Hänsel und Gretel

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Es war so dunkel, total finster. Gretel hatte solche Angst, das spürte ich. Sie krallte sich an meinem Arm fest. „Was machen wir denn jetzt?", fragte sie mich. „Wir müssen irgendwo einen Unterschlupf finden", antwortete ich mit etwas Unsicherheit in meiner Stimme. 

Ich konnte es nicht glauben, dass Papa uns rausgeschmissen hatte. Ich dachte, er liebt uns.  Kann ja sein, dass ich nicht genügend Essen mitgebracht hatte aber das ist lange kein Grund uns rauszuschmeissen. Ach! Das ist alles nur die Schuld von dieser neuen Frau.

Gretel und ich gingen immer tiefer in den Wald hinein. Wir hatten so einen riesigen Hunger, dass wir nicht mehr richtig laufen konnten. Ausserdem waren wir so müde, denn geschlafen hatten wir ja auch nicht viel.Wir waren schon so tief im Wald, dass man kaum noch was vor Augen sehen konnte, nicht mal die eigenen Hände. Auf einmal hörten wir, wie sich etwas im Busch bewegte. Erschrocken guckten wir uns beide an und liefen einfach los, so schnell wie wir konnten.

Aus der Puste gekommen, schauten wir uns noch einmal um und sahen ein Licht in der Ferne. „Was ist das? Ist das ein Haus?" fragte mich Gretel. „Keine Ahnung", antwortete ich. Wir schlichen uns ein bisschen näher heran und sahen, dass es tatsächlich ein kleines Haus war. Wir erkannten nicht viel, aber gingen darauf  zu. Als wir vor dem Haus standen, konnten wir nicht glauben was wir gerade sahen. Es war ein Haus nur aus Pfefferkuchen.  Wir standen mit offenem Mund da, wie erstarrt. Hatte ich jetzt den Verstand verloren? Ein Pfefferkuchenhaus, das hatte ich noch nie gesehen, hahaha! Bestimmt war das nur Einbildung, weil wir ja schon lange nichts mehr gegessen hatten. „Gretel, siehst du auch das, was ich gerade sehe?", fragte ich sie. Mit leiser und  verblüfter Stimme antwortete sie mit:„Ja!" Ich sah sie verdutzt an, also war es doch KEINE EINBILDUNG.

Unsere Blicken kreuzten sich und kurz darauf stürmten wir auf das Haus zu, es war alles SOOOO lecker. Wir aβen und aβen bis uns der Bauch anfing wehzutun. Auf einmal hörten wir eine unangenehme Stimme hinter uns. Ich merkte wie mir der Schweiβ kalt den Rücken hinunterlief und fing am ganzen Körper an zu zittern. Langsam trete ich mich um, in der Hoffnung, dass nichts hinter uns war. Auf den ersten Blick sah ich nichts aber dann entdeckte ich mit Entsetzen eine schwarze Gestalt, die auf uns zukam. Gretel versteckte sich hinter mir.

„Wer ist da?" rief ich laut, aber es kam keine Antwort. Ich rief lauter und es kam wieder keine Antwort.

Auf einmal kreischte Gretel. Erschrocken trete ich mich zur ihr um und sah wie sie auf jemandem zeigte.

Es war eine alte Frau, die nicht sehr freundlich aussah, sie näherte sich uns und als wir sie gut sehen konnten, erschraken wir, denn sie hatte ganz verwuschelte Haare, eine Warze auf der Nase und sehr kaputte Klamotten. Ihr schreckliches Aussehen erinnerte an eine Hexe.

„Habt ihr euch verlaufen?" fragte uns die alte Frau.  „Ja", antworteten Gretel und ich gleichzeitig mit zitternder Stimme.

„Ihr seht sehr erschöpft aus, kommt doch rein, hier könnt ihr schlafen, wenn ihr wollt", sagte sie mit einem Lächeln.

Ich traute der alten Frau nicht ganz, aber es war bestimmt besser bei ihr als im dunklen Wald zu übernachten.

„Vielen Dank", sagte ich und nahm Gretel an der Hand. Ich merkte, wie sie immer noch am Zittern war. Sie sah immer noch so erschrocken aus ,dass ich ihre Hand ganz fest drückte und ihr zuredete: „Alles wird gut Gretel". Sie nickte schüchtern und schien sich etwas beruhigt zu haben.

Als wir im Haus waren, überkam mich  so ein komisches Gefühl. Es war, als ob eine schwarze Macht über diesen Ort herrschte.

Die alte Frau führte uns in die Küche, wo sie uns einen Kakao machte. Gretel und ich setzten uns an den Tisch und sahen uns  um. Von innen sah es viel gröβer als von drauβen aus. „Warum ist ihr Haus aus Pfefferkuchen?", fragte Gretel die alte Frau nach einer Weile.

Es kam keine Antwort, bis sie auf einmal mit einer Gegenfrage antwortete: „Warum seid ihr hier im Wald? Seid ihr wegelaufen von zu Hause?".

„Nein, unser Vater hat uns rausgeschmissen, erwiderte ich blitzschnell, denn er hat eine neue Frau, die so gemein zu uns ist und uns noch nie mochte. Deswegen hat sie unserem Vater befohlen, dass wir verschwinden müssen.

Die alte Frau nickte nur und schenkte uns den Kakao ein. Er war sehr lecker, aber als sie sich zu uns setzte, redete sie nicht mehr und sah uns nur so komisch an, so als hätte sie Mitleid mit uns.

Sie erzählte uns Geschichten aus ihrer Vergangenheit, aber irgendwas war faul. In ihrem Blick entdeckte ich eine Art Sehnsucht  und es sah fast so aus, als ob ihr das Wasser aus dem Mund fliesse. Aber warum? Hatte sie Hunger? Sie hatte doch ein ganzes Haus aus Pfefferkuchen.

Warum aβ sie davon nichts?  Es wurde erst dann richtig merkwürdig, als sie uns sagte: „Ach, schon so lange habe ich kein Jungenbein gegessen" und sich daraufhin korrigierte: Ah, ich meine Hünnerbein". In diesem Moment wusste ich, dass hier irgendwas nicht mit rechten Dingen zuging.

„Was meinen Sie mit Jungenbein?", fragte Gretel und stand mit Unsicherheit auf.

Das Gesicht von der alten Frau änderte sich von einen auf den anderen Moment, und sie sah uns mit so finsterer Miene an, dass uns Angst und Bange wurde.

„Ach ihr kleinen nutzlosen Kinder, ich bin eine Hexe und habe lange nichts mehr als tote Raten gegessen, und ach, ihr seht sooo lecker aus", sprudelte es aus ihr heraus.

Mit einem Schwung stand ich auf und rief aus voller Kraft: „LAUF Gretel!", aber die Hexe hielt Gretel schon an den Haaren fest. „Lassen sie sie los", schrie ich, aber die Hexe tat es nicht. Sie schleppte Gretel ins Wohnzimmer, wo sie sich einem Kammin näherte.

Ich sah eine groβe Schaufel, nahm sie und schlug mit ganzer Kraft auf den Kopf der Hexe. Es war einen Moment  lang still, bis man Gretel schluchtzen hörte: „Was hast du getan? DU, DU hast sie  Gegetötet", stotterte sie mit zitternder Stimme und  mit Trännen in den Augen.

Eigentlich fühlte ich mich gar nicht schlecht, sondern erleichtert, als wäre alles gut, ja sogar besser. Ich hatte so ein starkes Gefühl, so als wäre es Macht.

„Mach dir keine Sorgen Gretel. Es war ja Selbstverteidigung", entgegnete ich. Wir räumten alles auf und verbrannten die alte tote Hexe im Kamin. Wir sahen uns noch einmal im Haus um und gingen in ein kleines Zimmer, wo wir eine kleine Truhe fanden.  In der Truhe entdeckten wir voller Freude Gold und ganz viel Schmuck. Wir beschlossen die Truhe mitzunehmen. 

Als wir aus dem Haus gingen, merkten wir, dass es schon hell war. Also machten wir uns auf den Weg nach Hause und wir redeten kein Wort mehr miteinander. Das fand ich ehrlichgesagt gut, denn ich musste überlegen, warum ich mich so wohl gefühlt hatte als die Hexe tot auf dem Boden lag? Hatte ich das etwa genossen? War ich jetzt ein Mörder? Diese Gedanken begleiteten mich den ganzen Weg lang.

Irgendwie fanden wir den Weg nach Hause. Als wir ankamen, sahen wir schon, wie Papa an der Tür stand und total verzweifelt wirkte. Wir rannten auf ihn zu und umarmten ihn ganz fest. Wir waren so glücklich, bis wir Papas neue Frau hinter ihm sahen. In mir kam so eine Wut auf, ich fühlte solchen Hass, dass ich beschloss, etwas zu unternehmen. In der Nacht rief ich sie: „Stiefmutter, Stiefmutter, ich habe eine Überrachung für dich." Ich war mir nicht sicher, ob das was ich machen wollte korrekt war, aber als sie aus dem Haus kam, war es zu spät...

Ich war total erstarrt. Hatte ich das jetzt wirklich gerade gemacht? Ich schaute auf auf meine Hände in der Hoffnung, dass alles nur Einbildung war, aber als ich den blutigen Stein sah, wurde mir klar, dass ich ES wirklich getan hatte. Ich hatte sie auch getötet.

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