19. Some Things Never Change

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Emmanuel war an diesem Morgen sehr früh aufgestanden und bereits dabei, die Surfschule für das Tagesgeschäft vorzubereiten. Daher beeilte ich mich mit meiner Morgenroutine, um ihm möglichst schnell unter die Arme greifen zu können. Dadurch, dass das Geschäft am gestrigen Tag spontan geschlossen geblieben war, standen heute mehr Termine als gewöhnlich auf dem Plan.

Über den Tag verteilt, kamen wir aufgrund des regen Betriebes kaum dazu, ein paar Worte miteinander zu wechseln. Allerdings konnte uns das nicht davon abhalten, zwischendurch vielsagende Blicke auszutauschen und somit die Vorfreude auf den Feierabend ins Unermessliche steigen zu lassen.

Nachdem schließlich auch der letzte Tourist den Laden verlassen hatte, schloss Emmanuel sogleich erschöpft die Tür hinter sich. Er hatte tatsächlich alle ausgefallenen Surfstunden nachgeholt und musste somit wirklich ausgelaugt sein. Ich saß währenddessen noch hinter dem Verkaufstresen und war gerade damit beschäftigt, die Rechnungen zu sortieren, als er sich mit einer schwungvollen Bewegung auf der Tischplatte neben mir niederließ.

Er griff nach meiner Hand und zog mich in den Stand, so dass ich direkt zwischen seinen Beinen verweilte und augenblicklich meine Arme um seinen Hals schlang. Ganz automatisch fanden sich unsere Lippen, woraufhin erneut ein kleines Feuerwerk in meinem Bauch entfachte. Gott, mit ihm fühlte ich mich wie ein anderer Mensch.

„Ich habe das hier heute ziemlich vermisst", flüsterte Emmanuel mir verheißungsvoll in mein Ohr, nachdem wir uns voneinander gelöst hatten. Seine Worte verursachten augenblicklich eine Gänsehaut auf meinem Körper.

„Geht mir auch so", antwortete ich ehrlich, während ich eine Hand über seine Brustmuskeln gleiten ließ. Am liebsten hätte ich auf der Stelle dort weitergemacht, wo wir diesen Morgen aufgehört hatten, aber gerade, als ich meine Finger tiefer wandern lassen wollte, stoppte er meine Bewegung mit einem sanften Griff.

„Hast du darüber nachgedacht?", wollte er von mir wissen. Zu meinem Leidwesen war mir sofort klar, wovon er sprach. Seufzend trat ich daraufhin einen Schritt zurück und tippte mir zeitgleich überlegend an mein Kinn. Natürlich hatte ich darüber nachgedacht, meine Eltern anzurufen, aber zu einem Entschluss war ich bisher nicht gekommen. Es fühlte sich wie ein innerer Kampf an. Auf der einen Seite wollte ich selbstverständlich nicht, dass sie sich unnötig um mich sorgten. Auf der anderen Seite hingegen, hatte ich das Bedürfnis mich vor ihren verurteilenden Worten zu schützen.

„Einerseits möchte ich sie anrufen aber andererseits habe ich auch Angst davor", versuchte ich meine Gefühlswelt in Worte zu fassen. Im Geiste malte ich mir bereits alle möglichen Szenarien aus.

„Angst ist nie ein guter Ratgeber", gab Emmanuel mit hochgezogener Augenbraue zurück und drückte mir anschließend einen leichten Kuss auf die Stirn. Er erhob sich von der Tischplatte, öffnete eine der Schubladen auf der Rückseite des Verkaufstresens und zog ein älteres Handy hervor. „Nicht das neueste Modell, aber es funktioniert einwandfrei. Du kannst es haben und wenn du dich dazu entschließen solltest, sie anzurufen, steht dir nichts mehr im Wege."

Zögerlich nahm ich das Telefon entgegen und betrachtete es einen Moment skeptisch. Seitdem ich mein Handy nach dem Telefonat mit Lucas gegen den Schrank geworfen und anschließend dort liegen gelassen hatte, hatte ich kein Mobiltelefon mehr in den Händen gehalten. Seltsamerweise konnte ich sogar behaupten, es nicht eine Sekunde vermisst zu haben.

„Danke", brachte ich schließlich hervor und betätigte den kleinen Knopf an der Seite, um das Gerät einzuschalten.

„Ich werde jetzt das Salzwasser von den Surfbrettern abwaschen und falls du telefonieren willst, kannst du dich ruhig hier einschließen. Dann kannst du ungestört mit deinen Eltern reden. Wenn du noch nicht bereit bist, ist das aber natürlich auch in Ordnung."

Mit diesen Worten hatte sich Emmanuel abgewandt und war bereits dabei, den Raum zu durchqueren. „Warte!", rief ich einem plötzlichen Impuls folgend und atmete einmal tief ein, bevor ich fortfuhr: „Würdest du bei mir bleiben, wenn ich sie anrufe?"

„Ich dachte, du würdest vielleicht lieber alleine sein, wenn du mit ihnen sprichst. Wenn du mich dabeihaben möchtest, bleibe ich natürlich bei dir", entgegnete er verständnisvoll und kam nun wieder auf mich zu. Er umschloss mein Kinn mit seinen Fingern, um vorsichtig meinen Blick zu heben. „Du schaffst das!"

Wie schon mehrfach zuvor, wünschte ich mir etwas von seiner Zuversicht. Obwohl ich noch immer nicht vollkommen überzeugt war, tippte ich mit zittrigen Fingern die Rufnummer meiner Eltern in das Tastenfeld. Anschließend ließ ich meinen Zeigefinger länger als notwendig über dem grünen Telefonsymbol schweben. Schließlich nahm ich all meinen Mut zusammen und betätigte den Knopf, während ich vor Aufregung bereits das Blut in meinen Ohren rauschen hören konnte.

Es dauerte nicht lange, da wurde das Telefonat auch schon entgegengenommen.

„Campbell", vernahm ich die Stimme meiner Mutter und musste schwer schlucken, bevor ich in der Lage war, ihr zu antworten.

„Mom? Ich bin es", brachte ich schließlich unter leichtem Krächzen hervor. Mühsam stützte ich mich mit einer Hand an der Tischplatte abs, um nicht auf der Stelle umzukippen.

„Charlotte? Meine Güte! Wo steckst du? Wir sind fast umgekommen vor Sorge", redete sie auf mich ein und ich konnte hören, dass sie sofort zu weinen begann. Während sie auf mich einredete, vernahm ich bereits im Hintergrund die strenge Stimme meines Vaters.

„Mir geht es gut. Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen", versuchte ich sie zu besänftigen, aber anscheinend war ich nicht sonderlich erfolgreich darin, sie zu beruhigen. Ich vernahm ein kurzes Wortgefecht zwischen ihr und meinem Vater, bevor er ihr augenscheinlich das Telefon aus der Hand riss.

„Charlotte?", dröhnte seine tiefe Stimme durch den Lautsprecher und im Gegensatz zu meiner Mutter klang er eher verärgert, als besorgt.

„Ja", erwiderte ich angespannt und ein Kloss bildete sich in meinem Hals. Er hatte schon immer eine einschüchternde Wirkung auf mich gehabt und obwohl uns etliche Flugmeilen trennten, änderte dies kaum etwas an dieser Tatsache.

„Ich weiß nicht, was in dich gefahren ist aber eins sage ich dir: Ich dulde solch ein Verhalten nicht! Du wirst mich nicht länger zum Gespött der Gesellschaft machen und ich erwarte, dass du sofort nach Hause zurückkehrst. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?", zischte er bedrohlich in das Telefon und mir war bewusst, dass er keine Widerrede duldete. Allerdings war ich nicht in ein anderes Land geflohen, um genau dort weiterzumachen, wo ich aufgehört hatte.

„Es geht immer nur um dich! Aber weißt du was? Ich habe keine Lust mehr darauf! Weder auf Harvard, noch auf deine Diktatur und ich werde dann zurückkommen, wenn ich es für richtig halte!"

Mein Vater zog scharf die Luft ein. Anscheinend hatte er nicht mit solch einem Widerstand gerechnet. „Ich glaube, ich habe mich missverständlich ausgedrückt", polterte er daraufhin in den Hörer. „Du wirst auf der Stelle-"

„Stopp!", unterbrach ich ihn abrupt. „Es gibt nur eine Sache, die ich nun machen werde! Dieses Gespräch beenden! Mach's gut!"

Mit diesen Worten kappte ich die Verbindung und ließihm somit keinen Raum mehr, auf meine Äußerung zu reagieren.

Perfect Getaway.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt