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Es war eiskalt draußen. Die Luft nahm einem fast den Atem und fühlte sich wie Schnitte auf der nackten Haut an. Es musste irgendwann zwischen 5:30 und 6:00 Uhr morgens gewesen sein. Die Äste, die kahl von den Bäumen herunterhangen, wiegten sich leicht im Wind. In einigen Fenstern, welche sich zur linken des Weges befanden, gingen die ersten Lichter an. Die ersten Arbeiter standen auf und die ersten Schulkinder, welche einen weiteren Schulweg hatten, aßen ein kleines Frühstück. Das Altenwohnheim, das direkt neben dem Häuserblock lag, lag noch im Dunkeln. Die ersten Lichter würden hier erst gegen 6:30 Uhr angehen und jetzt im Winter vermutlich sowieso erst gegen 7:00 Uhr. Neben dem Wind war nur noch leichtes plätschern von Wasser zuhören. In ein paar Stunden würde das Plätschern lauter werden und in ein Wellengang übergehen. Die Schiffe würden die Enten vertreiben, die derzeit noch im Halbschlaf auf dem Wasser trieben.
Der Kanal war im Sommer eines der Lieblingsziele von Studenten. Niemand hielt sich an das Gesetz, das besagte man dürfe nicht schwimmen gehen. Es war eine billige Alternative zu einem Freibad und im Sommer eine nette Abwechslungen zu der Innenstadt, in der sich die Hitze staute. Jetzt im Winter allerdings wurde der Kanal weitgehend gemieden. Man sah nur wenige Spaziergänger auf den Wegen, die sich links und rechts am Kanal erstreckten. Wenn die Sonne an dem ein oder anderem Tage ihre Strahlen durch die Wolken schob, sah man hin und wieder auch mal ein Fahrradfahrer. Ansonsten war es ruhig um den Kanal herum. Jetzt im Winter in der Früh war der Kanal sowieso menschenleer, wodurch man ganz leise die Autos hörte, die über eine der vielen Brücken fuhren. Jetzt war es noch unregelmäßig, aber in ein - zwei Stunden würde es in ein angenehmes rauschen übergehen und sobald das geschah, war auch das Mädchen verschwunden, das sich dem Weg entlangbahnte.
Hätte sie die rosafarbene Leggings nicht getragen, hätte man sie vermutlich nicht von ihrem Umfeld herausfiltern können. Ihre schwarzen Laufschuhe erschienen unwirklich laut auf dem Untergrund - am Tage hätte man das Geräusch vermutlich kaum wahrgenommen. Sie hatte ein angenehmen Laufstil, gleichmäßig. Ihr Oberteil war nur schemenhaft unter ihrer fast durchsichtigen dunkelblauen Jacke zu erkennen. Es war definitiv langärmlig und anliegend, vermutlich blau, heller als die Jacke. Die Jacke hingegen war größer. Sie schlapperte etwas. Das lange braune Haar hatte sie in einem Zopf hochgebunden. Er wankte gleichmäßig mit jedem Schritt, mit dem sie der vor sich liegenden Brücke entgegenkam. "Rums", das Geräusch wurde lauter. Wieder setzte ein Auto auf die Brücke auf. Sie nahm eine Stufe nach der andern und als sie oben angelangt war, beschleunigte sie ihr Tempo. Die Straßenlaternen tauchte die Brücke in ein orange-goldenes Licht. "Rums" ein neues Auto setzte auf die Brücke auf. Es verlangsamte sein Tempo. Das Mädchen erhöhte ihre Geschwindigkeit hingegen noch etwas. Die Beifahrer Scheibe fuhr herunter.

"Hey", die Stimme gehörte einem hochgewachsenem Mann. Das Mädchen stoppte und schaute sich um. Auf der gegenüber liegend Seite fuhren einige Autos. Auf dieser Spur war außer dem silbernen Mercedes... war es ein Mercedes? niemand zu sehen. Unsicher zeigte das Mädchen fragend auf sich.

Der Mann lachte leise, "Ja du."

Sein dunkles Harre fiel ihm ein wenig in die Augen. Lässig strich er es weg. Sie machte ein Schritt auf das Auto zu, doch dann blieb das Mädchen stehen, sie schien zu zittern.
"Weißt du wie viel Grad es sind?" der Mann schaute sie fragend an. Doch das Mädchen schüttelte nur den Kopf. "Zu kalt um laufen zu gehen," stellte der Mann fest.

Diesmal antwortet das Mädchen. Sie zuckte mit den Schultern und sagte daraufhin, "Ich gehe gerne im Winter laufen."

"Du holst dir noch den Tot", der Mann schüttelte ungläubig den Kopf.

Jetzt machte das Mädchen auch noch die restlichen Schritte auf das Auto zu, blieb aber kerzengerade davor stehen, "Ich werde es schon überleben".

"Und wenn nicht?", fragte der Mann, "glaubst du ich will morgen in der Zeitung lesen, Mädchen beim Joggen zu tote erfroren, anhaltender Mercedes hat nicht geholfen?" Also war es ein Mercedes. "Wenn du willst kannst du einsteigen, ich kann dich heimfahren."

Jetzt lachte das Mädchen leise, "Glaubst du meine Eltern wollen morgen in der Zeitung lesen, Mädchen stieg in Mercedes ein und wurde nie wieder gesehen - Hinweise bitte an die Polizei?"

Er schaute sie überrascht an, er schien ihre Schlagfertigkeit nicht erwartet zu haben. Sein Gesicht verwandelte sich in ein Lächeln, "wie heißt du?"

"Emma", jetzt lehnte sie sich dem Auto näher zu. Sein Gesicht wurde von einem 3 Tage Bart verziert. Er trug ein Hemd, dazu eine Jeans und eine Uhr am Handgelenk.

Auf die Frage wie er hieße lachte der Mann nur leise. "Emma ist ein schöner Name," dann legte er den Kopf etwas schief, "ich schätze ich werde dich nicht nach Hause fahren."

"Nein," Emma schüttelte kräftig ihren Kopf. Der Mann griff nach einem Stück Papier und einem Kugelschreiber und hielt es ihr hin, "darf ich wenigstens deine Nummer mitnehmen."

Emmas Arm stockte auf halbem Weg als sie danach greifen wollte. Doch dann packte sie den Kugelschreiber und das Papier und schrieb ihre Nummer darauf. Dann gab sie ihm den Kulli und das Papier zurück.

Der Mann lächelte, "Erfriere mir nicht Emma.", damit fuhr er seine Scheibe wieder nach oben und das Auto fuhr langsam los. Emma blieb auf der Brücke stehen. Sie zitterte am ganzen Körper. Doch dann setzte auch sie sich wieder in Bewegung. Die Brücke entlang mit ihren orangen-goldenem Licht, die Treppe auf der anderen Seite herunter und dann wieder am dunklen des Kanals. Ihr Haar wippte wieder im Takt und hätte man sie soeben mit dem Mann auf der Brücke nicht gesehen, hätte man vermutlich nie geahnt das sie jemals einen Stopp in ihrem Lauf eingelegt hatte.

Ich bin EmmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt