„Ah Scheiße!" Mein Ausruf hallt von den umstehenden Bäumen wider, wird aber gleich von seinem Lachen überdeckt. „Du ziehlst nicht gescheit", grinst er.
„Aber ich habs doch versucht!", jammere ich und lasse mich auf den Rasen fallen. Wir sind jetzt schon eine Weile hier auf dem Sportplatz und üben Torschüsse, einfach weil ich in dem Bereich grottig bin.
Es sind Ferien und er hat mich heute morgen gefragt, ob ich Lust hätte, mit ihm auf den Sportplatz zu gehen. Natürlich habe ich ja gesagt.
Der Sportplatz unseres Dorfes ist schön. Er liegt versteckt in einem kleinen Wäldchen, sodass er abgeschirmt ist und man nicht so beobachtet ist. Was mir ganz recht ist.
Und so sind wir jetzt seit mehreren Stunden hier, schießen uns gegenseitig Bälle aufs Tor und versuchen - in meinem Fall - auch mal einen zu versenken.
Er ist viel besser im Fußball als ich. Er ist generell im Sport besser als ich, dass muss ich einfach zugeben.
Unser kleines Training läuft schon die ganze Zeit gleich ab. Er schießt, ich stehe im Tor und er trifft. Dann tauschen wir, ich schieße, er geht ins Tor und er hält meinen Schuss. Und immer so weiter.
Ein paar Mal habe ich auch getroffen. Ich denke, dass er die Bälle mit Absicht nicht gefangen hat. Sonst hätte ich noch null Tore auf meinem Konto.Er setzt sich neben mich ins Gras und stößt mich mit dem Fuß an. Sein Grinsen ist ansteckend und ich muss mitlachen. Trotzdem ärgere ich mich weiter über meine kaum vorhandenen Fußballkünste.
„Maaaan, wieso schaffe ich das nicht?" Er lacht wieder. „Du machst das doch gut. Ich versteh nicht, wo dein Problem ist."
Ich seufze wieder, diesmal genervt. „Jaja, du hast leicht reden. Du spielst Fußball und bist bestimmt auch noch super darin."
Mein Gegrummel amüsiert ihn, gleichzeitig jedoch horcht er auf. „War das etwa gerade ein Lob? Von dir? Ich fühle mich geehrt!"
Ich verdrehe die Augen. „Es war kein Lob", murre ich, „Es war eine Feststellung."
Er lacht nur und ich muss gegen meinen Willen ebenfalls schmunzeln.Da baut er sich vor mir auf. „Ich hab eine Idee", verkündet er. Oh oh. Kein gutes Zeichen. „Wir machen jetzt eine Übung im Ballabnehmen. Du hast den Ball und ich muss versuchen, ihn dir irgendwie abnehmen, während du versuchst, das Tor zu treffen."
Ich stöhne auf. Schon wieder. „Aber das ist doch sinnlos! Du hast den Ball in zwei Sekunden! Das können wir gleich seinlassen!"
Gespielt streng sieht er mich an. „Das ist die falsche Einstellung! Lass es uns doch mal probieren. Ich pass auch auf und trete dir nicht auf die Füße."
Ich strecke ihm die Zunge raus. Eigentlich habe ich wenig Hoffnung, dass ich das schaffe, aber dennoch schnappe ich mir einen Ball und beginne, ihm hin und her zu kicken. „Na guuut, dann versuch ichs eben."
Er hebt grinsend die Brauen und kommt auf mich zu. Oh oh. Mehr instinktiv als beabsichtigt mache ich einen Schritt zur Seite und behalte den Ball dicht neben meinem Fuß. Das wird lustig.
Er folgt meiner Bewegung und verlagert sein Gewicht auf den rechten Fuß. Sein ganzer Körper ist in meine Richtung gedreht und mir zugewendet, obwohl er den Ball an meinen Füßen anfixiert.
Pah. Ich will es ihm nun doch zeigen. Auch, wenn es wahrscheinlich hoffnungslos ist. Vielleicht hat er ja Recht, und in mir schlummern versteckte Fußballerkräfte. Wäre ja schon irgendwie cool. Vor allem wäre er überrascht.
Ich bringe mich vor dem schwarz-roten Bundesliga Ball in Position, schüttele meine Füße aus und gebe vor, angestrengt zu zielen. In Wahrheit werde ich eh nur in irgendeine Ecke schießen, wenn ich überhaupt in das Tor treffe.
Er grinst, man sieht ihm an, dass er sicher ist, dass er diesen Ball halten wird. Was ja auch durchaus möglich ist, wenn ich es mir recht überlege. Er macht einen Schritt auf mich zu, aber ich schaffe es, ihm auszuweichen. Es ist zwar knapp, aber der Ball ist immer noch in meinem,
Ich schließe kurz meine Augen, konzentriere mich - soweit es mir möglich ist - und schieße. Ich lege so viel Kraft in den Schuss wie ich habe, ich will ihn beeindrucken.
Entgegen all meiner Erwartungen - und seinem verblüfften Gesichtsausdruck auch nach seiner - trifft der Ball in das Tor. Er greift noch danach, erwischt ihn mit den Fingerspitzen, doch mein Ball flutscht durch seine Finger hindurch und trifft direkt in die linke obere Ecke.
Ich bin so überrascht, dass ich erstmal gar nicht reagiere. Als es langsam zu mir durchsickert, dass ich da gerade getroffen habe, fange ich an zu jubeln. „Ohaaaa ich hab getroffen! Ich hab ernsthaft getroffen! Als ob...!"
Ein ungläubiges Lachen steht in seinem Gesicht. Er sieht genauso verwundert aus wie ich, was mich vermuten lässt, dass er den Ball nicht - wie die anderen davor - einfach ins Tor gelassen hat. Das freut mich fast noch mehr. Ich habe ehrlich ganz alleine getroffen!
„Ja, du hast getroffen!", meint er, immer noch grinsend, „Glückwunsch! Ich muss ehrlich sagen, ich habe es nicht erwartet." Bei den letzten Worten grinste er verschmitzt. Ich tat kurz beleidigt, gab es aber schnell wieder auf, da er mich sowieso durchschaut.
Aus einem spontanen Gefühl heraus laufe ich auf ihn zu und gab ihm ein High Five. Er schlägt auch zu, mit erheblich mehr Schwung als ich. Seine Hand ist warm und deutlich größer als meine.
Von der Wucht seines Handschlags überrumpelt verliere ich mein Gleichgewicht. Ich drehe mich einmal in einem perfekten 360° Kreis um mich selbst, finde mein Gleichgewicht immer noch nicht und strauchele.
Ich falle nach vorne, direkt auf ihn zu. Wie aus Reflex strecke ich meine Arme nach vorne, um mich bei einem eventuellen Sturz direkt abfangen zu können. Meine Hände landeten auf seiner Brust. Ich habe so viel Schwung, wie er zuvor, dass ich ihn nach hinten schubse.
Beide fallen wir hin, landen übereinander auf dem Boden. Ich finde mich auf seinem Oberkörper wieder. Oh shit. Erschrocken erstarre ich. Es dauert eine ganze Weile, bis ich mich traue, langsam an seinem Hals hoch zu seinem Gesicht zu schauen. Sein Gewichtsausdruck ist verwirrt, aber seine Augen funkeln schelmisch.
„Ähhhhh", bringe ich heraus, komplett überfordert mit der ganzen Situation. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich die Hautfarbe in meinem Gesicht spontan mal eben zu zartrot gewechselt hat.
Ich will mich schon aufsetzen, als er sich vorbeugt. Sein Gesicht kommt meinem langsam immer näher. Seine Mimik ist jetzt gar nicht mehr verwirrt. Im Gegenteil, er sieht sehr entschlossen aus. Er ist sich komplett bewusst, was er da tut, jedenfalls hat es den Anschein.
Er lehnt sich noch weiter vor, bis unsere Nasen sich fast berühren. Ein wenig fragend schaut er mich an, aber ich bin nicht fähig, irgendwas zu sagen. So nah war er noch nie.
Er überbrückt sie kurze Distanz zwischen uns, beugt sich vor, dreht leicht den Kopf und... küsst mich. Direkt auf den Mund.
Mein Herz bleibt stehen. Meine Gedanken rasen, gleichzeitig scheinen sie eingefroren zu sein. Ich bin nicht fähig, irgendwas zu tun, zu denken, zu fühlen außer ihm. Seine Lippen sind warm und weich. Er küsst gut, keine Frage. Er drängt mich auch zu nichts, was ich gut so finde.
Ich habe keine Ahnung, wie lange das so geht. Vielleicht eine Ewigkeit. Vielleicht ein paar Sekunden. Aber es ist mir egal. Ich genieße es. Es ist meine kleine Ewigkeit.
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Schmetterlingsflügel || Oneshots
Randomପଓ࿚ ପଓ࿚ ପଓ࿚ 𝒕𝒉𝒂𝒏𝒌 𝒚𝒐𝒖 𝒇𝒐𝒓 𝒓𝒆𝒎𝒊𝒏𝒅𝒊𝒈 𝒎𝒆 𝒘𝒉𝒂𝒕 𝓫𝓾𝓽𝓽𝓮𝓻𝓯𝓵𝓲𝓮𝓼 𝒇𝒆𝒆𝒍 𝒍𝒊𝒌𝒆 ➳Oneshots & Kurzgeschichten ➳Hope you enjoy it ^^ [Updates jeden Freitag]