2. Kapitel

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"Огонь! (Feuer!)"

Bei dem Anblick der kurzen, hellen Explosionen von Schüssen, schien Deutschlands Herz einen Schlag auszusetzen bevor es in einem wilden Rhythmus aufging. Aus dem Augenwinkel sah er wie einige seiner Kameraden wie in Zeitlupe kurz aufzuckten und anschließend zu Boden sanken. Etwas warmes spritzte ihm ins Gesicht und der intensive Geruch von Schießpulver gemischt mit irgend einer weiteren Substanz die besonders metallisch roch, stieg ihm in die Nase. Nackte Angst schloss ihre langen Krallen um das rasende Herz des Deutschen. Doch ehe er reagieren konnte hörte er wie durch Watte eine Stimme von der er nicht erwartet hätte, dass sie so ernst klingen konnte, und wurde mit einem groben Ruck hinter den nächsten schützenden Baum auf den Boden gezogen. Die Schüssen hörten nicht auf, im Gegensatz, schlagartig wurden sie deutlicher und schnitten nur noch schärfer in das empfindliche Gehör der Wehrmachts Soldaten.
"Fritz? Friedrich, verdammt! Ist alles gut? Wurdest du angeschossen?"
Auf Grund des Schocks, reagierte Deutschland nicht direkt auf die Stimme des nervösen Christians. Während der ältere Soldat sein Gewähr lud, wischte sich Fritz mit zittrigen Fingern über seine Wange und schaute anschließend auf diese. Sein Atem stockte ein weiteres Mal. In der Dunkelheit war es immer noch problematisch etwas zu erkennen, aber die tief schwarz wirkende, klebrige Flüssigkeit ließ sich einfach nicht verwechseln. So sehr es Deutschland auch nicht wahr haben wollte. Es war zweifellos Blut, Blut seiner Mitstreiter.
Erneute Schüsse lenkten ihn von der Entdeckung ab. Diesmal war es Christian der mit zusammengekniffenen Augen konzentriert auf alles schoss was sich zwischen den Baumstämmen bewegte, in der Hoffnung jemanden von den Russischen Soldaten zu erzielen.
Der junge Deutsche drehte angespannt den Kopf zur Seite und erschrak als er neun von den dreizehn Mitgliedern der Truppe, verletzt oder bereits leblos auf dem dreckigem Waldboden liegen sah.
"O-oh Gott...", stottert er atemlos und presste sich vor Entsetzen eine Hand auf den Mund.
"Sieh lieber nicht hin.", murmelte ihm der andere Soldat zu während er sein Gewähr nochmals neu lud. "Wir sollten uns darauf konzentrieren eine Fluchtmöglichkeit zu finden."
Als Zustimmung nickte Fritz und versuchte tief durchzuatmen um sich zusammenzureißen. Gleichzeitig erinnerte er sich an seine eigene Waffe und zog sie sich von seinem Rücken.
Das beteubende Knallen hörte für keinen Bruchteil einer Sekunde auf und sogar die Erde schien von dem Lärm zu erbeben. Wenn sie weiterhin so sitzen blieben, würden die Russen sie früher oder später zweifellos in die Finger bekommen und ohne weiteres einfach umbringen.
Angespannt saß Christian an den Baum gedrückt da und bemühte sich mit seinem hektischen Blick einem Fluchtweg durch den Wald zu finden, der am meisten vor Schüssen schützen würde.
Ein plötzlicher dumpfer Aufschlag von einem silbrigen Gegenstand erregte Deutschlands Aufmerksamkeit und ließ augenblicklich das Blut in seine Adern gefrieren, als er im blassen Mondschein erkannte um was es sich bei dem Ding handelte.
Er hat es nicht als einziger entdeckt, denn noch bevor er es schaffte was zu tun, erblickte er den sich erhobenen Christian der bereits die tödliche Granate in der Hand hielt und dabei war sie mit Schwung zurück zu werfen. "Behaltet euren dreckigen Müll, ihr russischen Schweine!", schrie er voller Verachtung.
Die Waffe kehrte wieder dort hin zurück woher sie gekommen war und ehe sie den Boden berühren konnte, ertönte eine gewaltige Explosion, gefolgt von den schreien fremder Stimmen.
Nur war der junge Deutsche nicht der einzige der den stehenden Wehrmachts Soldaten erblickt hat, ohne die Chance sich wieder in den Schutz des Baumes bringen zu können, traf ihn ein weiterer Schuss des Gegners.
"Christian!", Verzweiflung und Angst um seinen Kameraden und gleichzeitig auch Freund, zerrissen Fritz von innen und gaben ihm den Mut ihm zur Hilfe zu eilen.
Gekrümmt vor Schmerz krallte sich Christian in seinen Arm und sank zu Boden, versuchte aber dennoch aus dem Blickfeld der Feinde zu kriechen. Dabei half ihm ein Paar starker Arme, die sich unerwarteterweise um seinen Brustkorb schlangen und in Sicherheit schleiften.
"Nein, nein, nein... Es hat dich erwischt...", keuchte beinahe erstickend der junge Deutsche und hielt den Soldaten weiter in seinen Armen.
"Ngh- ist zum Glück nicht tödlich. Diese Narren sind scheinbar nicht in der Lage richtig zu zielen.", spottete der Verletzte mit einem höhnischen Grinsen und zischte leise bei einer weiteren Welle des Schmerzes.
"Hör zu Fritz.", fing er dann nochmal an und blickte ernst rauf in die Augen seines Gegenübers. "Ich weiß wie wir uns hier raus retten können." Der aufmerksame Blick des Jüngeren gab ihm zu verstehen, dass er fortfahren konnte. "Siehst du den Busch dort drüben", er deutete mit seinen Augen zu der gemeinten Pflanze, "Dahinter meine ich, hätte ich einen Abhang gesehen, den könnte man runter rutschen und danach tiefer in den wald laufen."
"Okay aber was ist mit den... anderen...?", Fritz sah zu den leblosen oder verletzten Soldaten. Es wäre nicht richtig sie hier zurück zu lassen. Wie sollte man sie dann wie es sich gehört ehren und beerdigen?
Bedauern schlich sich in den Blick des älteren Soldaten und er senkte den Kopf: "Ihnen kann nicht mehr geholfen werden...", flüsterte er kaum hörbar.
"W-was meinst du...? Natürlich können wir Ihnen helfen..."
Deutschland Stimme zitterte wie ein Herbstblatt im Wind. Es waren seine Kameraden seine Freunde. Er konnte sie nicht zurück lassen. Die emotionale Bindung zu ihnen ist inzwischen einfach so stark geworden, dass es sich beinahe so anfühlte als würde man ihn gewaltsam von seiner Familie trennen, ohne die Hoffnung auf ein erneutes Wiedersehen.
Der Kummer in den blauen Augen des Jüngeren ist Christians aufmerksamen Blick nicht entgangen. Weshalb er sich Vorsicht aufsetzte und fest eine der zittrigen Hände Deutschlands umgriff.
"Hey... du hast recht, wir kommen später nochmal hierher um sie zu beerdigen, in Ordnung? Aber jetzt müssen wir Weg von hier. Solange wir selbst noch in Gefahr schweben, sind wir nicht in der Lage was zu tun."
Was dagegen zu sagen schien Fritz sinnlos, denn die Zeit war knapp und der Feind nah, er verstand die Brenzlichkeit der ganzen Situation. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sie nochmal wiederkehren würde kam ihm ebenfalls sehr gering vor. Aber dennoch umgriff er, nach einem kurzen Zögern, etwas fester die Hand seines Kameraden und wische sich über seine feuchten Augen. So unbequem es auch war zuzugeben, ihr Überleben waren im Moment wirklich von höchster Priorität.
"Super, also es scheint etwas leiser zu werden, was bedeutet, dass wir anfangen können. Du wirst gleich dorthin laufen und tun was ich gesagt habe, verstanden?"
Der junge Deutsche nickte.
"Aber was ist mit dir?"
"Ich werde sie kurz ablenken, damit du und die Restlichen eine Chance haben zu fliehen. Anschließend werde ich so schnell ich kann zu euch stoßen."
"Was ist denn mit deinem Arm-"
Er konnte seinen Satz nicht beenden da Christian ihn ungeduldig unterbrach: "Weniger Geschwätz, mehr Aktion. Na los.", ohne drauf zu warten, dass der Jüngere was antwortete, griff er nach seiner Waffe und erhob sich. Mit zusammgebissenen Zähne sah er kurz auf seinen Arm und verfluchte denjenigen der geschossen hat. Nebenbei richtete sich auch Deutschland wieder auf und machte sich bereit.
"Möge Gott dich beschützen.", flüsterte er noch seinem Freund zu und versuchte seine innerliche Angst und Sorge um ihn zu unterdrücken.
Die Worte kammen für Christian so unerwartet, dass er erst etwas verwirrt von der ehrlichen Unruhe in der Stimme Fritzs, zu ihm sah und dann anfing gerührt zu Lächeln. "Dich auch."
Um ihn etwas zu beruhigen legte er seine Hand dem kleineren auf den Kopf, sodass dessen Helm etwas vor rutschte. Mit dieser Geste erinnerte dieser Soldat Deutschland so stark an einen fürsorglichen älteren Bruder, den er nie hatte, aber schon immer begehrte.
"Na los, es wird Zeit.", flüsterte vorsichtig Christian und nahm seine Hand von der glatten, kühlen Oberfläche des Helms. Ein leichtes nicken war alles was Fritz von sich geben konnte, da ihm erneut die Angst und Unruhe die Kehle zuschnürte und er sich unwillkürlich auf die Unterlippe biss.
Ein weiterer Moment verstrich bevor der Soldat endlich das Kommando gab, woraufhin alle übrigen Deutschen in die Flucht stürzten und er selbst hinterm Baum hervor Sprung und anfing mit einem lauten Ruf auf alles zu feuern was sich bewegte.

In den Händen des Feindes Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt