Dunkelheit

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Es war dunkel, kalt und einsam in Kaorus Zimmer. Er hasste es sich allein zu fühlen, er hasste die Stille in diesem Raum, der immer kleiner zu werden schien, doch gerade, in diesem Moment, hasste er vor allem sich selbst.

»Du hast es kaputt gemacht« hallte eine kleine böse Stimme in seinen Kopf, fraß sich in seine Gedanken und sorgte dafür, dass sein Zimmer wieder ein Stückchen kleiner wurde.

»Deinetwegen ist er gegangen. Es ist ganz allein deine Schuld, dass du jetzt allein bist«.

Wie versteinert starrte Kaoru auf das Handy, welches unberührt auf seinem Nachtisch lag. Wie lange er es schon fixierte wusste er nicht, doch seine Augen hatten sich bereits an die Dunkelheit seines Schlafzimmers gewöhnt und er konnte die Umrisse seiner Möbel erkennen, auch wenn er ihnen kaum Beachtung schenkte.

Sein Herz tat nicht mehr weh. Es war taub.

Trotzdem spürte er seine Hand, als würde er noch immer neben ihm liegen, wie sie sich langsam, aber sicher fester in seinen Nacken grub, während er ihn mit missbilligendem Blick fixierte.

»Du bist so verdammt langweilig...«.

Ein Zittern durchfuhr Kaoru bei diesen Worten und automatisch hatten sich seine Hände fester um den eigenen, nackten und geschundenen Körper gekrallt. So lange hatte er durchgehalten... ihm zu liebe... und trotzdem war es nie genug...

»Hey...«. Ainosukes Stimme klang plötzlich viel sanfter, brachte ihn dazu, hoffnungsvoll aufzuschauen, während er den Daumen zärtlich über seine Wange streichen spürte.

»Ich bin nur ehrlich zu dir, weil sich das sonst niemand traut, Kaoru« sagte er und fuhr dabei langsam über seine weiche Unterlippe. »Jeder Kerl, der sagt, dass er sich für dich interessiert, tut das nur, weil er dich ficken will. Sie sind alle so verlogen. Ich bin der Einzige, auf den du dich immer verlassen konntest... das weißt du doch, oder?«.

Kaoru starrte den Mann vor sich an, den Mann, in den er sich vor zwei Jahren Hals über Kopf verliebt hatte und den Mann den er heute kaum wiedererkannte und trotzdem...

»Ja... ich weiß...« flüsterte er und senkte den Blick, spürte wie ihm dabei die langen Haare ins Gesicht fielen.

»Gut... also, wie sieht's aus? Machen wir weiter?«.

Ein schwaches Nicken war alles war Kaoru zustande brachte, doch es reichte Ainosuke, um dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte und Kaoru ließ es über sich ergehen aus Angst, dass er ihn einfach verlassen und allein zurücklassen würde. Deswegen spürte er auch nicht, wie sich nach und nach immer mehr Tränen in seinen Augenwinkeln sammelten, solange bis sie sich schließlich ihren Weg über seine geröteten Wangen suchten und an seinem Kinn hinuntertropften.

»Heulst du etwa?«.

Die Frage ließ ihn zusammenzucken. Schnell wandte er sein Gesicht von Ainosuke ab und schüttelte den Kopf, während dieser sich mit einem Schnauben aufrichtete.

»Tsss... da vergeht einem ja die Lust« sagte er wütend und stand von dem zerwühlten Bett auf, löste damit sofort eine altbekannte Panik in Kaoru aus.

»W-warte, es geht scho-«.

Ein lautes Klatschen, gefolgt von einem brennenden Schmerz auf seiner Wange, brachte ihn zum Schweigen. Sorgte dafür, dass sein Körper unkontrolliert zu zittern begann und sein Herz ängstlich gegen seine Brust donnerte. So stark, dass er das Gefühl hatte, es könnte jeden Augenblick herausspringen und in tausend Stücke zerfallen.

»Verarsch mich nicht! Du weißt ganz genau, wie sehr ich es hasse, wenn du mich anlügst« hörte er die kalte Stimme zischen. »Vergessen wir das Ganze einfach, das hat doch sowieso keinen Zweck mehr«.

Mit diesen Worten griff Ainosuke nach seiner Kleidung und begann sich anzuziehen.

»Ainosuke... bitte...« flüsterte Kaoru tonlos, während sich seine Finger zitternd in die Bettdecke krallten. »Bitte bleib hier... ich bekomme das hin...«.

»Vergiss es, Kaoru« antwortete dieser nur harsch und wandte sich von ihm ab. Er griff nach seiner Jacke und bevor er das Zimmer verließ, warf er ihm nur noch einmal einen kalten Blick zu. »Langweile jemand anderen zu Tode«.

Drei Stunden waren seitdem vergangen und obwohl ihm diese Seite von Ainosuke solche Angst machte, wünschte sich Kaoru trotzdem nichts mehr, als wieder seine Nähe zu spüren. Zu spüren wie er ihn in die Arme schloss und wärmte.

Doch dieses Mal schien es, als hätte er wirklich alles kaputt gemacht. Warum nur, hatte er seinen Körper nicht besser unter Kontrolle, warum nur war er so... langweilig...

Mit zitternden Fingern griff er nach seinem Handy und zog es zu sich aufs Bett. Wieder schaute er nur auf das leuchtende Display in der Hoffnung Ainosuke würde ihm eine Nachricht schreiben. Würde ihm sagen, dass er es nicht so gemeint hatte, dass er zurückkommen und ihm vergeben würde, dass er ihn immer noch liebte.

Kaorus Kehle schnürte sich bei diesen Gedanken zusammen und er versuchte den dicken Klos darin hinunterzuschlucken. Es war unmöglich.

Er öffnete den Chat mit Ainosuke und begann zu tippen.

Kaoru | 00:04
[Bitte.
Es tut mir Leid.
Lass uns darüber reden...]

Er drückte auf "senden" und stellte das Handy sofort auf den Nachtmodus um. Einerseits wünschte er sich sofort eine Antwort von Ainosuke, andererseits hatte er so eine Angst davor, dass er sie unmöglich gleich lesen konnte. Er musste erstmal zu Kräften kommen, versuchen irgendwie etwas Schlaf zu finden und morgen... ja morgen... da würden sie sicher alles regeln können und es würde wieder alles in Ordnung kommen.

An diesen Glauben klammernd, legte er das Handy wieder auf seinen Nachttisch ab, drehte sich auf die andere Seite und zog die Decke über seinen Kopf, versuchte alles um sich herum auszublenden und obwohl sich seine Gedanken wie ein Karussell im Kreis drehten, sorgte schließlich sein erschöpfter Körper dafür, dass er einschlief und in eine wirre Traumwelt fiel, in der ihn die Nachrichten nicht erreichten, die nach und nach auf seinem Handy eintrudelten.

Kojiro | 01:08
[Hey, warum bist du nicht beim Beef? Ainosuke redet nicht mit mir. Hatte ihr Streit?]

Kojiro | 01:42
[Ist alles in Ordnung, Kaoru? Bitte melde dich bei mir]

Kojiro | 01:45
[Er hat es wieder getan, oder...?]

Kirschblütenregen [MatchaBlossom]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt