Wie weiße Tauben

Kapitel 1

Hier saß ich nun. Im Auto mit meiner Mum auf dem Weg in unser neues Zuhause. Ich hatte das Haus selber noch nicht gesehen, da meine Mum wollte, dass es eine Überraschung wird. Hoffentlich eine gute. Eigentlich ist es auch egal, wie dieses Haus ist, denn so wie meine Mum gerade strahlte, war alles andere egal. Sie wirkte lange nicht mehr so glücklich.

Das erste Mal seit einem Jahr verspürte ich Freude. Freude darüber, dass es meiner Mum anscheinend hier so gut ging. Freude darüber, ein neues Leben mit meiner Mum zu leben. Einfach neu anzufangen. Der Gedanke, dass mein Dad zwar nicht an dem neuen Leben teilhaben könnte, schmerzte. Aber ich muss nach vorne blicken. Er kommt nicht wieder, nie mehr.

***

Wir durchführen ein kleines Dorf. Sage. Das war es also. Von San Diego in eine Kleinstadt. Was man hier wohl den ganzen Tag machte? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das Leben hier besonders spannend und aufregend war.

Meine Mum wurde langsamer und fuhr anschleißend in eine Einfahrt rein.

Es war ein kleines Haus. Es sah gepflegt aus. Vorm Haus war ein kleiner Vorgarten. Ob wir auch einen richtigen Garten hatten? Es reihte sich neben anderen Häusern perfekt in die Straße ein. Alles hier wirkte so friedlich.

„Wie findest du es?", fragte meine Mum und blickte mich an. Sie strahlte.

„Es ist süß.", grinste ich sie an. „Aber bis jetzt habe ich es auch noch nicht von innen gesehen."

„Ich gebe dir eine Roomtour. Oder wie auch immer deine Generation das nennt."

„Roomtour ist schon richtig, Mum.", lachte ich sie an.

Das Haus war wunderschön. Es war zwar um einiges kleiner als unser Haus in San Diego, aber es reichte. Es reichte für meine Mum und mich. Außerdem wäre es ganz schön unpassend, wenn in diesem kleinen friedlichen Dorf auf einmal eine fette Villa stehen würde. Das wäre mir sogar ziemlich unangenehm, dass die Leute sehen würden, wie viel Geld wir hatten. Meine Mum hatte erzählt, dass die Leute hier nicht besonders wohlhabend waren. Sie ist hier aufgewachsen, bevor sie zu meinem Dad nach America gezogen ist. Die erste wahre Liebe. Ob ich auch mal so einen Mann kennenlernen werde, für den ich auf die andere Seite der Welt ziehen würde? Ich hoffte es. Das war doch das was sich eigentlich jeder Mensch auf Erden wünschte. Jemand kennenzulernen, der einen genau so liebte wie man ihn liebte.

„Mum? Nimm es mir nicht böse, aber ich gehe hoch und lege mich etwas hin. Der Flug hat mich richtig müde gemacht." Mittlerweile hatte meine Mum mir das ganze Haus gezeigt und wir saßen gemeinsam auf dem Sofa und schauten unsere gemeinsame Serie.

„Mach das. Heute Abend kommen unsere Nachbarn von dem Haus neben uns rüber. Aber wenn du dann noch zu fertig bist oder keine Lust drauf hast, kannst du dann auch in deinem Zimmer essen."

„Bis dahin sollte ich wieder fit sein. Ich liebe dich, Mum."

„Ich liebe dich auch, mein Spatz. Gute Nacht." Ich gab ihr noch einen Kuss auf die Wange und ging dann hoch in mein Zimmer. Mein neues Zimmer. Ich hatte keine Möbel aus meinem alten Zimmer mitgenommen. Denn ich wollte einen Neuanfang. Einen kompletten Neustart. Die Erinnerungen, die ich mit meinen Freunden hatte, habe ich in eine Kiste verstaucht, die wie meine Mum berichtete, schon unter meinem Bett verstaut war.

Ich zog mir schnell meinen Schlafanzug an um mich hinzulegen. Denn ich wollte so viel Schlaf wie möglich abbekommen. Ich wollte heute Abend dabei sein. Nein, ich musste. Es sollte ein Neuanfang werden, bei dem ich nicht direkt in meine alten Muster zurück fallen wollte

***

Als ich wach wurde, war bereits kurz vor 19 Uhr. So lange wollte ich eigentlich nicht schlaffen, denn um 19 Uhr sollten unsere neuen Nachbarn kommen. Eigentlich hatte ich gar keine Lust drauf und wollte am liebsten weiterschlafen. Aber ich hatte mir vorgenommen, mein Leben zu ändern und nicht in meine alten Muster zurückzukehren. Ich wollte wieder mein Leben leben. Ich wollte nicht später zurückblicken und nichts zu erzählen haben. Das Leben ist da um gelebt zu werden. Etwas was mir lange nicht mehr so bewusst war.