༺ 8 ༻ Alte Erinnerung

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Einen Tag zuvor ...

Erana wusste bereits, wen diese alte Frau am Tresen meinte. Wer dieser Krieger war, der Monster jagte. Monster wie sie.

»Herrin?«

Sie hob den Kopf und sah wie Rem ihr Gesicht studierte. Er war aufmerksam. Das vergaß sie aus irgendeinem Grund immer noch häufig.

»Was sagtest du?«

»Kennt Ihr diesen Jäger?«

Erana seufzte leise und bemühte sich es beschwichtigend klingen zu lassen. »Ich fürchte ja, Rem. Ich kenne diesen Mann.« Ihr Blick verlor sich in den Unebenheiten des Tisches. »Die Vergangenheit scheint mich langsam einzuholen«, murmelte sie dann etwas leiser.

»Wir könnten fliehen.«

Erana schmunzelte, als sie ihn leise sprechen hörte. »Wer den Tiger reitet, kann nicht absteigen.«

»Was meint Ihr damit, Herrin?«

»Auf ihm hat man Macht und übt Kontrolle aus, man kann viel erreichen. Doch ist man fahrig oder steigt gar ab, wird man zur nächsten Mahlzeit des eigenen Tieres. Was ich damit sagen will: Für mich gibt es nur noch den einen Weg. Ich habe mich für ihn entschieden ... damals. Und sei es auch durch Naivität gewesen, so kann ich dennoch jetzt nicht mehr meine Fährte ändern. Wenn man einmal aufsteigt ... Niemand kann vor der Vergangenheit fliehen, Rem. Vor allem ich nicht.«

Still saß der massige Kämpfer vor ihr und wusste wohl nicht was er noch darauf entgegnen sollte. Also lächelte sie leicht und legte ihm sacht ihre Hand auf die seine, die auf dem Tisch lag, um seine Sorgen fort zu jagen. »Es ist aber meine Vergangenheit, mein Lieber. Nicht deine. Also grübel nicht. Ich werde hierfür eine Lösung finden.«

Erana sah wie die alte Frau, die noch gerade durch die Reihen der Tische getrottet war, zu ihnen kam. »Sagt mir, gute Dame«, sprach Erana sie an, »Von woher stammen diese Geschichten über den Monsterjäger?« Es war zu ihrem Vorteil in einer Gegend zu sein, die ihre Geschichten noch keinem Gesicht oder keiner Gestalt zuordnen konnten.

Die alte Frau betrachtete sie, während sie deren Gläser wieder mit Wasser füllte.

»Ein Fremder war vor einigen Tagen hier und hat darüber erzählt. Er hat zwar so gesprochen, als meine er einen Freund, doch mich lässt der Verdacht nicht los, dass er selbst dieser Monsterjäger gewesen sein könnte. Mit der Zeit bekommt man für so etwas ein Gefühl.«

»So so«, murmelte Erana nachdenklich, »Wisst Ihr noch wohin dieser Mann gegangen ist?«

Etwas verwundert sah die Frau sie an, beinahe so, als grüble sie, ob eine Auskunft darüber eine schlechte Tugend wäre. Doch dann nickte sie schwach mit dem Kopf zur Tür.

»In Richtung des Waldes ist er verschwunden. Gesagt hat er nichts.«

Freundlich nickte Erana und wartete, bis die Wirtin wieder verschwand. Sie blickte der Dame nach, doch ihr Geist schien gänzlich fortzugleiten. Als schwebe er wie ein verdichteter Nebel über ihrem Körper.

»Sucht du mich etwa, mein alter Freund?«, flüsterte Erana nachdenklich in ihren Kelch hinein, nippte aber nicht am Getränk. War es bereits soweit? Sie hatte diesen Tag eigentlich noch in ferner Zukunft gesehen. Nein, eher gehofft. Aber scheinbar hatte ihre Vergangenheit doch die Form angenommen, die sie befürchtet hatte. Und diese Form würde ihrer menschlichen Hälfte mehr Schmerzen zufügen, als ihrer dämonischen.

»Erana ... es macht mir ... Angst, wenn ich Euch so sehe«, hörte sie plötzlich Rem leise sagen und sogleich hob sie ihre Augen. Und als sie ihn so ansah, da wusste sie, dass es falsch wäre ihn weiter mitzunehmen.

»Ich denke nur nach, meiner Lieber. Es gibt keinen Grund für dich sich Sorgen zu machen. Du muss mir nur einen Gefallen erweisen, Rem.«

Unwillkürlich richtete sich der Hüne auf und fixierte sie mit seinem Blick, als wenn er gleich aufspringen und sie verteidigen müsse.

»Du musst für mich etwas besorgen. Ich möchte so wenig wie möglich auffallen oder gesehen werden. Ich glaube, ich habe eine neue Fährte.«

Zuerst zögerte Rem, doch dann erhob er sich, ohne dass Erana weitersprach und fragte: »Was soll ich für Euch holen?«

Und Erana gab ihm die Antwort. Sie bat um viele Dinge, sodass er deutlich mehr Zeit brauchen würde. Nahrung und allerlei Werkzeug, damit er nicht misstrauisch wurde. Ihr Lehrling und Freund verschwand, ohne zu zögern und Erana blieb nur wenige Minuten sitzen, bevor sie schließlich aufstand, die goldene Münze auf den Tisch legte und dann in die Dunkelheit nach draußen verschwand.

»Erinnere dich an meinen Wunsch, Rem. Bleibe hier und beginne ein ruhiges Leben«, flüsterte sie leise, als sie davon eilte. Der aufkommende Wind verschlang ihre Worte und trug sie weiter, wie um dem Jungen diese Botschaft zuzustellen. Und ihre Kehle brannte, genau wie ihre Augen, als sie mehr und mehr Abstand zwischen sich und ihn brachte.

Erana - Die Heldentöterin - | ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt