Der große Schöpfer

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,,Tag fünf in meinem Leben als Schreiber, als Schöpfer der Träume", seufzte ich und setzte mich an meinen Platz.
Ein ungemütlicher, klobiger Stuhl vor einem winzigen Computer und einer dreckigen Tastatur. Sie enthielt Kaffeekleckse und fettige Fingerabdrücke. Da waren mir die hunderte an Liegestützen im Lager, die ich als Strafe bekommen hatte, viel lieber. Der Sport hielt mich wenigstens gesund. Jeden Tag vor diesem Computer würde ich noch eingehen wie eine Topfpflanze. Protokolle und Papierarbeit, wer mochte es nicht?
,,Spiel dich nicht so auf!", nörgelte mein Sitznachbar, ,,Mit dir arbeiten noch tausende andere Schöpfer der Träume hier."

Sein neckischer Ton gefiel mir nicht. Insgesamt alles an ihm gefiel mir nicht. Der Mann, der von nun an jeden Tag zu meiner Linken saß. Er besaß den glanzvollsten Glatzkopf, den meine Augen je erblickt hatten. Dafür hatte er aber einen Bart, man könnte denken, er züchte eine ganze Farm an Insekten darin, so lang und widerlich war er. Wenn er ihn nicht pflegen wollte, dann sollte er ihn zumindest abrasieren. Damit würde er einen Gefallen an alle Schreiber tun. Seine kugelrunden Augen sahen müde und geistlos aus. Wenn er mich anstarrte, hatte ich das Gefühl, er würde mir direkt in meine Seele schauen.
,,Ich weiß, dass mein Leben miserabel ist, Keon. Reib's mir nicht unter die Nase", erwiderte ich.

Keon war ein Spaßverderber. Es war ein Wunder, dass so einer wie er Schreiber geworden ist. Wovon ließ er seine Menschen wohl träumen? Davon, wie sie Abends bei grauem Himmel einen Spaziergang machten und an ihrem Kaffee schlürften? Meine Menschen sollten sich glücklich schätzen, dass sie mich hatten. Leider wussten sie nicht, dass ich existierte, sonst hätten sie mein Einfallsreichtum gelobt und mir dafür gedankt, dass ich ihr Leben schöner machte.
Mein Leben konnte ich leider nicht mehr retten. Klick, klick, klick...

Überall tippende Finger. Die Geräusche hörten nicht auf. Die meisten klickten so schnell auf ihren Tastaturen, als würde ihr Leben davon abhängen. Andere hämmerten aggressiv auf den Buchstaben, während andere Existenzkrisen erlitten, weil ihnen nichts einfiel. An der Kaffeemaschine wurde Schlange gehalten. Sie konsumierten den Kaffee literweise und sahen wie Drogenabhängige dabei aus. Ich war zwar kein Arzt, doch ich konnte darauf wetten, dass sie mehr Kaffee im Körper hatten als Blut. All die Jahre hatte ich gedacht, im Lager wäre es überfüllt gewesen. In dieser Fabrik war es schlimmer. Meine Kollegen zu zählen war mindestens genauso unmöglich, wie meine Haare zu zählen.

Ich vermisste es tatsächlich. Das Leben als Soldat. In Zeiten, wo die Attacken sich noch in Grenzen hielten, waren wir oft außerhalb der Stadt gewesen, an den schönen Ecken Antagonas.
Die Massen an Schreiber in der Stadt wussten vermutlich nicht einmal, dass solche Orte außerhalb des Zentrums existierten. Diese aufregenden Orten mit buntem Himmel, umwerfender Natur, lebenslustigen Leuten und vor allem die Orten mit unerklärlichen Dingen. Womit erklärten sich Menschen Dinge, die sie nicht verstanden und dessen Funktionsweise unklar war? Magie?
Mein Leben war einst voll damit gewesen. Nun war die einzige Sache, die ich mir nicht erklären konnte, wie Keon es zustande brachte, mehrere Minuten lang nachdenklich auf den Bildschirm zu starren ohne zu blinzeln. Ab und zu hatte ich das Gefühl, er wäre eingefroren, erschrak dann aber kurz, wenn er plötzlich doch noch die Hand hob, um nach seinem Kaffee zu greifen.

,,Habt ihr etwa immer noch nicht begonnen?", keifte der verdrießliche Aufseher, der wie aus dem Nichts hinter mir auftauchte.
Erschrocken drehte ich mich um und bereute es sofort wieder. Der Aufseher der Fabrik hatte solch ein fatales Aussehen, dass es sogar meine Kreativität einschränkte, als wäre es Nervengift. Sein fahles Gesicht könnte etwas Farbe vertragen, ebenso wie sein karger Aufzug. Wenn ich ihn mit einem Wort beschreiben müsste, dann mit Enzyklopädie. Mir war bewusst, dass Enzyklopädie kein Adjektiv war. Der Aufseher hatte jedoch so eine geisttötende und eintönige Ausstrahlung, dass das erste, woran ich bei ihm denken konnte, eine Enzyklopädie war. Ein Mann so kompliziert und öde, wie der Ausdruck selbst. Er trug fast jeden Tag dasselbe. Viel Abwechslung herrschte in seinem Kleiderschrank anscheinend nicht. Das wandelnde Nachschlagewerk bedachte mich mit einem strengen Blick.

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