Stimmen

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Ich hörte ein weiteres Auto heranbrausen. Ich hielt mein Gesicht weiterhin an die Erde gedrückt, deswegen sah ich den Scheinwerfer nicht. Es war mir egal. Alles war egal.
... morgen noch diesen einen Film gucken. Der meinte ja dass der so gut...

Abrupt unterdrückte ich mein Schluchzen. Da. Schon wieder. Was sollte das? Was hatte das zu bedeuten? Was war das?

Ich konnte es mir nicht erklären. Es waren Stimmen. In meinem Kopf. Sie sprachen, doch sie sprachen nicht zu mir. Es fühlte sich an, als würde ich einem Gespräch lauschen, das eigentlich nicht für meine Ohren bestimmt war. Es fühlte sich falsch an, aber gleichzeitig auch... gut. Geheimnisvoll.

Ich hätte am liebsten den Kopf geschüttelt. Nichts war gut. Seltsame Stimmen in meinem Kopf schon gar nicht. Wahrscheinlich wurde ich verrückt. Das muss es sein. Ich musste ein hysterisches Lachen zurückhalten. Ich wurde verrückt! So musste es ja enden. Vielleicht war es das. Vielleicht war das hier nicht wirklich die Realität. Vielleicht war ich einfach nur verrückt.

Aber wenn ich wirklich verrückt wäre, würde ich es nicht wissen. Also kann ich nicht verrückt sein. Seltsame Logik.

Ist auch egal. Es ist alles egal.

Meine Tränen hatten inzwischen aufgehört zu fließen. Meine Augen brannten und waren gereizt. Es tat weh, doch das war schon in Ordnung. Schmerz war... menschlich. Alles, was menschlich war, war gut. Alles das hatte dieses Ding nicht unter Kontrolle. Noch nicht.

Die Erde unter mir war klebrig und nass von meinen Tränen. Sie verschmierte mein Gesicht, doch auch das war mir egal. Was konnte schon wichtig sein, wenn ich weiß, dass sich etwas in meinem Körper eingenistet hat? Etwas, das mich verändert? Ich spürte es ja schon. Mein Herz... Und jetzt waren da auch noch diese Stimmen in meinem Kopf. Am liebsten hätte ich wieder geweint. Doch es kamen keine Tränen mehr. Ich begann tränenlos zu schluchzen.

Was sollte ich denn jetzt tun? Was würde jetzt passieren? Das war eins der wenigen Dinge, die mir im Moment nicht egal waren.

***
Rückblick:
Gelangweilt saß ich im Auto. Ich hatte mir meine Kopfhörer in die Ohren gesteckt und hörte Musik. Mein Handy vibrierte, als ich eine Nachricht bekam. Ich öffnete sie. Sie kam von Markus. Ich sah neben mich, wo er saß und ebenfalls sein Handy in der Hand hielt. Er blickte zu mir und streckte mir die Zunge raus. Ich verdrehte die Augen und las die Nachricht: Ich halte das nicht aus! Wandern ist schrecklich. Bitte versprich mir, dass wir nachher noch irgendwas schönes machen, verstecken spielen oder so, damit ich irgendwas hab worauf ich mich freuen kann!
Ich lächelte und schrieb zurück. Klar, können wir machen. Unsere Eltern gehen nachher ja wahrscheinlich eh noch in dieses Restaurant (so wie immer, dachte ich) , da haben wir mehr als genug Zeit.
Ich sendete die SMS und grinste, als Markus' Handy vibrierte. Zum verstecken spielen waren wir eigentlich beide zu alt, aber wir machten es trotzdem noch ab und zu.
Ich sah wieder nach draußen. Wir fuhren grade aus dem Dorf hinaus. Bald würde der Wald anfangen. Dann würden wir wie immer auf dem Waldparkplatz parken und loslaufen. Mein Handy vibrierte erneut. Ich entsperrte es und war überrascht. Eine SMS von unbekannt. Ich öffnete sie und und versteinerte, als ich sie las.

Ich warte auf dich.
***

Du bist nie alleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt