You know I can hear you, right? pt.1

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Ich trete durch das Tor und laufe auf den Sportplatz. Der Rasen leuchtet mir entgegen, so satt ist sein Grün. Der Greenkeeper hier muss wohl einen guten Job machen.

Ich soll meinen kleinen Bruder abholen, der sich hier mit ein paar Freunden zum Spielen getroffen hat. Schon von Weitem erkenne ich seinen neonfarbenen Rucksack, der am Spielfeldrand liegt. Er ist also noch da.

Auch meinen Bruder erkenne ich sofort. Er steht im Tor, hat mir den Rücken zugedreht, ist ganz fixiert auf den anderen Jungen, der sich auf dem Elfmeterpunkt den Ball zurechtlegt.

Um ihn herum erkenne ich die Kumpel meines Bruders. Seine Mitschüler, engere Freunde und einfach nur bekannte.

Es sind auch ältere Jungs dabei. Ich kenne sie, sie sind ungefähr so alt wie ich, ein, zwei Jahre älter vielleicht. Und alle spielen sie zusammen, als wäre es egal, wie alt sie sind.

Für sie ist es egal. Für sie ist es unwichtig. Sie wollen einfach nur kicken, egal mit wem.
Irgendwie bewundere ich das.

Mein Blick schweift wieder zu dem Jungen an Ball. Er gehört zu den Älteren, ich schätze ihn ein Jahr älter als mich.
Im Gegensatz zu den anderen kenne ich ihn nicht. Er muss wohl neu sein.

Er nimmt Anlauf, dann schießt er. Vollspann, direkt ins rechte obere Eck. Der Ball donnert knapp unter die Latte und knallt gegen das Netz. Keine Chance für meinen Bruder - oder irgendeinen anderen Torwart -, den zu halten.

Der Fremde reißt die Arme in die Luft und jubelt. Ich muss zugeben, der Schuss war echt gut.
Er dreht sich im Kreis und erntet von den anderen Jungs Applaus.

In seiner Runde dreht er sich auch zu mir. Ich stehe immer noch am Eingang, gegen das Tor gelehnt. Mein Kopf ist schief gelegt und ich schaue zu ihm herüber. Natürlich, immerhin hat er gerade geschossen.

Unsere Blicke kreuzen sich. Er grinst, ich schaue neugierig. Ich kenne ihn nicht. Er ist neu, misteriös, und das macht ihn interessant.

Da dreht er sich wieder weg, rennt zu seinen Jungs.
Ich setzte mich in Bewegung und laufe auf den Rucksack meines Bruders zu.

Der schickte gerade den Ball mit einem langen Abschlag in die andere Feldhälfte. Sofort rannte ein anderer Typ los, um ihn sich zu holen.

„He! Brudi!", rief ich über den Platz zum Tor. Mein kleiner Bruder drehte sich um und kam ein paar Schritte auf mich zu. „Was ist?", schrie er über den zurück.

Sofort drehen sich ein paar Köpfe zu uns um. Es kommt nicht häufig vor, dass ein Mädchen auf dem Sportplatz ist. Also ein Mädchen, das nicht zu der Jungsclique gehörte.

„Ich soll dich abholen, bei Oma gibt's Essen!" Ich sehe, wie er die Augen verdreht.
Vor seinen Jungs ist es ihm wohl ein bisschen peinlich, von seiner großen Schwester abgeholt und nach Hause beordert zu werden.
Aber tja, wenn er sein Handy aushat, kann man ja nichts machen.

Ein paar Sekunden lang überlegt er, dann brüllt er: „Fünf Minuten noch!"
Jetzt bin ich dran, die Augen zu verdrehen.
„Ja gut, okay, aber nur 5 Minuten!"

Er grinst mich an, dann rennt er wieder auf seinen Posten ins Tor. Die anderen Jungs bringen sich in Stellung, dann spielen sie ein fünf-gegen-fünf Match.

Die Mannschaft meines Bruders gewinnt. Mit ihm spielen zwei seiner Freunde und zwei der Älteren. Auch der unbekannte Typ.

Als mein Bruder zu mir kommt, grinst er über das ganze Gesicht. Verständlich, er hat grad gewonnen. Ich halte ihm die Hand hin und wir schlagen ein.

„Super gehalten!", lobe ich ihn. Ganz zufällig trifft mein Blick wieder den Neuen. „Wer genau hat jetzt alles mit dir gespielt?"

Er zählt mir die Namen auf, unter ihnen einer, den ich nicht zuordnen kann. Das muss wohl der neue sein.

Ich werfe wieder einen Blick zu ihm herüber - den mein Bruder zum Glück nicht bemerkt - und bemerke überrascht, dass er auch in meine Richtung schaut. Mit ihm seine Freunde, die um ihn herumstehen. Seltsam.

Schnell schaue ich weg. Ich drehe ihnen den Rücken zu und gehe los, um den Rucksack meines Bruders zu holen.

Wie zufällig läuft eine gewisse Jungsclique auch in Richtung Trinkflaschen, Fahrräder und Rucksäcke. Och nee.

Ich bücke mich, um die Tasche aufzuheben, wegen der ich hergekommen bin. Nur ein paar Meter weiter stehen sie, leicht zu mir gedregt. Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie der neue unauffällig - nicht unauffällig genug - auf mich zeigt. Ich höre, wie sein neuer Kumpel aus meinem Dorf ihm antwortet.

Seine Stimme wird vom Wind zu mir herüber getragen. „Her? She's the keeper's big sister. She's from here, I know her from school." Dann sage er ihm meinen Namen.

Der Neue, der, wie ich mir ausrechnen kann, einer der neu aufgenommenen Flüchtlinge sein musse, starrt immer noch neugierig in meine Richtung. Ich drehe leicht den Kopf und zerre umständlich am Rucksack herum.

„She's... pretty... A-and she looks nice", fügt er hinzu, als sein Freund ihn in die Seite stößt.

„You think? Yes, you're right I guess. I don't know her that well, but I think she's one grade below us. I heard that she's a little nerd."

Okay. Das ist zu viel. So eine Frechheit werde ich mir ausgerechnet von ihm ganz bestimmt nicht bieten lassen.

„You know I can hear you, right?". Ich ziehe die Brauen hoch und sehe sie amüsiert an. Dann schnappe ich mir den Rucksack, meinen Bruder und verlasse den Platz.

Ein Mal schaue ich noch über meine Schulter. Die beiden Jungs tuscheln und sehen mir nach. Das kann lustig werden.

Schmetterlingsflügel || OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt