Prolog - Please keep me from fading

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6 Jahre.
6 Jahre war es nun her, seit Yvonne und er dieses wunderbare Haus gekauft und mit Liebe bezogen hatten, doch noch immer ging Samus Herz aufs Neue auf, wenn er dies betrat. Es war gefüllt mit so viele Liebe und Geborgenheit, dass er immer gleich spürte, wie das Gefühl von Heimat in ihn zurückkehrte, obwohl er sich niemals hätte vorstellen können Deutschland als seine Heimat zu bezeichnen, bevor er Yvonne vor 9 Jahren kennengelernt hatte. Aber wenn er ehrlich war, war es auch nicht das Land, oder dieses Haus, welches für ihn die Heimat repräsentierten, sondern die Personen, die es ausmachten.

Leise, schloss er die dunkelbraune Haustür aus feinem Kirschenholz hinter sich, bevor er sie wieder hinter sich abschloss und ebenso lautlos seinen Koffer neben eben jener Tür abstellte.
Hier würde das schwarze Reisewerkzeug erstmal bis heute Nachmittag verweilen, denn betrachtete man die späte Uhrzeit, zu welcher er angereist war, war es auf alle Fälle zu spät diesen auszuräumen, oder unbemerkt nach oben zu tragen. Und zudem war er definitiv zu müde dafür.
Aber Samu hatte ja unbedingt spontan einen Flug früher nehmen müssen, um schneller bei seiner Familie sein zu können, auch wenn der blonde Finne so ganz rational betrachtet nicht verstand, was es ihm gebracht hatte, wenn seine beiden Ladys um 4 Uhr nachts doch noch tief und fest schlafen sollten.

Bei dieser Realisation schüttelte Samu ein wenig den Kopf. Doch was sollte er machen, wenn sein Herz sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, als den nächsten Flieger zu seiner Familie zu nehmen? Man sollte ja bekanntlich auf das kleine, Blut fördernde Organ in seinem Körper hören, nicht wahr?

Mit Bedacht, dass er auch ja nichts umrannte, oder die Holzstufen der Treppe zu laut nahm und dadurch seine Frau, oder sein kleines Mädchen aufzuwecken, schlich er also in die zweite Etage, wo sich das Zimmer seiner mittlerweile 5-jährigen Tochter befand. Er streifte die Flure, dessen Lichter er bedenkenlos anschalten konnte, da die Tür zu dem Kinderzimmer über Nacht sowieso geschlossen sein würde und brachte dadurch die senkrechten Bilderreihen zum Vorschein, die die Wände mit Leben erweckten. Überall strahlten ihm Erinnerungen entgegen, welche ihm ein Lächeln ins Gesicht zauberten.
Von den letzten 5 Jahren als stolzer Vater und von den wunderbaren Jahren davor, die er Seite an Seite mit Yvonne genossen hatte. Vereinzelt hatten auch Bilder mit seiner Band, seiner Familie aus Finnland, oder auch Yvonnes Freunden und Familie Platz gefunden, doch eine ganz bestimmte Art von Bild überwog sie alle – und das waren Bilder von Juna, die er jedes Mal aufs neue bewunderte, als würde er sie noch gar nicht kennen. Dabei kannte er sie mittlerweile in und auswendig.

Es hingen Bilder an der Wand auf welchen sie fröhlich mit ihrem riesen großen Kuschelpferd spielte, welches sie einst von dem The Voice Team bekommen hatte, nachdem Smudo und Stefanie die Wette welches Geschlecht sie wohl tragen würde, verloren hatten. Bilder von ihr als Baby, wie sie auf Yvonnes, oder seinen Armen leise der Musik im Radio lauschte. Bilder von ihren ersten Schritten, ihrem ersten Bad, ihre erste Fahrt hinten bei ihm in der Fahrradschale, nachdem sie während des langen Ausflugs, über die naturbewanderten Ecken Berlins, einfach eingeschlafen war. Zu müde von den ganzen Geräuschen, die sie umgaben und wie diese ihre Sinne gespitzt hatten.
Sogar die ersten Fotos von Juna am Klavier und an der Gitarre, zierten die Wände, wobei Samu ganz offen zugeben musste, dass das Gitarrenspiel noch nicht ganz so gut zu klappen schien, wie sie es sich vielleicht erhoffte. Aber für ihn war es alleine bemerkenswert, wie sie es überhaupt schaffte allein über ihr Gehör und die Anleitungen, die ihr durch ihre Lehrerin gegeben wurden, schon so viel an den Instrumenten zu Stande zu bringen und dass trotz ihres Alters und trotz ihrer Blindheit.

Es brachte den Finnen jedes Mal wieder stolz zum Lächeln, wenn er diese Bilder sah, oder an seine bezaubernde Familie dachte, denn vor ein paar Jahren hatte er sich sein Leben niemals so vorgestellt. Hatte nicht gewusst, ob er überhaupt Kinder wollte und war sowieso noch viel zu beschäftigt damit gewesen diese Fernbeziehung mit Yvonne aufrecht zu erhalten, welche er um keinen Preis verlieren wollte. Denn dass sie die Richtige war, hatte er schon nach wenigen Monaten in denen sie zusammen gewesen waren irgendwie gespürt. Er konnte nicht so genau sagen wieso und warum überhaupt, aber alleine die Tatsache, dass er in seinem Kopf überhaupt über den Begriff Die Richtige nachgedacht hatte, welchen er vorher auch nicht mal nur gedacht hätte, erschien er ihm doch wie eine von der Filmindustrie erfundene Illusion, hatte ihm gezeigt, dass an dieser Illusion vielleicht doch etwas dran sein musste.
Und auch wenn Yvonne und er bis heute nicht verheiratet waren und es wohl auch niemals sein würden, weil auch er mittlerweile ihren Standpunkt nicht heiraten zu wollen, nachvollziehen konnte, würde er sie immer seine Frau nennen. Und sei es nur im Privaten, oder gar nur in seinem Kopf, denn für ihn war sie einfach seine Frau und würde es auch immer bleiben. Bis dass der Tod sie schied, oder wie auch immer man das sagte.

Slowly Fading LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt