The bar we met [Eruri/OS]

Er legte seinen Kopf in den Nacken, als er nach einem acht Stunden Arbeitstag das erste Mal das Gebäude verließ. Er atmete tief ein und aus, ehe er einen Fuß vor den anderen setzte und zu seinem Auto lief. Die Aktentasche fest im Griff lief er über den Platz. Es war nun 18 Uhr und die meisten Menschen wollten nach Hause, verständlich.
Es war Freitag und somit eine weitere anstrengende Woche für den Eventmanager zu Ende. Er mochte diesen Beruf wirklich gerne, aber den ganzen Tag im Büro zu sitzen und am Computer etwas zu machen, Termine besprechen, Meetings, Telefonate... Irgendwann war auch mal gut. So war es was Schönes, wenn er unbeschwert zu seiner Lieblingsbar fahren konnte, den Stress von dieser Woche mit einem guten Drink runterspülen. Die ganze Arbeit lastete auf seinen Schultern, aber er war auch der Chef der Firma - also mehr Arbeit als alle anderen. Aber wie gesagt: Erwin machte es gerne.

Sobald er in seinem schwarzen Mercedes saß, schaltete er das Radio ein. Man musste ja auf dem Laufenden bleiben, was in der Welt passierte. Besonders zu dieser Zeit, wo gerade alles verrücktspielte. Und das war nicht nur politisch gemeint. Leider war der Klimawandel für einen enormen Wetterumschwung verantwortlich, woran einige Menschen dran zu knabbern hatten. Seines Glücks war Erwins Umfeld davon nicht sonderlich betroffen. Man sollte es nicht falsch verstehen, er wünschte sowas keinem. Aber leider mussten die Menschen immer erst auf die Nase fallen, bis sie es auch wirklich verstanden.

An dem Gebäude angekommen parkierte er seinen Wagen vor dem Fenster. Er war einer der Stammgäste, weshalb er mit einem Lächeln vom Inhaber begrüßt wurde - Mike. Ein Freund Erwins aus Kindertagen, mit dem er auch nach der Schule zu tun hatte.
Er legte sein Jackett ab und hing es an seinem Stuhl, setzte sich an die Theke - sein Standartplatz. „Hey Erwin! Anstrengende Woche gehabt?", fragte der blonde Riese mit einem Schmunzeln. Müde nickte er und sagte: „Eine Woche wie jede andere... Aber damit verdiene ich nun mal mein Geld, Mike." – „Also ein Bürohocker zu sein, wäre nichts für mich!", sagte Mike und hielt beschwichtigend die Hände in die Luft. Erwin lachte auf. „Bleib du mal in deiner Bar. Wo sollte ich denn sonst freitags hingehen?" Mike schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich habe eben die beste Location!" – „Ja, das stimmt wohl."
Mike schwang sich das Tuch über die Schulter und holte ein Glas hervor. „Ich nehme an, das Übliche?" – „Du sagst es." Und schon wurde für Erwin sein Standartdrink vor die Nase gestellt. Das trank er immer, wenn er hier in kam. Ein Whiskey, also etwas eher normales. „Also dann! Ich muss noch ins Lager. Genieß deinen Drink, wir sehen uns später", meinte er und winkte Erwin noch eben zu, ehe er aus dem Blickfeld Erwins verschwand.

Er brummte in das Glas hinein, als der erste Schluck seine Kehle hinabfloss. Ein angenehmer Schauer lief über seinen Rücken. Es war wie immer sehr erfrischend. Und das seit fünf Jahren. Seit fünf Jahren war er jeden Freitag hier und trank diesen einen Drink. Erwin war eben ein Gewohnheitstier. Da passten anderweitige Muster nicht ins Bild. Und wenn er ehrlich war - er mochte sein Leben. Er ging jeden Tag zur selben Zeit zur Arbeit, kam zur selben Zeit wieder nach Hause. Dieselbe Routine, ohne Ausnahme.

Als das erste Glas sich bald dem Ende zu neigte, schaute er auf. Er wollte einen Neuen bestellen, da er sicher nicht mit einem fertig wäre. Doch er war in den letzten zwanzig Minuten so in Gedanken gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, dass keiner mehr hinter der Theke stand. Was soll's, dann wartete er eben noch etwas. Generell war die Bar noch nicht annähernd so voll, wie sie es sonst war. Sie hatten gerade mal kurz vor 19 Uhr, da war keine Bar gut besucht. Die meisten kamen erst nach 20 Uhr oder noch später.
Doch nach ein paar Augenblicken, sah er aus seinem Augenwinkel wie jemand aus dem Lager gelaufen kam. Unauffällig schielte er nach rechts.
Er machte einen fragenden Laut, als er die vermeidliche Person erblickte. Ihn kannte Erwin nicht. Er hatte ihn noch nie gesehen.

Es war ein Mann, der seine schwarzen Haare in einem Undercut geschnitten hatte. Mit einem recht emotionslosen Blick hielt er eine Kiste neuer Flaschen Bier in der Hand und lief zur Bar, Erwin schaute augenblicklich weg. Dennoch konnte er den Schwarzhaarigen gut beobachten. Er trug ein weißes T-Shirt und eine Schwarze Hose, um seine Hüfte eine Schürze. Er musste wohl neu hier sein, denn letzten Freitag war er noch nicht hier.
Er begann die Bierflaschen in den Kühler zu räumen, beachtete den Blonden gar nicht. Er schien konzentriert auf eine Sache zu sein. Erwin musste leicht schmunzeln, als er sah, wie der Schwarzhaarige einen murrenden Ton von sich gab, als die letzte Flasche nicht mehr in den Kühler passte. Solche Dinge passierten eben nur den Besten.