2. Kapitel

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Colin, der sich geschlagen gegeben hatte stierte nun die Pflanze seit knappen 10 Minuten an. Er spürte Ethans gierigen Blick von der Seite und sah genervt auf. „Ich kann doch jetzt nicht einfach traurig sein, das geht doch nicht!"
„Natürlich geht das, warte, lass mich kurz überlegen..." Ethan grübelte keine 10 Sekunden dann leuchteten seine Augen auf. „Denk an Oma Lieses Tod, die Beerdigung, das Gebet."

Sofort verdunkelte sich Colins Gesicht und das schmerzhafte Bild seiner Oma drängte sich in seinen Kopf. Wie als würde man ihn leiten, machte sein Körper genau das Richtige. Die Pflanze schrumpfte auf ihre ursprüngliche Größe zurück.
„Hammer!" rief Ethan aus und sein Bruder war regelrecht verblüfft von der in der Trauer ganz vergessenen Aufgabe. „Mann, du hattest Recht!"
„Ja ich bin einfach ein Genie!" Colin schüttelte schmunzelnd den Kopf. Bescheidenheit war noch nie die Stärke seines Bruders gewesen. „Aber weißt du was noch viel wichtiger ist: Du hast magische Kräfte! Ich meine so richtige, richtige magische Kräfte! Das heißt da draußen gibt es noch andere die vielleicht genauso sind wie du! Vielleicht bin ich genauso wie du!"

Jetzt war Colin geschockt. So viel Kombinationsvermögen hätte er Ethan gar nicht zugetraut. „Das stimmt vielleicht sogar. Ja, das wäre durchaus logisch. Aber wer sind die anderen?"
„Vielleicht von jedem Kontinent einer und die werden hierher teleportiert. Oder stell dir vor du landest in Australien, Asien oder Amerika!" Okay, das klang wieder sehr nach Ethan.

„Nein, ich glaube sie sind hier in unserer Nähe." vermutete Colin und merkte wie zuversichtlich er das sagte. Sein Bruder zog die Augenbrauen hoch. „Woher willst du das denn wissen?" Colin war nicht weniger skeptisch als sein Bruder doch trotzdem antwortete er mit fester Stimme: „Keine Ahnung, ich spüre das einfach."

„Na dann kannst ja vielleicht auch spüren das meine Mathehausaufgaben noch umgemacht auf meinem Schreibtisch liegen." sagte Ethan beiläufig. Colin sah ihn verständnislos an. „Lass mich raten, ich soll dir dabei helfen weil du es nicht verstehst. Oh Mann, wie kannst du in dieser Situation an Schule denken!?"
„Tja, meine Noten sind mir eben wichtig!" erwiderte Ethan trotzig. „Ja, deine 3+ letztens war wirklich keine Glanzleistung." zog Colin ihn auf. „Aber gerade muss ich mir erstmal klar werden was hier eigentlich passiert."
Sein Zwilling verdrehte die Augen. „Jetzt komm schon, morgen ist Schule das willst du doch wohl nicht mal mir antuen." sofort wurde Colin wieder ernst. „Ich hab doch gesagt ich geh nicht in die Schule."
„Ach ja? Und was willst du Mum und Dad erzählen? Lebenslanges Fieber?" fragte Ethan sarkastisch.

„Nicht lebenslang, nur bis wir das... geklärt haben."
„So ein Blödsinn, du gehts morgen in die Schule. Keine Ausrede. Sonst findest du es ja nie raus." Damit verließ er das Zimmer und ließ seinem Zwilling keine Zeit um zu fragen was er herausfinden sollte.
Wie sollte er je wieder einschlafen können? Der ganze Sonntag lag vor ihm und vermutlich wollte ihre Mutter das sie wieder im Beet arbeiteten. Aber konnte er das?
Und die Schule?
Er stellte sich lieber nicht vor wie seine Klassenkameraden darauf reagieren würden. Nein, er würde sich krankstellen. Egal was Ethan sagte. Seine Eltern würden ihm nichts abschlagen. Doch heute musste er noch überleben danach konnte er „krank" im Bett liegen, sicher das nichts passieren würde. Doch heute musste er es schaffen. Seufzend stand er auf und lief die Treppe hinunter, kehrte aber auf halber Strecke wieder um, um die Topfpflanze an sich zu nehmen, sonst würden nur unangenehme Fragen aufkommen.

Draußen strahlte die Sonne so hell als würde sie ihn verspotten. Heute war ein herrlicher Tag. Doch Colin fühlte sich miserabel. Er lebte mitten im Wald, umgeben von Feldern und anderen Bauernhöfen. Wie zur Hölle sollte sein Fluch unbemerkt bleiben?! Halt, er musste sich zusammenreißen sonst würde er den Verstand verlieren. Da kam ihm ein Gedanke: Wieso sollte er Zuhause bleiben und darauf warten das etwas passierte? Er würde einfach zu einem Kumpel ins Dorf fahren. Dort war es weit aus ungefährlicher als hier. Und er konnte seinen Freunden vertrauen. Hoffte er zumindest.

Ohne mit jemanden ein Wort zu wechseln packte er seine Sachen ein, schrieb Luka eine Nachricht und nahm sein blaues Fahrrad als Transportmittel. Seinen Eltern gab er ebenfalls per Telefon Bescheid. Nur seinem Bruder sagte er nichts.

Jedoch trat er nach drei Kreuzungen auf die Bremse. Eine Weile stand er ruhig da, ein Bein auf dem Boden um das Gleichgewicht zu halten. Dann drehte er sich schlagartig um und sah direkt in das milde überraschte Gesicht von Ethan. Er war mit seinem roten Rad ebenfalls gestoppt und hatte zu spät gemerkt das er aufgeflogen war. „Denkst du ich merke nicht wenn mir jemand auf einem Fahrrad den ganzen Weg von Zuhause aus folgt?" fragte Colin genervt. Doch Ethan drehte den Spieß einfach um. „Denkst du ich merke nicht wenn mein Zwillingsbruder sich aus dem Haus stielt ohne es mir zu sagen?" angespannt und belustigt funkelten sie sich an. Dann gab Colin nach. „Dann komm, Luka erwartet und doch eh schon im Doppelpack." Ethan gab sich sichtlich Mühe sein triumphierendes Grinsen in den Griff zu bekommen doch wenn man etwas nicht wirklich wollte, funktionierte es auch nicht.

Bald ließen sie den schattigen Wald hinter sich und fuhren den Feldweg entlang. Im September blühten immer die hübschen orangenen Blumen am Wegrand und strahlten ihnen entgegen. Luka wohnte am anderen Ende des Dorfes doch mit dem Fahrrad gelangte man hier schnell überall hin. Wenn sie gewollt hätten, hätten sie auf dem Weg ihre gesamte Klasse besuchen können denn die Dorfschule hatte insgesamt nur 300 Schüler. Aber so war es eben im kleinsten Kaff der Umgebung.

Lukas Haus war in einem hübschen gelb gestrichen und die Fensterläden hatten einen milden Grün Ton angenommen. Luka lebte mit bei seinen Großeltern da seine Eltern verstorben waren als er noch klein war. Der kleine Vorgarten den seine Oma sehr liebevoll pflegte glänzte in allen Farben der Pflanzenwelt und entlockte jedem Spaziergänger ein kleines „Oh wie schön!"

Sie stellten ihre Fahrräder auf dem schmalen, gepflasterten Weg zum Haus hintereinander ab und klingelten.
Sofort öffnete Luka die Tür und grinste Colin an. Als er Ethan hinter ihm entdeckte vertieften sich die Grübchen und er rief überschwänglich: „Willkommen Zwillinge des Waldes! Tretet ein, tretet ein!" Colin grinste nun ebenfalls und Ethan sagte lässig: „Auch schön dich zu sehen ML." wenn man ihn fragte was ML hieß sagte er immer es wäre sein Spitzname und würde „Monster-Lacher" heißen aber Colin wusste das eine andere Bedeutung mehr zutraf.

Sie stiegen die kleine Holztreppe hinauf und Luka legte den Finger auf die Lippen. „Sie machen veranstalten ein Schachturnier und es ist höchste Konzentration geboten." er verdrehte die Augen. „Ist das nicht schon das dritte diese Woche?" Colin runzelte die Stirn.
„Das vierte."
„Deine Großeltern sind echt unglaublich." lachte Ethan leise.

In Lukas kleinem aber überfülltem Zimmer setzte sich Colin auf den Schreibtischstuhl und Luka und Ethan setzten sich auf das Bett wobei Ethan einen Arm um Luka legte was sein Gesicht prompt glühen ließ.
Doch wenn Luka etwas spürte dann war es wenn Menschen etwas auf der Seele hatten.
„Also, was ist los Colin? Ich hab das Gefühl du hast grad ein Problem das du versuchst zu überwältigen."

Ethan und Colin warfen sich einen Blick zu. Ethan nickte. Dann holte Colin tief Luft.
„Also,..."

Im Kreis der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt