes und Strich zärtlich über die weiche Haut.
"Auch wenn ich es vielleicht nicht wahr haben möchte...". Seine Finger wanderten langsam zum Kinn des Deutschen und hoben vorsichtig seinen Kopf an, sodass er die akkuraten Gesichtszüge besser mustern konnte. Auch wenn diese Geste etwas ungewohnt für Deutschland war, ließ er die Berührung zu und spürte wie ein leichter angenehmer Schauer wie eine Welle durch seinen Körper ging. Derart innige Momente passierten äußerst selten, was teilweise daran lag, dass es Reich schwer fiel seine Emotionen auszudrücken. Aber wenn es mal dazu kam, realisierte Deutschland immer wieder aufs neue wie wichtig er seinem Vater doch scheinbar war.
Stille Trauer spiegelte sich in den Augen des Älteren, verschwand jedoch wieder genauso schnell wie sie aufgetaucht war und machte stattdessen Platz für ein blasses funkeln von stolz. Seine Hände zog er zurück und faltete sie in einer strikten Art hinterm Rücken.
"Nun gut. Ich überlege es mir noch mal und wenn dann werde ich dich persönlich zu Beginn einigen weniger gefährlichen Missionen zuteilen. Was wäre ich schließlich für ein Vater, wenn ich mein Kind auf den direkten Weg zum Tode setzten würde.", sagte er schließlich und blickte zu einem der Fenster in seinem Kabinett, als ob er die Interessen an dem Gespräch verloren hätte.
Wie Sterne begannen Deutschlands Augen vor Glück zu funkeln an und im Sturm der in ihm aufgekommener Emotionen, konnte er nicht anders als sich in die Arme seines Elternteils zu stürzen.
"Danke vielmals, du wirst es nicht bereuen! Das verspreche ich!"
"Das hoffe ich doch mal.", erwiderte etwas überrumpelt Reich und legte ebenfalls seine Arme um den Jungen. "Ich würde nur ungern ein Kondolenzschreiben bekommen.", fügte er noch hinzu und Strich ihm sanft durch die Haare.
"Keine Sorge, das wird nicht vorkommen.", versicherte Deutschland entschlossen.

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Seit dem Tag ist ein ganzer Monat vergangen. Der junge Deutsche erhielt seine Uniform und bekam einen neuen Namen, da Reich viel Wert auf die Geheimhaltung der echten Persönlichkeit seines Sohnes legte. Es war einfach sicherer auf diese Weise. Niemand der Feinde würde sich für einen gewissen Fritz Richter interessieren. Es blieb nur noch zu hoffen dass ihn nicht doch jemand erkannte und vor allem nicht jemand von den Gegnern.

In der Zeit wo er sich außerhalb seiner sicheren Stadt befand, hat er schon bereits genügend Erfahrungen sammeln können. Aber nicht desto trotz schaffte er es nicht an die Front zu kommen, wie er es wollte. Stattdessen war er verpflichtet, seiner Meinung nach, Kleinigkeiten zu erfüllen wie das überbringen von wichtigen Briefen. Sein Vater hat seine Bedingung verwirklicht, genau wie er es Deutschland dargelegt hat.
Glücklicherweise dauerte es nicht lange bis der junge Deutsche sich hoch arbeiten konnte. Seine eifrige Art spielte dabei eine große Rolle, denn solche einsatzbereiten Soldaten sind überall willkommen und sogar unerlässlich. Schon nach einer Woche durfte er sich einer Truppe anschließen, die auf das eroberte Sowjetische Territorium hinaus geschickt werden sollte, um ein besetztes russischen Dorf zu bewachen.
Ab da zeigte sich Deutschland das echte blutverschmierte und grausame Gemälde des Krieges. Der grausame Tanz von Leben und Tod, Hoffnung und Verzweiflung.
Nur ahnte der junge Deutsche nicht, dass das was er bisher gesehen hat nur ein Bruchteil des ganzen Bildes war.

Ein Tippen an seiner Schulter brachte ihn wieder in die Realität zurück. Etwas erschrocken sah er zurück und erblickte hinter sich, zu seiner Erleichterung nur das leicht belustigte Gesicht eines Kameraden.
"Fritz, du solltest vielleicht aufhören den Kopf dauern in den Wolken zu haben. Oder zumindest für dieses eine Mal.", flüstert leicht neckend der junge Mann, der etwas älter war als Deutschland selbst und dessen dunkel blonden Haaren zerzaust unterm Helm hervor schauten.
Christian Fischer hieß er. Eine äußerst aktive Persönlichkeit, die sich mit der Betitelung Rabauke außergewöhnlich gut beschrieben ließ. Dieser leichtsinnige Witzbold schaffte es immer wieder aufs neue in die undenkbarsten Situationen zu geraten. Das letzte mal wurde er beauftragt in dem kleinen russischem Dorf ein Eimer Wasser aus dem nahe liegenden Fluss zu holen, eine recht simple Aufgabe.
Nur nicht für Christian.
Es dauerte keine zehn Minuten, da stand er wieder vor dem Offizier. Komplett durchnässt, mit dem leeren, verbeulten Eimer in der Hand und bedeckt mit Hühner Kot. Im Nachhinein hat sich rausgestellt, dass er sich für den kurzen Weg zur Wasserquelle das Motorrad des Offiziers geborgen hat, dabei verlor er die Kontrolle über die Maschine und flog mit voller Geschwindigkeit in einen Hühnerstall einer älteren Frau. Um von der zornigen Älten mit dem Besen zu fliehen, flüchtete er erneut mit dem Motorrad, zerstörte einen Zaun einer weiteren Frau und versenkte als Kulmination die Maschine in dem Fluss.
Zu sagen, dass der Offizier in rasender Wut war, als er davon erfuhr, wäre noch viel zu leicht gesagt. An seinem mörderischen Blick ließ sich vermuten er stünde kurz davor den armen Soldaten mit dem Motorrad mit zu ersaufen.

"Eh, ja natürlich. Ich hab mich nur an etwas erinnern.", murmelte etwas verlegen Fritz und wendete sich wieder ab.
"Erzählst du mir dann nachher davon? Es scheint ja interessant zu sein, dass du deswegen derweise den Kontakt mit der Realität verlierst.", flüsterte der Soldat ihm zu, mit in der Finsternis neugierig funkelnden Augen.
"Klar wieso nicht."
"Seid doch endlich still ihr dort hinten!", zischte erneut streng der Offizier. Wie befohlen wurden alle wieder stumm und lauschten aufs neue angespannt in die Stille des Waldes. Erneut nichts außer dem leisen Heulen des Windes und dem Rascheln der Blätter.
So bewegten sie sich weiter fort durch die Dunkelheit bis zum Moment als ein zweites Knacken erklang. Bloß war es diesmal alles andere als ein Stock. Es ähnelte mehr dem Geräusch eines geladenen Gewährs. Deutschlands Muskeln spannten sich automatisch an.
Sie wurden entdeckt.

"Огонь! (Feuer!)", schallte der Ruf durch den Wald, gefolgt von ohrenbetäubenden Schüssen.

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Hey-jo random Leut, der über diesen fic gestolpert ist.
Willkommen schätze ich mal und danke fürs Lesen des ersten Teils.
Ich hoffe ich konnte eure Interesse wenigstens etwas wecken und würd mich freuen wenn ihr an der Story dran bleibt.
Nun denn.
Wünsche euch noch eine/-n angenehme/-n Tag/Abend/Nacht.

In den Händen des Feindes Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt