1. Kurz vor dem Himmel

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Als ich aufwachte lag ich zusammengekauert auf dem Boden und alles an mir schmerzte. Ein leises Wimmern entwich meinen Lippen und ich drängte mich noch enger zusammen.
Ich öffnete meine Augen, aber ich konnte nicht sehen wo ich mich befand, weil lange, rotbraune Haare mir die Sicht versperrten. Aber ich hatte nicht die Kraft sie zur Seite zu streichen.
Also achtete ich auf mein Gehör, doch außer meinem eigenen rasselnden Atem war nichts zu hören.
Es wehte kein Wind und es roch nach garnichts.
Der Boden war glatt und hart, aber es tat nicht weh darauf zu liegen. Es schien als würde er sich meinem Körper anpassen.
Plötzlich hörte ich aus der Ferne leise Schritte, die immer näher kamen und schließlich vor mir stehen blieben.
Doch ich hielt meine Augen weiterhin geschlossen.
"Steh auf" sagte eine ruhige, angenehme Jungenstimme zu mir.
Ich schüttelte fast unmerklich den Kopf.
Er kniete sich neben mich, eine warme Hand streifte meine Stirn und strich mir die Haare aus dem Gesicht.
Das erste was ich von ihm sah waren seine Knie.
Er trug Jeans.
Ich versuchte mich aufzusetzen, aber es gelang mir nicht. Also hob ich nur leicht den Kopf und sah den Jungen vor mir hilfesuchend an.
Er sah gut aus.
Ein kantiges, blasses Gesicht mit leuchtenden, grünen Augen und strubbeligen braunen Haaren.
Er musste ungefähr so alt sein wie ich, vielleicht ein bisschen älter, 17 oder 18.
Auf seiner Nase waren fast unsichtbare Sommersprossen zu erkennen und seine Wimpern waren so lang dass sie sich bei jedem Augenaufschlag verknoten müssten.
In seinem Gesicht waren keine Gefühle zu erkennen, obwohl seine Augen zu lächeln schienen.
Er fasste mich vorsichtig an den Schultern und zog mich in eine aufrechte Position. Mit einer Leichtigkeit die mich lächerlich schwach aussehen ließ.
Als ich drohte sofort wieder umzukippen, rutschte er neben mich und legte einen Arm um meine Schultern. Ich lehnte mich erleichtert dagegen.
Ich fühlte mich wohl in seinen Armen. Es gab mir ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.
Erst jetzt bemerkte ich dass ich nackt war.
Warum durfte er Klamotten tragen und ich nicht ?
Aber glücklicherweise waren meine Haare so lang dass sie das wichtigste verdeckten.
Trotzdem stieg mir Röte ins Gesicht.
Zum ersten mal sah ich mich richtig um.
Der Boden war weiss und ... alles andere auch.
Es war sehr hell, aber ich konnte mir nicht erklären wo das Licht herkam denn wir warfen auch keinen Schatten.
In alle Richtungen sah man nur gähnende, weisse Leere.
Über uns befand sich eine Art Himmel, nur in weiss und ohne Wolken, Sterne, Sonne oder Mond.
Der Junge und ich wirkten viel zu fehl am Platz. Wir zerstörten die ganze, weisse, makellose Stille.
"Wo sind wir ?" sagte ich leise und durchbrach damit die Ruhe die bisher geherrscht hatte.
"In deinen Träumen" antwortete er mir und warf mir einen kurzen Seitenblick zu.
"Was ?" fragte ich ziemlich einfallslos. Es wirkte alles viel zu real.
"Naja, nicht direkt", er sah mich nachdenklich an, "Ich glaube du liegst im Koma."
"Oh Gott !", ich war entsetzt, " Was ist denn passiert ?"
"Das müsstest Du doch besser wissen als ich oder ?" sagte er mit einem Lachen. (Einem ausgesprochen schönen Lachen.)
Aber ich wusste es nicht.
Ich schüttelte betrübt den Kopf.
"Ist nicht schlimm", antwortete er mit einem aufmunternden Lächeln, "Wie heisst du denn ?"
Ich holte tief Luft, um meinen Namen zu sagen, doch er fiel mir nicht ein. Ich überlegte eine gefühlte Ewigkeit aber mein Kopf war wie leergefegt.
Ich sah den Jungen neben mir verzweifelt an.
"Ich weiss es nicht" weinte ich schon fast.
"Macht nichts" er strich mir beruhigend über den Rücken. "Ich bin Jasper."
Jasper.
Aus seinem Mund klang das unglaublich schön.
"Hallo" murmelte ich schüchtern.
"Jetzt brauchen wir nur noch einen Namen für dich" sagte Jasper nachdenklich.
Ich nickte.
"Wie wär's denn denn mit Skye ?", schlug er vor, "Passend zu deinen Augen." Er lächelte.
"Skye" wiederholte ich langsam.
Ich weiss nicht woher, aber aus irgendeinem Grund hatte ich bei diesem Namen ein Gefühl seltsamer Vertrautheit.
Ich lächelte. "Find ich gut."
"Okay" sagte Jasper und erwiderte mein Lächeln.

Der Wind in meinen TräumenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt