Kapitel 3

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1 Woche war nun vergangen, seit der Wahl, seit dieser Nacht mit ihm, die sie nicht mehr aus dem Kopf bekam. Sie hatten noch lange gesprochen an dem Morgen danach, doch eigentlich hatte sie genau das nicht gewollt. Sie wollte das ganze nicht größer machen, als es war, der Situation nicht mehr Raum geben als nötig. Dann hatten sie halt miteinander geschlafen. Ja und? Deshalb würde die Welt nicht aus den Fugen geraten und deshalb würde sich rein gar nicht zwischen ihnen ändern. Genau das versuchte sie sich immer wieder einzureden. Sie versuchte sich selbst davon zu überzeugen, dass es normal war, dass sie immer wieder an ihn denken musste, dass es normal war, dass sich die Bilder dieser Nacht regelmäßig vor ihrem inneren Auge auftaten, besonders dann, wenn sie mal eine ruhige Minute hatte und ihre Gedanken sich nicht ausschließlich um Spitzenpolitik drehten.

Bereits vor ein paar Tagen hatten sie gemeinsam mit der FDP die ersten Sondierungsgespräche geführt. So auch heute. Sie saß auf dem Rücksitz eines dunklen Wagens, den sie bereits beim Einsteigen als viel zu protzig empfunden hatte. Sie und Robert reisten an diesem Morgen getrennt voneinander an, worüber sie insgeheim ein wenig froh war, schließlich würde sie bereits den gesamten Tag in seiner Nähe und den damit verbundenen Gedanken verbringen, von denen sie niemandem erzählen konnte. Als sie vor dem eindrucksvollen Verhandlungsgebäude vorfuhren, war sie gerade dabei ihren Jahresplaner mit dem braunen Ledermantel zuzuklappen und in ihrer Tasche zu verstauen. Bereits durch die getönten Scheiben des Autos konnte sie sehen, wie sich Journalisten und Fotografen vorm Eingang des Gebäudes platziert hatten, um vielleicht doch noch etwas herauszufinden, was sonst niemand wusste. Etwas, aus dem man die nächste große Story konstruieren konnte. Sie seufzte leise. Sie hatte sich inzwischen selbst eingestanden, dass die ganze Kritik an ihrer Person, nicht nur von Privatpersonen, sondern auch von ausgewählten, oft konservativ ausgerichteten Medien, sich tiefer in ihr eingenistet hatte als anfangs geglaubt. Sie war inzwischen vorsichtiger, wachsamer, gleichzeitig aber auch umso kämpferischer. Mit diesem Gedanken öffnete sie schwungvoll die Autotür und gab sich zu erkennen. Sie erfuhr schnell, dass Robert bereits im Inneren des Gebäudes war und machte sich mit sicheren Schritten ebenfalls auf den Weg ins Warme.

Es war bereits dunkel draußen, als sie das Gebäude viele Stunden später wieder verließ. Robert lief stumm neben ihr her. Sie hatte sich irgendwie dazu überreden lassen, beim Italiener, um die Ecke, noch eine Kleinigkeit zu essen. Zugegebenermaßen hatte sie ganz schön Kohldampf und der Gedanke an eine gut belegte Pizza und ein Glas Wein ließen ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wahrscheinlich hatte sie auch genau deshalb nicht nein sagen können. „Laufen wir das Stück? Sind ja nur ein paar Meter." Fragte er schließlich, als sie das Verhandlungsgebäude weit genug hinter sich gelassen hatten. „Ja, von mir aus." Stimmte sie nickend zu und knöpfte beim Gehen ihren Mantel bis oben hin zu, um sich ein wenig vor der windigen Kälte zu schützen.

Im Restaurant war es zum Glück ruhig und sie fanden schnell einen einsamen Tisch, in einer Ecke am Fenster, wo sie hoffentlich niemandem auffallen würden. Sie ließen die Zeit verstreichen, bestellten eine Flasche Rotwein und zwei Wagenrad große Pizzen, von denen sie sich die Hälfte später wahrscheinlich einpacken lassen müssten. Sie war gerade dabei sich den letzten Löffel Tiramisu in den Mund zu schieben, als er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und sie stumm ansah. Sein Blick ließ sie unhörbar schlucken und sie stellte ihren Löffel hochkant in das leergegessene Dessertglas und räusperte sich kaum hörbar. „Schau mich nicht so an." Murmelte sie, fest entschlossen sich davon nicht beeindrucken zu lassen. „Wie denn?" Sie kämpfte innerlich, wollte den Blickkontakt zu ihm mehr als alles andere abbrechen, doch es gelang ihr nicht. Er hatte sie innerhalb kürzester Zeit wieder mal in seinen Bann gezogen, den niemand wirklich greifen konnte, selbst die Presse nicht. Sein Auftreten, seine Eloquenz, sein Wissen. Sobald er einen Raum betrat, hatte er auf alles eine Antwort und genau das strahlte er auch aus. Was sie darüber hinaus vollkommen wahnsinnig machte war, dass ihn das alles Kalt zu lassen schien, dass er cool blieb und sie ihm nichts anmerkte, während ihr eigenes Herz raste. 

Ich hoffe es gefällt euch. :) 

Der Himmel über uns (Annalena Baerbock x Robert Habeck)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt