Langsam und sorgfältig band ich die Schnürsenkel meiner Spikes zu einer Schleife. Nicht zu fest, aber so fest, dass ich einen perfekten Halt hatte. In Gedanken ging ich nochmal den in mir eingebrannten Ablauf durch: Konzentration, Startblock einstellen, auf das Zeichen des Richters warten, Start, Höchstgeschwindigkeit, 7 Schritte zur ersten Hürde, 3 zur nächsten und das solange, bis ich die Ziellinie sehe. Ich spürte bereits die Vorfreude aufkommen, als plötzlich in meinem rechten Knie einen stechenden Schmerz in der Innenseite verspürte: ohne Ankündigung und stark, so wie immer. Ich seufzte und holte ein schwarzes Physiotape, passend zu meinem Wettkampfdress, aus meiner Sporttasche. Mit geübten Bewegungen tapte ich mein Knie so, dass die Innenseite meines Knies verstärkt wurde, die Mobilität jedoch erhalten blieb. Ich merkte sofort, dass der Schmerz zurück ging und entspannte mich.
Auf meiner Haut spürte ich den prüfenden Blick meiner besten Freundin Lea, die ebenfalls in meinem Leichtathletikteam war. Wir waren zwar alle Einzelkämpfer, jedoch hatten wir im Jahr zuvor bei der Teamauswertung die schwäbische Meisterschaft gewonnen. Jeder hatte seine eigenen Stärken, zusammen waren wir unschlagbar.
"Ist was?" fragte ich Lea und lächelte sie an. Sie hob ihre dunklen Augenbrauen und meinte: "Bist du dir auch wirklich sicher, dass du antreten willst? Du weißt, wie viel bei einem instabilen Knie alles schief gehen kann". "Ich weiß, ich weiß. Die letzten Male hat es aber auch geklappt, also wird es schon schief gehen". Sie sah mich noch einmal an, als würde sie versuchen, meine Gedanken zu lesen, murmelte ein "wenn du meinst" und richtete ihren Blick auf unsere Trainerin, die gerade ihren altbekannten Monolog runterratterte.
Ich hatte von Ihrem Geschwafel schon genug und ließ die vor mir sich ausbreitende Aussicht auf mich wirken.
Die mehrspurige dunkelrote Tartanbahn mit ihren weißen, gut erkennbaren Linien faszinierte mich jedes Mal auf's Neue. Wir hatten Glück, die Bahn war gut gepflegt, die Linien gut erkennbar und ein warmes, aber nicht zu warmes Wetter dazu. Die auf den Bahnen 1 bis 5 stehenden Hürden blitzten in der Sonne und strahlten um die Wette. Keiner aus meinem Team liebte das Hürdenlaufen so wie ich. Als ich eine Zeit lang in einem Kader war, hatten viele Mädchen Angst davor, auf die Hürden zuzulaufen, die meisten stellten sich aber einfach dumm, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Angst, dass man eine Hürde reißt und man mit ihr auf dem Boden landet besteht immer, sie wird auch bei mir immer vorhanden sein. Jedoch überwiegt das mit dem Hürdenlauf zusammenhängende Gefühl definitiv. Bevor ich jedoch noch weiter darüber nachdenken konnte, stupste Lea mich an und meinte, dass wir uns nochmal warm machen sollten, bevor es an den Start ging. Ich nickte, strich eine blonde Strähne, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte zurück und folgte ihr. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Der Wettkampf konnte beginnen.
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back on track
Teen FictionDie Leidenschaft der 16-Jährigen Elisa ist das Hürdenlaufen, eine Disziplin aus der Leichtathletik, an der so einige scheitern. Bei dem wichtigsten Hürdenlaufwettkampf kommt es jedoch zu einem überraschendemZusammentreffen mit Philipp, der sie wort...