Kapitel 31

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„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Lady Mary." Ich blinzelte. Sonnenstrahlen tauchten das Zimmer in goldenes Licht, viel zu hell für meine Augen. Prompt klappte ich meine Augen wieder zu und drehte mich auf die Seite, wobei ich die Bettdecke hochzog.

In der nächsten Sekunde saß ich aufrecht in meinem Bett. „Geburtstag! Heute ist mein Geburtstag." Das Gelächter meiner Zofen umhüllte mich wie eine warme Decke, küsste mich wach wie normalerweise es der Gesang meiner Familie tat.

Kaum hatte ich mich aus dem Bett aufgerappelt, half mir Emma in ein seidenweiches Kleid, welches das Blau des Himmels eingefangen hatte. Die Ärmel streiften meine Schultern wie ein Luftkuss, hingegen der Rock in mehrere Lagen bis zu meinen Knien fiel. Emma band ein silbernes Band um meine Hüften, dass sie an meinem Rücken zu einer Schleife band.

...

Bei dem Betreten des Speisesaals begrüßte mich nicht wie sonst das Murmeln der anwesenden Erwählten, stattdessen wurde die Stille nur von dem Zwitschern der Vögel durchbrochen.
Mit dem Blick in die Richtung der Hoheiten sank ich in einen tiefen Knicks. Was hatte ich jetzt schon wieder falsch gemacht?

Ein lautes Quieken ließ mich aufblicken. Gerade noch rechtzeitig, sodass Sophie nicht mit Schwung gegen meinen Kopf rannte, als sie sich mit Schwung in meine Arme warf. Bei dem Versuch Gleichgewicht zu wahren taumelte ich zwei Schritte nach hinten. Dabei krähte die Kleine „Alles Gute, Mary" in mein Ohr.

Kaum hatten wir unsere Umarmung gelöst, schnappte sich Sophie meine Hand und zog mich tiefer in den Saal. Mein Blick fiel auf die zahlreichen Stoffbahnen, die von den Wänden hingen. Die einfallreichsten Wünsche wie „Alles Gute, Lady Mary" wurden nur von der Kreativität des „Uns sind die Sprüche ausgegangen, denk dir hier einfach was Süßes hin" übertroffen.

Henry erhob sich von seinem Platz an der königlichen Tafel und kam auf mich zu. Vor den Augen aller Anwesenden zog er mich in eine Umarmung. Der Geruch von Leder und Rosen umfüllte mich, als er sich näher zu mir lehnte. „Alles Gute zum Geburtstag." Sein warmer Atem kitzelte mein Ohr.

Bevor ich den Mund zu einer Antwort öffnen konnte, ließ er seine Arme bereits sinken.
Ich trat einen Schritt zurück und strich mit den Händen über den Stoff meines Kleides. Dabei nutzte ich die wenigen Sekunden, um meine Gedanken zu sortieren. „War das alles deine Idee?", fragte ich mit einem Kopfnicken in die Richtung der beschriebenen Stoffgirlanden.

„Sophie hat angekündigt sie würde heute mit dir frühstücken und wollte zuvor den Saal dekorieren." Das klang ganz nach dem kleinen Mädchen, dass sich während der Prüfung in den Garten geschlichen hatte, um ausgerechnet dann das Labyrinth zu erkunden. Vorschriften und die Regeln der Etikette schienen sie nicht zu interessieren, sondern waren lediglich Vorschläge, die es zu umgehen galt.
Henry riss mich mit einem kleinen Räuspern aus meinen Gedankengängen. „Für gewöhnlich bekommt jede Erwählte bei ihrem Geburtstag ein kleines Geschenk. Unglücklicherweise ist es noch nicht eingetroffen, aber ich hoffe es dir spätestens morgen zu präsentieren."

Ich verengte meine Augen zu kleine Schlitzen. „Du hast aber jetzt nicht vor, mir Abendstern wegzunehmen und ihn in Geschenkpapier eingepackt aufs Zimmer zu schicken?", versicherte ich mich.
Als er lachend den Kopf schüttelte, atmete ich auf und fasste mir ans Herz. „Gut. Aber es gibt wirklich nichts, was du mir schenken musst."
Davon abgesehen gab es nichts was mir hier noch fehlte. Sogar Sophie durfte heute bei mir sein - was mehr konnte ich mir also wünschen? Außer vielleicht eine weitere Geschenkbox meiner Familie voller Briefe.

„Es gibt aber sehr wohl etwas, das ich dir gerne schenken würde. Aber um den vierten Weltkrieg zu verhindern, werde ich dich für das Frühstück nun deinen Freundinnen überlassen", raunte mir Henry zu.

The Selection - Die ErwählteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt