•Wincent•
Ich war zu kraftlos, um mich gegen Amelie und Hütte durchzusetzen. Also liess ich mich von Amelie zu meiner Mum bringen. Schockiert sah sie mich an, als wir auf die Einfahrt fuhren und sie bereits in der offenen Tür stand. Amelie hatte sie vorgewarnt und ihr gesagt, dass sie mich nach Hause bringen würde. Der Blick meiner Mutter brannte sich in meinen Kopf und ich senkte sofort den Kopf. Ich hielt es nicht aus, wie sie mich ansah und am liebsten wäre ich weggerannt. Aber dafür war ich zu schwach. «Wincent was ist passiert.» fragte sie mich als ich vor ihr stehen blieb. «Ich bin einfach nur müde.» sagte ich leise, schob mich an ihr vorbei und schleppte mich die Stufen hoch ins Zimmer. Mir war bewusst, dass Amelie meiner Mum nun alles erzählen würde. Wie scheisse es mir schon seit Monaten ging und wie sie mich heute vorgefunden hatte. Mein Kopf hatte schon lange aufgehört zu denken, also lag ich einfach im Bett und starrte vor mich her ins Nichts. Ich schlief dann irgendwann ein und kriegte nicht mehr mit, wie Amelie nochmal kurz ins Zimmer kam und dann wieder nach Hause fuhr. Auch meine Mum sah immer wieder nach mir, aber auch das kriegte ich nicht mehr mit. Ich schlief tief und fest und dass bis zum nächsten Morgen.
«Guten Morgen.» sagte ich dann leise, als ich am anderen Morgen in die Küche kam. «Guten Morgen Wincent.» sagte meine Mum und stand sofort auf. «Musst du nicht arbeiten?» fragte ich sie, als sie auf mich zu kam. Sie gab mir keine Antwort auf die Frage, sondern zog mich einfach in ihre Arme und hielt mich fest. Ich konnte nichts dagegen tun, aber sofort liess ich mich in diese Umarmung fallen und versuchte so viel Kraft daraus zu schöpfen, wie ich nur konnte. Mein Herz wurde schwer und ich schloss meine Augen und hielt mich einfach an meiner Mama fest. Mir war klar, dass sie mich am liebsten mit Fragen durchlöchert hätte, aber sie liess mir Zeit. Sie liess mir Zeit, um anzukommen, mich etwas zu erholen und wieder zu Kräften zu kommen.
Nach ein paar Tagen bei meiner Mum und meiner Schwester, ging es mir dann deutlich besser und ich hatte auch wieder angefangen zu Essen. Mir blieb auch nichts anderes übrig. War meine Mum nicht da, die genau kontrollierte ob ich was gegessen und getrunken hatte, tat es meine Schwester. Ich wusste, dass ich den beiden und auch Amelie einen Riesenschrecken eingejagt hatte, und das tat mir auch wahnsinnig leid. Aber ich war so sehr in mir gefangen, ich konnte einfach nichts mehr tun.
Dann nach ein paar Tagen, kam der Moment, auf den ich irgendwie gewartet hatte. Mir war klar, dass meine Mum nicht nur einfach schweigend zusehen würde. Eines Morgens kam ich die Stufen runter und ging in die Küche. Ich machte mir einen Kaffee und als ich mich umdrehte, stand meine Mum vor mir und bat mich um ein Gespräch. Ich wehrte mich nicht dagegen. Ich wusste, es war nun an der Zeit zu reden. Dennoch suchte ich immer nach Ausreden und merkte wie brenzlig meine Situation wurde. Denn meine Mum fragte und fragte und irgendwann schwieg ich einfach nur noch. Ich wusste nicht mehr was ich sagen sollte und sass mit gesenktem Kopf und einem Kloss im Hals am Tisch. «Ich erkenne dich nicht wieder, du veränderst dich in eine schlechte Richtung...» hörte ich die Worte meiner Mutter. Ich schloss meine Augen und schluckte schwer, viele hatten mir das schon gesagt, aber diese Worte nun von meiner Mum zu hören, war schon hart. Ich konnte nichts dazu sagen, ich sass einfach da und blickte auf die Tischplatte. Ich konnte meine Mutter nicht ansehen, zu gross war die Angst in sorgenvolle Augen zusehen. Und ich wusste, dass sie mich so ansah, es war unüberhörbar. «Ich werd nun doch noch etwas arbeiten.» sagte sie dann, stand auf und strich mir über den Arm. Ich nickte nur leicht und blieb noch einen Moment am Tisch sitzen und versuchte dieses Gespräch irgendwie zu verarbeiten. „Ich will doch nur, dass es wird, wie es mal war." sagte ich dann leise zu mir selbst.
~November 2020~
Mittlerweile waren wieder ein paar Monate ins Land gezogen und ich konnte mit Stolz sagen, dass es mit mir wieder Bergauf ging. Nach dem Gespräch mit meiner Mutter, als sie mir sagte, dass sie mich nicht wieder erkennt, hatte ich nach ein paar Tagen beschlossen zur Therapie zu gehen. Das erste Mal seit Jahren hatte ich, mehr oder weniger Dank Corona Zeit, um über mich und mein Leben nachzudenken. Vieles brach und bricht immer noch über mir zusammen, viele Dinge werden mir klar. Dinge die ich durch meinen Tunnelblick verbockt hatte. Ich habe bemerkt, dass es nicht immer darum geht: schneller, weiter, höher. Ich musste lernen auf mich zu hören und vor allem musste ich lernen auch mal Nein zu sagen. Gerade wurden wir hart dazu gezwungen eine Pause zu machen. Uns blieb nichts anderes übrig, als zu Hause zu bleiben und abzuwarten bis sich die ganze Situation mit diesem scheiss Virus wieder bessern würde. Aber ich nutzte diese Zeit. Ich ging regelmässig zur Therapie, begann wieder zu trainieren und schrieb Songs. Auch das Schreiben war für mich wie eine Art Therapie, so konnte ich neben den Sitzungen, die ich hatte, einfach alles von meiner Seele schreiben. Ich war zwar erst am Anfang und mir war klar, dass ich auch noch ein Stück harte Arbeit vor mir hatte, aber ich spürte, wie es mir langsam aber sicher besser ging. Egal wie lange diese Zwangspause dauern wird, ich würde diese Zeit nutzen, um an mir zu arbeiten damit ich irgendwann stärker und vor allem stolzer wieder hervortreten konnte. Und ich hatte mir vorgenommen, die Leute auf das Thema Depression aufmerksam zu machen. Das sollte kein Tabuthema mehr sein, es ist nicht schwach sich helfen zu lassen. Und das würde ich ab sofort auch so in die Welt hinaustragen. Irgendwann werden wir hoffentlich wieder Konzerte spielen können und da werde ich meinen Fans Mut machen und ihnen sagen, dass es nicht schwach war, sich Hilfe zu holen und zu reden. Denn für mich war es die beste Entscheidung und ich merkte wie ich langsam aber sicher aus meinem Tief herauskam...
ENDE
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All die Dinge die mich quälen
Fanfiction⚠️⚠️: Diese Kurzgeschichte behandelt die beiden Songs „Wie es mal war" und „Was habt ihr gedacht". Mit dieser Story will ich niemanden angreifen oder gar schlecht darstellen. Ich konnte diese Idee einfach nicht mehr vergessen und das Ganze liess mic...