They don't know us

1.3K 66 4
                                    

       

Mittlerweile ist es gut ein Jahr her, seit dem Felix mich damals vor allem seinen Freunden auf dem Pausenhof geküsst hatte. Vieles hat sich in dieser Zeit für mich verändert. Ich hatte das Gefühl, dass ich zum ersten Mal akzeptiert wurde.
Nachdem Felix und ich uns praktisch vor der ganzen Schule, mit unserem zweiten Kuss, geoutet hatten, sind wir vor den anderen abgehauen. Besser gesagt, ich bin abgehauen. Felix mir hinterher. Ich hatte Angst vor den Reaktionen der anderen. Eigentlich hätte mir deren Meinungen egal sein müssen. Bereits vorher hatten Felix Freunde nicht viel von mir gehalten. Dennoch wollte ich es einfach nicht, dass sie generell über mich reden.
Auch wenn Felix Kuss wunderschön war, habe ich mich unwohl gefühlt.
Die ganze Schule hat uns beobachtet. Und obwohl ich meine Augen geschlossen hatte, habe ich deren Blicke auf mir gefühlt.
Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten und war weg.
Zwei Blocks weiter hatte Felix mich eingeholt. Er war eindeutig sportlicher als ich. Er fragte mich Sachen wie, ob das alles gerade nur ein schlechter Witz war. Ob das jetzt die Rache dafür wäre, dass er mich ewig gequält und mit mir gespielt hatte.
Denn ich war gerade auf ihn zugegangen, habe ihm Hoffnungen gemacht und bin dann abgehauen.
Als er fertig geredet hatte entstand langes und unangenehmes Schweigen. Nach einer gefühlten Ewigkeit traute ich mich überhaupt ihm in die Augen zu sehen.
Felix hatte mich früher oft zum Weinen gebracht. Damals war es das erste Mal, dass er derjenige, mit den Tränen in den Augen war. Bis dahin wusste ich nicht, was es bedeutet jemanden zu lieben. Er hatte es mir in diesem Moment gezeigt. Ich erhebte mich vom Bordstein und sah zu ihm hinauf. Meine Hand fing an zu zittern, als ich den Ärmel meines Pullovers nahm und ihm damit über die Wange wischte um die Tränen, die ihm dort mittlerweile übers Gesicht rollten, verschwinden zu lassen.
Selbst wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle bin ich noch kleiner als er, weshalb ich damals meine Hände in seinen Nacken verschränkte und ihm in die roten Augen sah.
Ich sagte ihm, dass ich ihn mochte.
Ich sagte ihm, dass ich ihn sogar sehr mochte.
Und ohne, dass ich es laut aussprach verstand er, dass es mir nur schwer fiel, dies vor der ganzen Schule zuzugeben.
Ohne an diesen Ort zurück zukehren nahm er mich mit zu sich nachhause.
Er verstand mich und meine Sorgen.
Ich blieb die ganze Nacht bei ihm.
Allerdings ließ er sich nicht davon abbringen, am nächsten Morgen wieder zur Schule zu gehen.
Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als wir vor der Schultor standen und ich mich wie ein Kleinkind verhielt, dass nicht von seiner Mutter in den Kindergarten gebracht werden will.
Er hatte mich hochgehoben und mich genau hinter dem Tor wieder abgestellt. »So, jetzt bist du in der Schule.«, hatte er gesagt. Er ging ebenfalls auf die andere Seite. »Mit mir.« Und nahm meine Hand.
Mit ihm an meiner Seite überlebte ich den Tag.
Aus dem Tag wurden mehrere. Aus diesen Wochen. Aus den Wochen wurden Monate.
Wir waren ein Paar wie jedes andere.
Mittlerweile hatte Felix mich seinen Freunden auch 'offiziell' vorgestellt.
Sie waren nett.

So gut wie jeden Tag war ich bei Felix zuhause.
»Sag mal, weißt du eigentlich, was für ein Tag morgen ist?«, frage er mich irgendwann als wir bei ihm auf dem Bett lagen. Ich auf dem Rücken. Er, mit einem Ellenbogen abgestützt, schräg über mir.
»Mittwoch?«, scherzte ich während ich mit seinen kleinen Locken spielte, die immer entstanden, wenn er lange nicht beim Friseur war. Ich mochte sie.
»Wie kannst du das nur vergessen?« Er drehte sich übertreibend empört zur Seite.
»Schatz, natürlich weiß ich, dass morgen unser Jahrestag ist.« Ich umarmte ihn von hinten. »Ich hätte nur nicht gedacht, dass du zu den Personen gehörst, die daraus ein großes Ding machen.«
Wir waren so gut wie jeden Tag zusammen, deshalb wäre mir nicht eingefallen, was man an dem Jahrestag noch anders machen könnte.
Er antwortete: »Mache ich auch nicht. Ich dachte nur, es wäre mal eine gute Gelegenheit es endlich deinen Eltern zu sagen.«
»Ihnen was sagen?«, versuchte ich wieder zu scherzen, obwohl es nicht lustig war.
»Na, das mit uns.«
»Oh.. muss ich wirklich?« Ich ließ mich theatralisch zurück aufs Bett fallen, als würde ich nur bei dem Klang seiner Worte sterben.
Felix lachte kurz, war dann aber wieder todernst. »Möchtest du etwa deine eigenen Eltern nicht bei deiner Hochzeit dabei haben?«
»Du willst mich heiraten? Also, ich liebe dich ja, aber siebzehn ist doch etwas früh oder? Lass uns doch erst mal die Schule fertig machen.«
»Man Alex! Sei doch einmal ernst! Du wohnst quasi bei mir und ich war noch nicht einmal bei dir zuhause. Es ist, als würde ich dich nicht richtig kennen.«
»Okay.«, gab ich nach. Vielleicht war es wirklich an der Zeit.

You don't really know me | Dizzi OSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt