Am Morgen fühle ich mich mehr als mies, habe keine Sekunde geschlafen und habe tiefe und dunkle Ringe unter den Augen. Diese kaschiere ich mit einem Concealer und mache mich fertig. Pünktlich stehe ich im Flur und warte auf Nina. Branco ist schon im Büro, um alles vorzubereiten. Mit weichen Knien steige ich ins Auto ein und je näher wir der Dienststelle kommen, desto schwitziger werden meine Hände. „Hey, schau mich an. Beruhige dich, Rena. Es ist alles gut, du schaffst das", sagt meine Cousine und legt eine Hand auf meine Schulter. Nina nimmt mich mit in ihr Büro, wo sich Paul schon breitgemacht hat. „Wie lange sitzt du hier schon herum?", fragt Nina. „N paar Minuten. Hoffen wir mal, dass kein Verrückter auf der Autobahn unterwegs ist und einen Einsatz auslöst", meint er grinsend. Etwa zehn Minuten später bekommt Nina die Info, dass wir jetzt kommen können. Mit zitternden Knien folge ich meiner Cousine. Paul läuft neben mir her und beobachtet mich mit kritischem Blick.
Ein Stockwerk tiefer kommen wir in einen halb abgedunkelten Raum mit Glasscheibe. Frau Krüger wartet bereits mit Branco auf uns. „Schön dass du gekommen bist. Lass dir Zeit, schau dir die Männer genau an und wenn du dir sicher bist ...", meint sie. Paul schiebt mich zur Scheibe. Ich schaue hindurch und sehe drei Männer nebeneinander stehen. Sie starren alle ins Leere. „Die können mich nicht sehen?", frage ich. „Nein, können sie nicht", beruhigt mich Nina. „Kann ich mal ... das Tattoo am Hals sehen?", frage ich. Paul betätigt einen Knopf und spricht durch ein Mikrofon: „bitte alle ins Profil drehen, sodass das Tattoo sichtbar ist."
Die Männer drehen sich um und ich kann die Tattoos am Hals sehen. „Der in der Mitte ist es auf keinen Fall", sage ich. „Ganz sicher?", fragt Frau Krüger. „Ja. Der war es nicht", antworte ich. „Und die anderen Beiden? Erkennst du die Tätowierung?", fragt Paul. „Ich bin mir nicht sicher ...", murmele ich. „Hat er was gesagt? Irgendwas?", möchte Frau Krüger wissen. „Ich glaube nicht", murmele ich. „Lass dir Zeit", sagt Paul. Ich schau mir die beiden Männer noch einmal an und als ich in die stechenden Augen des linken Mannes sehe, bin ich mir ganz sicher. „Der Linke. Das war er", sage ich. „Ganz sicher? Bist du dir wirklich ganz sicher?", fragt Frau Krüger. „Ja", antworte ich und habe dabei ganz vergessen zu atmen. „Ganz ruhig. Sie haben ihn, der tut dir nichts mehr", beruhigt mich Paul und fasst mir an die Schulter. „Gut, dann wartest du mal eben hier. Wir regeln das", meint Nina und geht mit Branco zu den drei Männern in den Raum.
Die beiden unschuldigen Männer lassen sie gehen und der Mann, den ich für den Täter halte, belehren sie. Als sie ausgesprochen haben, wird er richtig ausfällig und brüllt los. Er tobt und versucht, an ihnen vorbeizukommen. Doch Nina bekommt ihn gerade noch zu fassen. Mir ist schon ganz schlecht. „Komm, setz dich doch. Du bist ganz blass", meint Paul und bugsiert mich zu einem Stuhl. Ich setze mich und atme tief durch. „Vielen Dank, dass du das auf dich genommen hast. Du hast uns sehr geholfen und ich verspreche dir, dass dieser Mann nicht ungestraft davonkommt. Leider müssen wir dir aber auch mitteilen, in welcher Verbindung du zu diesem Mann stehst", sagt Frau Krüger. Ich schaue sie fragend an.
Der Typ ist ein mieser Vergewaltiger, nicht mehr. „Wie meinen Sie das?", fragt nun Paul. „Dieser Mann heißt Manfred Klein und ist der beste Freund deines Vaters. Bei ihm haben wir ihn auch aufgegriffen", erklärt sie mir. „Bitte was? Heißt das etwa, dass mein Vater Bescheid wusste?", frage ich. „Sieht so aus, denn überrascht war er gestern nicht", meint Frau Krüger. Ich stütze meinen Kopf auf die Hände und starre die Tischplatte an. „Ist viel zu verdauen, ich weiß. Bei Nina bist du in den allerbesten Händen, okay?", sagt sie. „Na komm. Soll ich dich nach Hause fahren?", fragt Paul und legt mir wieder eine Hand auf die Schulter.„Ich will nur in mein Bett", sage ich, den Tränen nahe. „Ich fahre dich, Rena", meint Paul und bringt mich zu einem der Autos. Ich setze mich auf den Beifahrersitz und starre aus dem Fenster. Als wir auf einem Parkplatz anhalten, meint Paul nur, dass er kurz etwas einkaufen muss und gleich wieder da ist. Ich denke mir nichts dabei und bleibe sitzen. Als die hintere Tür auf einmal aufgeht, drehe ich mich um und sehe einen Riesen Plüsch-Teddy. „Wir können weiter", meint er und fährt los. „Ist der für deine Tochter?", frage ich. „Ich habe keine Kinder. Noch nicht. Ich habe nur eine goldige Nichte. Zehn Jahre alt und richtig süß", meint er. Daheim angekommen steige ich aus und laufe zum Haus. Paul kommt mir nach und drückt mir den Teddy in die Hand. „Als kleiner Trost", meint er. „Für mich? Das ist ja lieb, danke", sage ich überrascht und nehme ihn an. Ich dachte, dass der für seine Nichte ist.
„Gerne. Hier steht meine Nummer drauf, du kannst mich immer erreichen. Bis bald", sagt Paul, gibt mir einen Kuss auf die Wange und seine Visitenkarte. Dann fährt er wieder und ich gehe mit meinem Teddy direkt in mein Zimmer. Dort setze ich ihn aufs Bett und gehe ins Bad. Ich wasche mir den Concealer runter und lege mich zu dem Teddy ins Bett. Schneller als ich denken kann, bin ich eingeschlafen. Erst als jemand mein Zimmer betritt, schrecke ich hoch. „Na, hast du dich hingelegt?", fragt Nina. Ich nicke und setze mich auf. „Was ist das denn?", meint sie, als sie den Riesen Teddy unter mir entdeckt. „Den hat mir Paul geschenkt. Als kleinen Trost nach dem heutigen Tag", sage ich. „Das ist schön und echt nett von ihm. Er mag dich sehr", sagt meine Cousine. „Ich weis. Ich mag ihn auch aber momentan kann ich mich auf nichts festes einlassen. Dafür bin ich nicht bereit und falls es nicht funktionieren sollte ...", antworte ich. „Schon gut, lern Paul auch erstmal richtig kennen. Hast du Hunger? Branco macht eine Lasagne, die ist in ein paar Minuten schon fertig", sagt Nina. „Ich komme gleich runter. Ich ziehe mich nur schnell um", sage ich. Sie lässt mich allein und ich tausche meine Jeans gegen eine Jogginghose aus und binde meine Haare zusammen. Dann tapste ich nach unten in die Küche. Branco schaut gerade in den Ofen. „Kann ich dir noch etwas helfen?", frage ich. „Ähm ... eigentlich nicht. Tisch ist gedeckt, Lasagne so gut wie fertig ...", zählt er auf. „Komm mal rüber", sagt Nina. Ich setze mich zu ihr auf die Couch. „Dir ist klar, was heute passiert ist?", fragt sie. „Ich bin ja nicht doof", sage ich. „Das weis ich, Rena. Aber der Täter ist geschnappt, du kannst also wieder aufatmen. Dass es ausgerechnet ein Bekannter deines Vater ist, war kein Zufall. Und hast du dir jetzt eigentlich überlegt, ob du ihn anzeigst?", fragt sie.
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Nobody loves me
FanfictionEs geht um ein 17-Jähriges Mädchen, das große Probleme hat und nicht allein damit fertig wird. Als sie bei der Polizei auffällig wird, bekommt das Mädchen dringend benötigte Hilfe.