Die verlorene Wette

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Das gesamte Volleyball-Team der Karasuno-Oberschule lag auf dem Rücken und hielt sich vor Lachen die Bäuche. Außer Shoyo Hinata, der zornentbrannt Tobio Kageyama anfunkelte, der seinerseits mit einem gehässigen Grinsen auf den Kleinen herabstarrte.

Er ballte die Fäuste und blaffte seinen Kameraden an. „Du hast doch betrogen! Nie und nimmer hast du mehr Runden geschafft als ich." Er war zwar kleiner, aber auch viel flinker als der Setter.

„Tss... ich verlier doch nicht gegen dich."

Im heutigen Training hatten sie ein Zirkeltraining absolviert, mit ziemlich hohen Hindernissen, die zu überwinden waren und ziemlich niedrigen, unter denen sie durchtauchen mussten. Hinata hatte es sich nicht nehmen lassen Kageyama zu einer Wette herauszufordern, wer von ihnen in zehn Minuten die meisten Runden schaffte. Und er hatte verloren. Fünf zu sechs. Oder besser fünfeinhalb zu sechs.

„Komm schon Shoyo, sei kein schlechter Verlierer", mischte sich Nishinoya ein.

„Klappe Noya!"

Kageyama verschränkte die Arme vor der Brust. „Glaub bloß nicht, dass du dich darum drücken kannst. Du wirst ein ganzes Wochenende mein persönlicher Sklave sein und das im Dienstmädchen-Kostüm."

„Natürlich werde ich mich nicht darum drücken! Wettschulden sind Ehrenschulden. Ich werde das beste Dienstmädchen sein, das du je gesehen hast", brüllte er zurück, was alle andern wieder in einen Lachkrampf fallen ließ.

„Schön, dann komm am Freitag nach dem Training zu mir." Das spitzbübische Grinsen entging Hinate nicht.

Es brodelte in ihm bei dem Gedanken, dass Tobio sich auf seine Kosten ein ganzes Wochenende lustig machen würde. Dennoch würde er das so was von durchziehen.


Am späten Freitagnachmittag setzte sich Hinata auf sein klappriges Fahrrad und fuhr zu Kageyama. Er hasste nichts mehr, als eine Wette zu verlieren, und das war die schlimmste, die er je verloren hatte. Er würde die nächsten drei Tage bei seinem Freund verbringen. Dieser hatte eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung gewonnen. So ein Mist.

In seinem Rucksack steckten Umziehsachen, eine Zahnbürste und das verhasste Dienstmädchen-Kostüm, das er sich besorgt hatte. Sein Lieblingsrivale war das ganze Wochenende alleine zu Hause und hatte genug Zeit, ihn zu quälen.

Wieso ließ er sich immer wieder auf Wettkämpfe mit ihm ein? Nun, es war ihr ‚Ding' und es machte ihm Spaß sich mit ihm zu messen. Weckte seinen Ehrgeiz. Zudem war er sich sicher, im Volleyball nie so gut zu sein wie er, so wollte er wenigstens in nichts anderem hinter ihm zurückbleiben. Aber wenn er ehrlich war, gab es da einen weiteren Grund.

Am Anfang waren sie Rivalen gewesen, dann Teamkameraden, dann Freunde. Und jetzt? Jetzt war da etwas, dass ihn die Nähe von Kageyama suchen ließ. Jede Stunde, die sie nicht zusammen in der Schule oder beim Volleyball verbrachten, erschien ihm wie eine vergeudete Stunde, die sein Herz schwermütig werden ließ. Wenn er ehrlich war, war er in ihn verliebt und das schon eine ganze Weile. Tobio war mit Abstand der coolste Junge, den er kannte und ohne ihn wäre er nie ein so guter Spieler geworden. Der Setter hatte ihm Flügel wachsen lassen. Er verdankte ihm quasi alles. Seine Anerkennung als Spieler war ihm das Wichtigste überhaupt.

Aber jetzt, als Hausmädchen verkleidet, vor ihm den Affen zu machen, war einfach nur ein großer Haufen Mist. Sich von dem demütigen zu lassen, der für ihn die Welt bedeutete, war einfach grausam. Und da war noch ein Problem. Wie sollte er nur über das lange Wochenende sein Geheimnis verbergen? Wenn es herauskäme, dass er sich in einen Jungen verliebt hatte, wäre das schon eine Katastrophe. Doch wenn der Junge auch noch ein Mannschaftsmitglied war und sein bester Freund - nicht auszudenken was das bedeuten würde. Er war zwischenzeitlich ein Profi darin, seine Gefühle zu verbergen, und er war sich sicher, dass keiner auch nur die geringste Ahnung davon hatte. Vor allem nicht Kageyama, und so sollte es auch bleiben. Er würde nie etwas sagen oder tun, das ihre Freundschaft gefährden würde. Oder die Möglichkeit, mit ihm in einem Team zu spielen. Wer wusste, ob er sich nicht weigern würde, weiterhin mit ihm Volleyball zu spielen. Er würde aus der Mannschaft fliegen und vielleicht sogar nie wieder in einer anderen spielen. Und aus all diesen Gründen durfte dieses Geheimnis niemals gelüftet werden. Doch das hier war jetzt eine echte Herausforderung.

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