Du nahmst mir das Funkeln

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Es war eine kalte Winternacht.
So eiskalt, wie ich mich im Innern fühlte.
Eine der Nächte, in denen man eingekuschelt vor dem Kamin sitzt und sich liebevolle Worte ins Ohr flüstert, um die Kälte zu vertreiben.
Die Sterne glänzten klar, weiß und teilnahmslos an dem blauen Nachthimmel.

So ein tiefes Blau, wie das deiner Augen.

Einst waren sie nicht kalt. Einst funkelten sie in einem wilden Tanz an dem endlos weiten Himmel. Nur für uns beide.

Dieses Einst, was doch erst wenige Monde her war.
Dieses Einst, der schönste Sommer meines Lebens.
Dieses Einst, als ich das Gefühl hatte, niemals zu sterben.
Als wir unbesiegbar waren.
Als die Nächte uns noch mit einer warmen Brise einhüllten und die geflüsterten Worte der Liebe in sich aufnahmen.
Als es noch ich war, der in deinen Armen lag.

Doch mit dem ersten kalten Luftzug des Herbstes, als die Blätter langsam begannen sich zu verfärben, da hast du mir das Funkeln genommen.

Die Worte, die du sprachst, zerstörten etwas in mir. Ich weiß nicht, ob es mein Herz war, denn das fühle ich nicht mehr.

„Du weißt, dass es nur eine Affäre war. Das war uns beiden klar, nur habe ich jetzt eine Freundin, da wollte ich sicher gehen, dass Schluss ist."

Ich hatte dich erschrocken angestarrt, weil du mir gerade etwas Lebenswichtiges genommen hattest, doch ich hatte Angst. Also habe ich gegrinst und mit einem nervösen Lachen gesagt, dass es für mich nie mehr war.
Doch das war wohl die größte Lüge, die ich jemals erzählt habe. Dir und mir selbst.

Für einen minimalen Augenblick sahst du enttäuscht aus, doch dann hast du dich einfach umgedreht und bist gegangen. Zu ihr.
Und du hast es mitgenommen. Mein Herz.

Nicht das Organ, das unnützer Weise Blut durch meine Adern jagt. Nein, das Herz, was mich am Leben gehalten hat. Das Herz, was die Sterne einst zum Funkeln brachte. Jetzt sind es nur noch weiße Punkte, die mir die Dunkelheit erhellen, in der ich mich so gern verlieren würde.

Ich weiß, dass ich selbst schuld bin. Mir hätte klar sein sollen, dass da nicht mehr war, aber das Herz, was du mit dir genommen hast, das wusste es nicht. Wollte es nicht wissen.

Ich weiß, dass du mir wahrscheinlich nie wehtun wolltest, aber es Schmerz so sehr.
Der Teil, in dem eigentlich mein Herz schlagen sollte ist eiskalt. Gelähmt und betäubt.

Betäubt genug, um zu vergessen, wie sich Glück anfühlt. Gott, ich weiß nicht mehr, wann ich das letzte Mal ehrlich gelacht habe. Es muss eine Ewigkeit her sein.
Betäubt genug, um das Gefühl der Aussicht am Gipfel zu vergessen. Nicht einmal mehr unseren fantastischen Aufsteiger kann ich genießen, denn du guckst mich nicht mehr an, wenn ich wieder am Boden lande.
Nicht betäubt genug, um den Schmerz zu verdrängen, der jedes Mal eiskalt seine Klauen in dieses Loch in meiner Brust rammt und es noch weiter öffnet, wenn ich sehe, wie du deinen Arm um sie legst. Wenn ich sehe, wie du ihr ein Lächeln schenkst, von dem ich mir so sehr wünschte, es sei nur für mich bestimmt.

Eigentlich will ich dich auf Knien anflehen mir mein Herz zurückzugeben. Wieder Glück in die leere Hülle meines Körpers zu jagen.
Aber ich weiß, dass die tiefe Liebe in deinen blauen Seelenspiegeln nicht länger mir bestimmt ist.

Wie konntest du mir einen Sommer lang so eine Freude schenken und mir mit wenigen Worten alles entreißen?

Doch ich will nicht länger diese Wut auf dich verspüren, die doch in Wahrheit geblockte Sehnsucht ist. Ich will nicht länger spüren, wie die Reste meines Selbst zerbröckeln.

Ich will dich zurück! Himmel, das ist alles was ich mir je wünschen kann.

Aber ich weiß, dass du nie wieder mein sein wirst.
Deshalb habe ich in dieser kalten Winternacht beschlossen, zu vergeben.

Ich vergebe Dir.

Ich vergebe dir, dass du mich zerrissen hast, mir mein Glück genommen und das Funkeln der Sterne erlischt hast.

Und ich vergebe mir.

Ich vergebe mir, dass ich mein Herz habe gehen lassen.
Ich vergebe mir, dass ich dich liebe.

Irgendwann werde ich damit klarkommen. Irgendwann wird das Loch in meiner Brust heilen, doch es wird dort für immer eine Narbe bleiben.

Du hast einen wichtigen Teil von mir genommen und ich werde ihn nie wieder zurückbekommen.
Daher schenke ich ihn dir.

Ich liebe dich, Tobio Kageyama.

- Dein Shōyō


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Eine einzelne Träne fand ihren Weg auf das Papier.
Hinata holte tief Luft.
Er hätte nicht gedacht, dass es so gut tun würde sich einmal all die Gefühle von der Seele zu schreiben.
In dem spärlichen Licht seiner Nachttischlampe suchte er nach einem Briefumschlag. Er fand nur einen Dunkelblauen.

Wie passend.

In seiner krakeligen Schrift schrieb er ‚Kageyama' auf das Papier. Dann verstaute er den Zettel, dem er sein Herz ausgeschüttet hatte, in dem Umschlag und ließ sich auf sein Bett fallen.
In dieser Nacht schlief er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder erholsam.
Diesen Brief zu schreiben, war eine gute Idee.

Er wusste nicht, wie gut diese Idee wirklich war.
Er wusste auch nicht, dass seine Mutter den Brief aus Versehen zwischen seinen Unterlagen in seinen Rucksack gepackt hatte, da er verschlafen und sie seine Sachen für ihn zusammen geräumt hatte.

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Hellöle.
Schön, dass du das hier liest ☺️

Ich hab den Brief oben ursprünglich als OS veröffentlicht, wollte dann aber noch ne kurze Story dazu schreiben. Also hier ist sie.
Viel Spaß beim lesen🤗

Du gabst mir mein Funkeln zurück - KageHinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt