Kapitel 7

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Energisch versuchte ich, mit dem Lappen das Blut wegzuwischen. Immer fester und mit mehr Druck rubbelte ich über dem Lavabo, stets darauf bedacht, dass keine Blutspritzer das weisse Badezimmer verunreinigten. 

Als endlich auch der letzte Rest im Abfluss verschwand, betrachtete ich genervt meine geröteten Fingerspitzen. Die Blutung hatte aufgehört und es hatte sich eine leichte Kruste gebildet. Doch damit war das mit dem Spielen erstmal gelaufen. 

Ich fühlte immer noch das Kribbeln in ihnen, als wenn ich den Ball berühren würde. Das Kribbeln das immer intensiver wurde, bis es zu einem brennenden Schmerz wurde und Blut meine Hände hinunterlief. Erst da hatte ich realisiert, was ich da getan hatte. Und für wie viele Tätigkeiten man seine Hände brauchte. 

Das muss besser werden. Du musst mehr trainieren!

Ja, da hatte er Recht. So war es kein Wunder, dass Klein-Tobio mich besiegt hatte. Wenn ich selbst nach ein paar Bällen bereits klein bei gab, hatte die Aoba Johsai keine Chance. So wie ich gerade geübt hatte, war ich zu absolut nichts zu gebrauchen. 

Verzweifelt fuhr ich mir durch die Haare und stützte mich am Lavabo ab, um mich besser im Spiegel betrachten zu können. Die Haare zerzaust, die Augen eingefallen vom Schlafmangel und der Blick... der Blick wirkte fast schon verrückt. Verrückt nach Volleyball, schmunzelte Masauro, doch ich hatte nicht die Energie um zuzustimmen. Ich wollte nicht. Wollte einfach nur noch schlafen. Nur für einen kurzen Augenblick meine Augen schliessen und meine Gedanken von Volleyball zu entfernen. 

"Tooru", klang es von unten. Mein Vater hatte gekocht und rief wie immer um Punkt sieben Uhr zum Abendessen. Schnell richtete ich meine Haare und setzte probehalber ein schelmisches Grinsen auf. Ja, das würde man mir abkaufen. Das hatte ich perfektioniert. 

Lächle, selbst wenn es dir das Herz zerreisst. Selbst wenn es dir herausgerissen wird und in der Hand zerdrückt wird. Lächle stets den Gegner an, gib ihnen nicht die Genugtuung, dich gebrochen zu haben. 

Während des Abendessens scherzte ich mit meinem Cousin, welcher bei uns ass und tat so, als hätte ich 'leider' keine Zeit, um mit ihm Volley zu üben. Die Fingerspitzen hielt ich gut verborgen vor ungewollten Blicken, während ich stets das Lächeln trug, welches mir am besten stand. Masauro in mir schwieg während dem Essen und ich genoss die Stille, die er mir so schenkte. 

Wie in Trance half ich den Tisch abzuräumen und die Spühlmaschine zu befüllen, nur um schneller wieder in mein Zimmer verschwinden zu können. Mein Rückzugsort, an dem ich ohne aufgesetztes Lächeln sein konnte. An dem mich niemand fragte, was los sei. 

Ein Klingeln unterbrach meinen sorgfältig geplanten Abgang und ich sah meinen Vater verwirrt an: "Erwarten wir noch Besuch?"

Sein Kopfschütteln liessen mich meine Augenbrauen noch mehr zusammenziehen, bevor ich mich zur Haustür begab und sie mit einem Ruck öffnete. Nur um sie gleich darauf wieder zuzuschlagen.

"Verdammt", flüsterte ich und trat einen Schritt zurück. Von der Tür her erklang ein aggressiveres Klopfen als zuvor und ich hörte, wie er die Türklinke nun selber hinunterdrückte. 

Iwas Gesicht tauchte vor mir auf und schnell senkte ich den Blick. Ich war gerade nicht in der Lage, seinem Blick standhalten zu wollen. Sowohl körperlich, als auch psychisch. Doch Masauro war da anderer Meinung.

Er hat hier nichts verloren, schick ihn nach Hause. Er wird dich nur vom Training abhalten!

Ich suchte Iwas Augen und schüttelte nur stumm den Kopf, als er sich an mir vorbei ins Haus drängen wollte. Doch wie immer ignorierte er mich und rannte mit dem Kopf durch die Wand. Wie immer war ihm seine eigene Meinung wichtiger als die Meine. Und wie immer war ich froh, jemandem das Zepter einen kurzen Moment abgeben zu können. Jemanden zu haben, der mich trotz lächeln, weinen sah.

"Hey Tooru, wer ist denn da?", klang die Stimme meines Vaters aus dem Nebenraum, und noch bevor die Frage überhaupt zu mir durchgedrungen war, meldete der Braunhaarige vor mir sich bereits zu Wort:

"Ich bin's. Ich hole Oikawa ab, wir gehen noch kurz raus", rief er zu meinen Eltern. Er war schon immer gut mit ihnen ausgekommen, war oft bei uns gewesen, hatte mit uns am selben Tisch gegessen und mich fast täglich besucht.

Du musst trainieren, Tooru! 

'Aber ich kann nicht mehr', gab ich im Stillen Antwort. 'Ich habe nicht mehr die Kraft dazu...'

Du musst Trainieren! Enttäusch mich nicht, lass mich nicht allein. Verlass mich nicht wieder... Nicht so wie damals, du warst Schuld!

Ein Stechen breitete sich von meiner Brust her aus, fuhr in meinen Kopf, über meine Arme bis tief in die Beine. Liessen mich zittern, während seine Stimme mir weiter zuschrie, wie nutzlos ich doch sei. Dass ich es nicht wert sei, nicht gut genug. Nie gut genug. 

Ohne es zu merken vergrub ich die Hände in meinen Haaren und zog daran. Fest. Der Schmerz der durch meine Fingerspitzen fuhr, half mir mich nicht zu verlieren, während sich meine Augen ohne zu fokussieren hin und her bewegten. Sich versuchten auf etwas festzusetzen, doch nicht die Konzentration dazu aufbringen konnten. Meine Lippen zu einem stummen Schrei geöffnet, mit einer Stimme in meinem Kopf, die wie Messerstiche brannte. Die mich von innen heraus Schachmatt setzte, ohne Möglichkeit zu entkommen. 

"Tooru", Iwas ruhige Stimme liess mich den Blick festsetzen. Erst auf seine Augen, die mich fest ansahen. Mir Halt gaben und mich ins hier und jetzt zurückholten, bevor er zu seiner Hand wanderte, die er mir auffordernd entgegenstreckte. 

"Komm."


Stimme / IwaOi ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt