Zwei Liebhaber

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Ungeduldig schreitet Theseus in seinem Thronsaal auf und ab. Seiner geliebten Hippolyta, gegen die er erst kürzlich einen bitteren Krieg führte, erzählt er immer wieder von seinem Wunsch, in der Zeit springen zu können. Denn wann tritt nun endlich die gemeinsame Hochzeitsnacht ein? Lange dauert es nicht mehr, doch der Herrscher Athens kann nicht mehr warten: „Die Stunden vergehen schnellen Schrittes und doch zu langsam!"

Hippolyta sieht es ähnlich, nur versteckt sie ihre Rastlosigkeit wesentlich besser. Man mag sich nun fragen, weshalb die Verliererin eines Krieges zustimmt, den Gewinner zu ehelichen. Nun, die Antwort lautet: unerwartete Liebe. Die beiden entschieden sich dazu, die Waffen niederzulegen, nachdem sie sich eine gegenseitige Zuneigung eingestanden haben. In Wahrheit gibt es also keinen Gewinner und keinen Verlierer. Theseus und Hippolyta einigten sich einvernehmlich auf ein Kriegsende, um nun für friedliche Zeiten zu garantieren.

Insbesondere im Leben von Theseus kam es zuletzt zu einem wahren Sinneswandel: Es wusste nie, was es bedeutet, wahrhaftig zu lieben. Das änderte sich, als er Hippolyta traf. Seither ist er überzeugt, dass alle Menschen von der glückseligen Erfahrung namens „Liebe" wissen müssen. „Am liebsten wäre es mir, wenn an unserem Hochzeitstag noch viele weitere Eheschließungen stattfänden", erzählt er Hippolyta, während sie auf einem Stuhl sitzend einige Trauben verspeist. Euphorisch hebt der Athener seinen Zeigefinder empor, als er einen weiteren Gedankengang in Worte fasst: „Tatsächlich könnte es zu einer weiteren Heirat kommen. Ich habe heute zwei Gäste zu mir rufen lassen, die meines Wissens den Bund der Ehe schließen möchten. Sie sollten jeden Moment durch diese Tore schreiten."

Und wahrhaftig treten Besucher in den Thronsaal – allerdings zählte Theseus vier anstatt zwei Personen. Eine weinende Hermia wird von ihrem Vater Egeus förmlich in den Raum geschleift. Dahinter folgt der besorgte Jüngling Lysander und sein Todfeind Demetrius. „Was hat das zu bedeuten, Egeus?", möchte Theseus umgehend erfahren. Hermias Vater holt einmal tief Luft, bevor er sich lange und detailliert erklärt: „Seid gegrüßt, mein edler Herzog Theseus! Ich habe soeben erfahren, dass Ihr meine Tochter, die Hermia, zu Euch rufen ließet. Als ich von ihr den Grund für diese Audienz erfahren wollte, beichtete sie mir ihre Hochzeitspläne mit Lysander. Das schockierte mich zutiefst, weil ich nichts davon wusste. Unglücklicherweise versprach ich sie vor mehreren Tagen bereits dem Demetrius, der einer Ehe zustimmte. Hermia lehnt Demetrius jedoch ab. Da ich dem Kind keine Vernunft beibringen konnte, bitte ich Sie nun darum, das alte Recht Athens walten zu lassen: Wenn Hermia nicht vor Ihren Augen einer Ehe mit Demetrius zustimmt, soll sie mit dem Tode bestraft werden." Hermia und Lysander schreien vor Entsetzen auf.

„Hm, welch ein unglücklicher Zufall. Über die Liebe zwischen Hermia und Lysander war ich mir bewusst..." Theseus ringt mit einem Gefühl der Überforderung. Der Herzog ist sich selbstverständlich seiner eigenen Gesetze bewusst. Dennoch empfindet er dieses Strafmaß als vollkommen unangebracht. Ihm kommt plötzlich ein Gedanke: „Wie ich kürzlich hörte, ist eine junge Frau namens Helena Hals über Kopf in dich verliebt, werter Demetrius. Wäre es nicht eine Alternative, sie an Hermias Stelle zu ehelichen?"

„Auf keinen Fall, Herr. Diese Furie kann kein Mann dieser Welt nur für eine Sekunde ertragen. Mein Herz gehört einzig und allein der Hermia." Demetrius bleibt standhaft – ein wahres Dilemma für Theseus. In seiner Verzweiflung wandert sein Blick zu Hippolyta, deren Gesichtsausdruck ebenfalls verloren wirkt. Der Herzog wendet sich schließlich an die weinende Tochter von Egeus: „Hermia, wie steht es um deine Meinung zu Demetrius als Ehemann?"

„Eher würde ich sterben, oh Herr, anstatt Demetrius zu ehelichen. Das Athener Gesetz soll sein Übriges tun, wenn mir sonst keine andere Wahl bleibt." Aufgewühlt von Hermias Antwort schreien alle Anwesenden durcheinander. Letztendlich liegt es an Theseus, für Ruhe zu sorgen: „Ich bitte um einen Moment der Stille! Werteste Hermia, deine Antwort erschüttert mich. Und doch kann ich nachfühlen, in welcher ausweglosen Situation du dich befindest. Da meine eigene Hochzeitsnacht erst in vier Tagen vonstattengeht, gebe ich dir bis dahin Zeit, um deine Entscheidung noch einmal zu überdenken. Das Gleiche gilt für Demetrius: Dir lege ich ans Herz, diese junge Dame ziehen zu lassen. Wenn du sie wahrlich liebst, solltest du akzeptieren, dass sie bei Lysander ihr Glück findet."

„Oh Herr, das kann ich nicht. Nein, ich behaupte sogar, dass Hermia sich irrt. Ihr wahres Glück findet sie bei mir. Ich gebe meinen Anspruch auf ihre Hand also nicht auf. Sollte sie sich für Lysander entscheiden, wählt sie eben den Tod. Wenn ich sie nicht haben kann, wird keiner sie besitzen. Es soll mir recht sein." Nach weiteren hitzigen Diskussionen, die ergebnislos bleiben, schreiten die Besucher weinend, schreiend und wütend aus dem Thronsaal – und ein verdutzter Theseus bleibt mit seiner schockierten Hippolyta zurück.

In Your Face, DemetriusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt