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•Wincent•

Wir hatten heute ein etwas ausserordentliches Konzert. Denn es war nicht abends, sondern mitten im Nachmittag. Wir spielten für die Kindernothilfe und da konnten ein paar wenige Fans Karte dafür gewinnen. Wieder entfloh ich für wenige Stunden meinem Gefängnis. Ich konnte meinen Kopf ausschalten und einfach das machen was ich liebte. Allem entfliehen was mich beschäftigte und was mir meine komplette Energie entzog. Aber leider war das alles schon vorbei und ich war frisch geduscht im Bus. Ich hatte mich zurückgezogen und in meinem Schlafzimmer verschanzt. Die Tür war zu, also würde hier niemand reinkommen, ausser vielleicht Amelie. Aber bei ihr war es irgendwie okei. Sie war die Einzige, die mich ab und an aus diesem unendlich scheinenden Loch herausholen konnte. Sie war auch die Einzige, die mich zum Reden brachte, auch wenn es sehr selten war. Ich liess mich erschöpft ins Bett fallen, schlüpfte unter die Bettdecke und zog sie mir über den Kopf. Ich wollte Ruhe und ich wollte allein sein, auch wenn ich eigentlich wusste, dass das mit dem allein sein irgendwie nicht so richtig funktionierte. Ich presste meine Augen zusammen und versuchte einfach zu schlafen. Ich zwang mich regelrecht dazu, aber in meinem Kopf war es zu laut. Zu viele Gedanken eine zu laute innere Stimme die mich davon abhielt abzuschalten. 'Du darfst keine Pause machen. Du musst am Ball bleiben. Wie es dir geht, interessiert keinen. Hör nicht auf, mach weiter...' Ich drehte mich auf den Rücken und zog mir die Decke vom Gesicht. Meine Hände presste ich auf meine Ohren und kniff meine Augen zusammen. «Sei still! Sei endlich still!» murmelte ich und wollte einfach nur noch, dass es ruhig wurde in meinem Kopf.

Es funktionierte nur halb so gut, aber irgendwann war ich tatsächlich eingeschlafen. Obwohl der Schlaf wie immer unruhig war, konnte ich so ein paar Stunden von diesem Tag hinter mich bringen, ohne wirklich aktiv gewesen zu sein. Wenn ich dann mal Schlaf hatte, war dieser so erlösend für mich. Denn im Schlaf spürte ich nichts, keine Traurigkeit, keine Einsamkeit und keine Schmerzen. Einfach Nichts. Und das war einfach nur das Beste für mich. Nichts fühlen... Ich hörte dann irgendwann im Unterbewusstsein ein leises Klopfen an meine Schlafzimmertür. Aber wie jedes Mal reagierte ich nicht. Entweder würde die Person weggehen und mich in ruhe lassen, oder es war Amelie und sie würde jeden Moment neben meinem Bett stehen. Es klopfte nochmal und wieder reagierte ich nicht. Ich hörte dann wie die Tür geöffnet wurde und zog erneut die Decke über meinen Kopf. «Wincent?» hörte ich die vertraute Stimme von Amelie. «Wincent...» sagte sie leise und kam zum Bett. Ich lag auf der Seite, den Rücken zur Tür gedreht und tat so als würde ich immer noch schlafen. «Hey...» sagte sie und kurz danach spürte ich eine sanfte Berührung, durch die Decke an meinem Arm. Ich konnte sie dann nicht länger ignorieren und bewegte mich etwas. Sie zog langsam die Decke etwas runter und ich drehte mich langsam zu ihr. «Wir wollen nochmal alle Essen gehen und dann in ne Bar, bevor wir morgen für 2 Tage frei haben und alle heimfahren.» sagte Amelie und sah mich an.

«Ich hab keinen Hunger.» sagte ich leise und versuchte Amelies Blick standzuhalten. Doch natürlich funktionierte es nicht. «Ach komm schon Wincent.» sagte Amelie und setzte sich auf die Bettkante und sah mich an. «Geht alleine. Ist schon okei so.» sagte ich und drehte mich wieder weg. «Ohne dich ist es nicht das Gleiche!» sagte sie und liess einfach nicht locker. «Amelie ich bin müde und ich habe einfach keinen Hunger.» sagte ich und sah sie erneut an. «Aber...» begann meine Tour Managerin. «Kein Aber. Du weisst genau, dass ich nirgends mehr hinkann, ohne früher oder später entdeckt zu werden und dann von allen Seiten belagert oder beobachtet zu werden.» sagte ich und starrte sie an. Amelie seufzte und liess ihren Kopf etwas hängen. «Wincent du fehlst mir. Du fehlst mir als Freund. Ich mach mir echt Sorgen und...» redete die Rothaarige. «Stopp. Hör auf... Bitte hör auf...» sagte ich leise und schloss meine Augen. Amelie schwieg sofort und sah mich einfach nur an. «Ich kann nicht...» murmelte ich leise. Amelie seufzte und sah zu Boden. «Dann fahr morgen zu Chrissy. Das wird dich ablenken.» meinte Amelie und strich mir über den Arm. «Kann ich nicht.» sagte ich leise. «Warum nicht?» hakte Amelie nach. «Weil da nichts mehr ist, Amelie.» antwortete ich und sah meine Tour Managerin an. «Wieso? Du warst doch so happy?!» sagte sie dann und sah mich ungläubig an. «Es geht einfach nicht. Ich hab keine Zeit. Ich hab keine Lust auf unnötige Konflikte und Streitereien.» sagte ich wieder und setzte mich auf. «Ah ja und deswegen lässt du sie fallen und brichst den Kontakt ab. Ist ja nichts Neues!» sagte Amelie genervt und stand auf. «Du machst dir ständig alles selbst kaputt Wincent! Denk das nächste Mal erst nach und frag dich, ob du überhaupt bereit bist für ein Leben zu zweit!» knallte mir Amelie an den Kopf und verliess mein Zimmer.

Ich sass auf meinem Bett und starrte Amelie hinterher. Das tat ganz schön weh, was sie mir da sagte. Aber ich wusste doch selbst, dass sie recht hatte damit, was sie mir da gerade gesagt hatte. Aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Ich stand auf, schlug mit der Faust auf den Lichtschalter und legte mich wieder ins Bett. «Ihr könnt mich alle mal.» murmelte ich und zog die Decke wieder über meinen Kopf. «Alle meinen alles über mich zu wissen. Dabei wisst ihr gar nichts!!!» führte ich ein Selbstgespräch und kniff erneut meine Augen zusammen. «Lass mich doch einfach in Ruhe.» flüsterte ich und wartete wieder auf den Schlaf. Natürlich dauerte es wieder eine halbe Ewigkeit und ich hörte wie alle an meinem Zimmer vorbei gingen, sich freuten auf den gemeinsamen Abend und gelöst lachten. Ich versuchte das alles zu ignorieren, wollte nichts hören. Ich wollte nicht fühlen, mir nicht eingestehen wie sehr ich die Zeit und Ablenkung mit und von meinem Freunden brauchte. Ich wollte einfach nur wieder in meine Welt abdriften in der ich einfach nichts fühlte, nicht denken konnte sondern einfach schlafen konnte. Ich wollte einfach weit weg sein...

All die Dinge die mich quälenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt