Mein ganzer Körper schmerzte. Jeder Zentimeter fühlte sich geschunden an. Ich wusste nicht, wie lange ich hier schon lag. Zeit spielte keine Rolle.
Autos hatte ich keine mehr gehört, doch auch das spielte keine-.
Plötzlich hielt ich inne. Diese Stimmen... konnten das etwa... nein. Nein, völlig unmöglich. Soetwas gab es nicht. So etwas war vollkommen unmöglich. Übernatürlich. Doch das war anscheinend kein Hindernis mehr. Das es übernatürliche Phänomene gab, wusste ich schon. Seit heute. Ich schüttelte die Gedanken daran ab. Ich wollte und konnte nicht mehr daran denken.
Denken...
Es war unmöglich. Das ging einfach nicht. Diese Stimmen... konnten das etwa... die Gedanken der Autofahrer gewesen sein?
Nein, nein, das war vollkommen unmöglich. Unmöglich, so etwas gab es nicht. Ich konnte keine Gedanken lesen.
Als ich das dachte, kribbelte mein ganzer Körper. Dieses Ding veränderte mich. Konnte ich deswegen jetzt auch Gedanken... lesen...? Es hörte sich so falsch an. Wie in einem billigen Kinderbuch.
Das war es nicht. Es gab eine andere Lösung, eine bessere.
Ich konnte keine Gedanken lesen, das war völlig unmöglich. Aber was, wenn doch...? Ich stellte mir vor, wie ein Leben wäre, in dem man Gedanken lesen könnte. Es wäre sicher amüsant und ziemlich interessant, aber eben... unmöglich.... Oder nicht? Oder doch? Wenn dieses Leben nur dadurch ermöglicht werden könnte, dieses Ding in mir zu haben, konnte ich sehr gerne darauf verzichten.
Mein ganzer Körper bebte, als ich erneut anfing zu schluchzen. Es tat weh. Alles tat weh. Meine Faszination von dem Gedanken, anderen Menschen in den Kopf schauen zu können, war vorbei. Das war unmöglich. Ich wurde psychisch krank, das war die bessere Variante. Die nachvollziehbare Variante. Wenn ich irgendwem erzählen würde, dass ich Gedanken lesen könnte, würde ich sowieso in die Psychiatrie gesteckt werden. War der Unterschied dann wirklich so groß?
Ja, war er. Aber das war alles egal. Ich sah ein, dass ich mit diesen Gedanken nur versuchte, mich selbst abzulenken. Abzulenken, von den schrecklichen Tatsachen. Mein Leben war vorbei, bevor es richtig angefangen hatte. Ich war doch erst 16. Ich hatte noch so viel vor mir gehabt. Ich wollte ein schönes Leben führen, heiraten, Kinder bekommen, glücklich und zufrieden alt werden und dann in Ruhe einschlafen...
Warum wurde mir diese Chance genommen? Das war nicht fair. Ich hatte keine Wahl gehabt, mein Schicksal hat sich unumkehrbar gewendet. Es gab kein zurück. Verzweiflung rollte wie eine riesige Rolle über mich hinweg. Ich hätte am liebsten geschrien, doch ich wusste, dass das nichts brachte. Ob ich nun Gedanken lesen konnte oder nicht, mein Leben war vorbei.
***
Rückblick:
Wir fuhren auf den Waldparkplatz. Der Wald kam mir beunruhigend vor. Düster. Bedrohlich. Die Sonne hatte sich hinter einer dichten Wolkendecke verzogen, doch die Luft war angenehm warm. Ich holte einmal zitternd Luft. Die SMS hatte nichts zu bedeuten. Wahrscheinlich hatte sich einer meiner Freunde einen Streich erlaubt. Ja, das musste es sein. Natürlich, warum war ich noch nicht früher auf diesen Gedanken gekommen?
"Alles ok?", fragte Markus und ich zuckte zusammen. "Ja, alles klar.", sagte ich etwas zu schnell und versuchte ein überzeugendes Lächeln. Er zog die Augenbrauen zusammen und sah mich zweifelnd an. "Wirklich, es ist alles ok.", versicherte ich ihm. Das stimmte ja auch. Alles war ok...
"Danke dass du mitgekommen bist", sagte er leise, damit unsere Eltern uns nicht hören konnten. Ich wuschelte mit meiner Hand durch sein Haar. "Ist doch selbstverständlich."
Die SMS war von Freunden. Vielleicht von Melli. Sie machte öfters Streiche.
Wir hatten inzwischen geparkt und meine Eltern und Markus stiegen aus dem Auto. Gerade als ich dir Tür öffnete, vibrierte mein Handy. Ah, endlich. Jetzt kam wahrscheinlich Mellis Erklärung. "War nur Spaß, viel Spaß beim Wandern :P", oder etwas in der Art. Ich öffnete die Nachricht.Red dir das ruhig weiter ein...
***
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Du bist nie allein
Mystery / ThrillerKönntest du leben, in dem Wissen, dass du nie alleine bist? Niemals? Dass sich etwas in deinem Körper eingenistet hat, was du weder kennst noch verstehst? Vor dem du Angst hast? Das dich verändert? Das mit dir kämpft? Das viel stärker ist als du sel...