Wait, what?

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Julian

„Whatever our souls are made of, his and mine are the same."
- Emily Brontë

Ich darf heute endlich wieder nach draußen und das erste, was ich nach dem Training tue, ist zu Erling zu fahren.
Der Norweger vollzieht nach dieser Woche seinen Wechsel und durch Corona habe ich zwei von unseren letzten drei Wochen zusammen verpasst. Er macht am Wochenende nach dem Freiburgspiel noch einen Abschiedsparty und dann ist er weg.
Ich steige erst in eine paar Tagen wieder ins Mannschaftstraining ein. Heute habe ich noch keinen von den anderen zu Gesicht bekommen. Es ging erstmal nur darum zu sehen, wie fit ich bin und wie schnell ich wieder bei der Mannschaft sein kann. Morgen gibt es nochmal individuelles Training und dann entscheidet der Coach wann es für mich endlich wieder mit der Mannschaft losgeht.

Als ich an Erlings Tür klingle, öffnet mir Gio.
Bestürzt ziehe ich ihn in meine Arme, als ich sein Gesicht sehe. Tiefe Schatten befinden sich unter seinen leicht geröteten Augen, die Wangen sind eingefallen und der Blick ist leer.
„What happend to you, while I was gone?" , frage ich besorgt. Wir lösen uns voneinander und der Amerikaner lässt mich rein.
Gio lächelt müde.
„This whole Erling is leaving me situation is... It's hard for me to cope with it" , erklärt er leise.
Seine Augen sehen aus, als würde er jeden Moment anfangen zu weinen.
„Kjære? Who are you talking to?" , ruft Erl aus der Wohnung. Gio blinzelt mehrmals und setzt ein Lächeln auf.
Ich folge ihm ins Wohnzimmer wo Erling auf der weißen Couch sitzt und einen Controller in der Hand hält. Seine längeren Haare hat er offen und er springt grinsend auf als er mich sieht. „Jule! Du wieder gesund?" , fragt er und zieht mich in eine feste Umarmung.
„Ja, ich war nie wirklich krank" , erkläre ich, „Es war nur blöd, mit der Quarantäne."
Gio holt uns Getränke und wir setzen uns zu dritt aufs Sofa.
„When are you leaving?" , frage ich Erl und Gio beißt sich auf die Unterlippe.
„Monday morning. But I will visit whenever I can, I promise. And you will visit me too, won't you?"
Der braunhaarige fängt an zu weinen und steht auf.
„I'm sorry but I can't do this right now" , schnieft er und verlässt den Raum.
Erl seufzt und fährt sich mit den Händen übers Gesicht.
„Soll ich nach ihm gucken?" , frage ich. Erling schüttelt den Kopf.
„Nein, er muss alleine sein. Ist schwer für Gio, er ist sehr traurig. Weint viel und ich weiß nicht, ob es richtige Entscheidung zu gehen. Aber Chelsea ist sehr gut" , meint Erl resigniert.
Ich verstehe beide Seiten sehr gut. Ich habe Kai schließlich zuerst verlassen. Aber ich fühle auch Gios Schmerz. Der in einem anderen Land zurückgelassen wird. Mir tat das schon weh und Kai und ich waren nur befreundet.
„Es ist immer schwer, Erl. Aber ich bin mir sicher ihr schafft das. Ich weiß ihr schafft das. Chelsea ist ein toller Verein und du wirst da bestimmt viel erreichen. Vielleicht freundest du dich ja mit Kai an."
Als ich Kais Namen erwähne wird der Blick des Norwegers weich.
„Hast du mit Kai geredet?"
Ich verneine seine Frage und weiche seinem Blick aus.
„Okay, and how are you feeling about that? How long didn't you speak to each other?"
Erl klingt besorgt und ich bin ihm echt dankbar dafür, dass er für mich da ist, aber eigentlich will ich grade nicht über Kai sprechen.
„Eight weeks and a few days... I - I really don't want to talk about him right now."
Erl seufzt erneut.
„I'm worried about you. That's all" , erklärt er.
Gio kommt zu uns zurück und entschuldigt sich für seinen Gefühlsausbruch.
Ich versichere ihm, dass alles in Ordnung ist. Allerdings reden wir nicht mehr über Erls Wechsel oder über Kai. Wir spielen einfach irgendein Spiel auf der PlayStation und vermeiden alle heiklen Themen für den Rest des Tages.

Jannis und Greta stehen schon mit gepackten Koffern im Flur, als ich von meinem Besuch bei Erling zurückkomme.
„Da bist du ja, wir wollten gleich los" , informiert mein Bruder mich.
„Okay alles klar. Grüß mir die andern und vor allem Nala" , erwidere ich. 
„Mache ich. Danke für deine Gastfreundschaft und tut mir leid, dass wir sie vielleicht etwas überstrapaziert haben" , schmunzelt mein Bruder.
„Als hätten wir eine Wahl gehabt" , lache ich.
Ich ziehe Greta und Jannis in eine Umarmung und wünsche ihnen eine gute Fahrt.
Dann bin ich zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder allein in meiner Wohnung und genieße es wirklich. Ich bin eigentlich ganz gern alleine zumindest nach dieser ganzen Zeit in Gesellschaft.
Kai hat sich immer noch nicht gemeldet und ich bin mir mittlerweile sicher, dass ich  einen Flug nach London buchen muss, damit wir endlich miteinander reden.
Vielleicht habe ich ja Glück und der Trainer nimmt mich nicht mit zum Spiel nach Freiburg. Dann hätte ich zumindest die Zeit nach London zu fliegen, würde aber vielleicht Erlings Party verpassen.
Naja erstmal abwarten, was der Trainer plant.

The way you look at me - BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt