"Ich hätte jetzt aber doch lieber was an" sagte ich und sah Jasper zerknirscht an."Stell es dir einfach vor" antwortete er mir.
Ich dachte an das erste was mir einfiel : Ein blaues Sommerkleid mit Spaghettiträgern.
Und tatsächlich.
Als ich meine Augen öffnete trug ich eben dieses Kleid.
Das reichte mir für den Moment."Aber wie hast Du das mit dem 'Nicht direkt' gemeint ?" fragte ich.
Jasper lächelte. "Ich wusste dass das kommt" seufzte er.
"Du kannst dir das ein bisschen wie eine Parallelwelt vorstellen. Alle Träume sind Parallelwelten. Umso tiefer Du schläfst, desto realer wirken sie. Und wo du jetzt im Koma liegst ist es natürlich das realste was überhaupt geht" erklärte er."Heisst das, dass das alles hier mein Unterbewusstsein erfunden hat ?" fragte ich weiter.
"Dann hättest Du aber ziemlich wenig Fantasie", er lachte, "Aber im Grunde schon. Nur hierbei ist es genau umgekehrt : Je tiefer Du schläfst, desto weniger fantasievoll ist dein Traum. Aber umso tiefer der Traum, umso mehr Entscheidungen kannst Du bewusst treffen."
"Also bist Du meiner Fantasie entsprungen ?" war meine nächste Frage.
"Nein. Ich bin ein Traumflüsterer. So einen wie mich gibt es in jedem Traum. Es gibt dich und eine weitere Hauptperson, das ist ein Traumflüsterer. Wir können in jeder beliebigen Gestalt auftreten, in Träumen ist alles möglich, aber ich halte eigentlich nichts davon mich zu verstellen. Jeder Traumflüsterer hat einen bestimmten Traumbereich zur Aufgabe, meiner sind die sehr tiefen Träume. Wir können uns dabei aber nicht aussuchen welche Rolle wir spielen, das entscheidet das Unterbewusstsein des Träumenden. Besonders in den nicht so tiefen Träumen. Ich habe noch am meisten zu entscheiden."
Während Jasper erzählte waren meine Augenbrauen immer weiter nach oben gewandert und jetzt fast an meinem Haaransatz angekommen. Aber irgendwo her wusste ich, dass er die Warheit sagte.
"Kann man sich auch Personen ausdenken ?" fragte ich neugierig.
"Ja klar," sagte er, "aber sie haben dann keine richtige Persönlichkeit. Du kannst dir ja nicht alle winzigen Charakterzüge einer Person ausdenken."
"Und wenn ich jetzt von jemandem träumen würde den ich tatsächlich kenne, träumt der dann quasi mit mir ?"
"Das kommt erstmal darauf an ob ihr überhaupt beide schlaft, aber wenn ja kann das schon vorkommen. Ihr müsst euch eben nur schon ziemlich gut kennen. Und es darf natürlich niemand anderes grade von dieser Person träumen."
"Kann man auch mit toten Menschen träumen ?"
"Schlaf ist der Zustand, der am nächsten am Tod dran ist und Träume sind eine Welt zwischen Leben und Tod. Sie sind zwar sehr surreal, aber eben deswegen kann man auch mit den Toten träumen. Aber es gilt das gleiche wie mit anderen Menschen : Ihr müsst euch ziemlich gut gekannt haben und als einzige voneinander träumen."
"Und so was erzählst Du einfach ?" fragte ich überrascht.
"Klar, ist doch nur ein Traum, oder ?" sagte er und lachte.
"Mhm" ich zuckte mit den Schultern.Kurz herrschte wieder Stille.
Bis ich sie mit meiner nächsten Frage wieder durchbrach : "Wenn alles möglich ist, kann ich mich dann auch in alles verwandeln ?"
"Ja, aber wollen wir nicht lieber mit was einfacherem anfangen ?" war Jaspers Gegenfrage.
"Nagut" willigte ich ein."Das Kleid hast Du ja schon ganz gut hinbekommen..." begann er, aber ich unterbrach ihn : "Das sollte eigentlich Punkte haben" sagte ich zerknirscht.
"Achso," antwortete er, "aber ansonsten hat das doch ganz gut geklappt."
Ich nickte."Ich zeig dir mal was" schlug er vor.
Jasper schloss leicht die Augen, und kurz darauf bildete sich über seiner geöffneten Hand eine fast schon silberne Wolke. Er pustete sie von seiner Handfläche und sie rieselte als Glitzerstaub über mir nieder.Ich war begeistert.
"Wie geht das ?" fragte ich aufgeregt.
Er lächelte."Schliess die Augen und stell dir vor in deinem Kopf schwebt eine Wolke. Und jetzt fliesst diese Wolke durch deinen Arm in deine Hand," sagte Jasper langsam.
Ich folgte seinen Worten und konnte praktisch spüren wie die Wolke durch meinen Körper schwebte.
"Die Wolke wird immer transparenter, bis sie schließlich durch deine Haut dringt und über deiner Handfläche schweben bleibt", fuhr er fort, "Jetzt kannst Du die Augen wieder aufmachen, aber konzentrier dich weiter auf die Wolke."Ich öffnete meine Augen und tatsächlich schwebte über meiner Handfläche eine Wolke. Sie war zwar ziemlich klein, aber immerhin.
Ich grinste Jasper an und lachte aufgeregt.
Er lächelte zurück.
"Sehr gut" lobte er mich.Er fuhr fort : "Die Wolke besteht aus winzigen Glitzersteinchen. Die werden immer größer, bis sie sichtbar sind. Jetzt verliert die Wolke ihre Flugkraft und der Glitzerstaub fällt auf deine Hand."
Meine Hand glitzerte und funkelte, als hätte ich sie in das schönste Glitzer der ... ähm ... Traumwelt getaucht. Ich schaute verzaubert auf meine schillernde Hand und drehte sie im Licht. Dadurch dass das Licht quasi von überall kam glitzerte es in alle Richtungen.
"Wow" hauchte ich. Das sah so wunderschön aus, so wie Jaspers leises Lächeln in diesem Moment.
Ich hob meine Hand und pustete ihm das Glitzer ins Gesicht. Jetzt glitzerte er auch wie ein funkelnder Diamant. Erst blinzelte er überrascht, aber dann schlich sich ein Grinsen auf sein Gesicht."Super !" sagte er, "Willst Du es nochmal probieren ?"
"Ja" antwortete ich entschlossen.Nachdem ich noch mindestens eine Million Wolken gepustet hatte und alles um uns herum mit Glitzer bedeckt war fragte Jasper : "Wollen wir mal was anderes versuchen ?"
Ich nickte.
Langsam wurde es mir langweilig, aber er hatte genau im richtigen Moment gefragt."Also, ich weiss nicht ob das klappt ... " sagte er mehr zu sich selbst "Wir versuchen das jetzt einfach." Er wandte sich wieder mir zu.
"Magst Du den Himmel machen ?" fragte er, "Mir ist das hier alles viel zu weiss." Er blickte stirnrunzelnd nach oben.
Ich folgte seinem Blick. Bereits nach wenigen Sekunden brannten meine Augen und mir wurde schwindelig. Ich wandte mich wieder ab und sah stattdessen Jasper an.
"Mir auch" antwortete ich, "Das krieg ich hin.""Ok" er senkte seinen Blick "Denk daran, alles kommt aus deinem Kopf, aus deinen Gedanken. Wenn du ihm den freien Lauf der Dinge lassen willst, musst Du es aus deinem Kopf freilassen.
Also, in deinem Kopf ist der Himmel."Er sprach langsam, melodisch und meine Augen waren schon wieder geschlossen, als Jasper plötzlich meinte ich solle meinen Mund aufmachen.
"Was ?" fragte ich überrascht.
"Na irgendwo muss der Himmel ja rauskommen" antwortete er.
"So, der Himmel kommt also aus deinem Mund. In Form von Rauch, wenn du so willst. Oder Wasser. Such dir was aus."Als ich meine Augen öffnete sah ich wie aus meinem Mund eine Art himmelblauer Dampf quoll. Er kitzelte an meiner Zunge. Schmeckte ein bisschen süßlich bitter.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis der ganze Dampf aus meinem Mund gestiegen war und, als blaues Himmelszelt, über uns schweben blieb."Perfekt" sagte Jasper, den Blick nach oben gerichtet, "Vielleicht noch ein paar Wölkchen ..."
Er öffnete den Mund und schon schwebten zwischen seinen Lippen einzelne Wolken empor, die sich an meinem Himmel in flauschige Wattebäuschchen verwandelten.Ich stützte meine Hände hinter mich auf den Boden und legte den Kopf in den Nacken.
Jetzt war der Moment wirklich perfekt.
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Der Wind in meinen Träumen
RandomNach einem Autounfall fällt Abbey ins Koma und landet in einer vollkommen anderen Welt, von der sie nicht ein mal zu träumen gewagt hatte. Dort begegnet sie Jasper, der sie auf die "Entscheidung" vorbereiten soll, wo sich entscheidet, ob sie weiterl...