Kapitel eins

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home. Ich dachte immer, dass Zuhause ein Gebäude sei. Ein Haus mit vier Wänden, einem Dach, ein paar Fenstern und einer Tür. Als ich zehn Jahre alt war, dachte ich, dass das weiße Haus am Ende der Warburgstraße für immer mein Zuhause sein würde. Es ist auch noch immer mein Zuhause. Zumindest in meinem Herzen.

Ich schaue aus dem Fenster. Es ist bewölkt. Die Wolken sehen aus wie Zuckerwatte. Die Aussicht ist wunderschön und unrealistisch zu gleich. Wie klein die Welt von hier oben wohl aussieht.

Ich schaue nach rechts, mein Blick fällt auf den gut aussehenden jungen Mann. Seine Haare sind schwarz und leicht gelockt. Seine Augen sind gerade geschlossen, aber ich weiß, dass sie grün sind.

Ich könnte ihn stundenlang ansehen und das würde mich zu dem glücklichsten Menschen der Welt machen.

Die Musik stoppt. Sein Kopfhörer muss ihm wohl aus dem Ohr gefallen sein. Ich sehe ihn allerdings nirgends. Ich drehe mich um und frage die ältere Dame, die hinter ihm sitzt, ob sie nachsehen könne, ob der Kopfhörer auf dem Boden neben seinem Sitz gefallen ist.

„Das hier?", fragt sie während sie den Kopfhörer zwischen zwei Fingern hält. „Ja, vielen Dank", flüstere ich ihr zu, da ich Josh nicht wecken möchte. Wir lächeln uns einen kurzen Moment an, bevor sie in ihrem Buch weiterliest. Ich frage mich, welches Buch sie wohl gerade liest. Ich lehne mich entspannt in meinen Sitz zurück und schließe meine Augen.

Es ist ganz schön lange her, dass ich meine Eltern persönlich gesehen habe, dachte ich. Ich habe keine Ahnung, wie sie reagieren werden, wenn sie mich wieder sehen.

Ob sie sich darüber freuen, dass ich zurück bin, oder werden sie sauer sein, weil ich überhaupt erst gegangen bin?

Ich kann mich gar nicht daran erinnern, wie viele Briefe und Postkarten ich ihnen in den vergangenen zwei Jahren geschickt habe. An Weihnachten und an Geburtstagen haben wir sogar telefoniert, da fehlten sie mir am meisten.

Ich fliege gerade nach Hause, dachte ich. Aber ist der Ort an dem ich aufgewachsen bin und mein ganzes Leben verbracht habe überhaupt noch mein Zuhause, oder ist es das vielleicht nie gewesen?

Ich schaue noch ein Mal kurz aus dem Fenster, wir sind noch immer über den Wolken. Es wird also noch etwas dauern bis wir in Hamburg zur Landung ansetzen. Ich tue es Josh gleich und schließe meine Augen. Es dauert nur wenige Sekunden bis ich einschlafe.

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