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|Tag 1|

Buenos días mi belleza!

- Papá!

Mein Papá. Verpeilt, immer gut gelaunt und immer für mich da.

- Cómo estás? Er sah an meiner nassen Kleidung herunter.

- Wie stellst du das nur immer an, meine kleine Señorita?!

Kopfschüttelnd und halb lachend nahm er mein Gepäck und lief in Richtung Meer. Mein Vater hatte das schönste Haus in ganz Barcelona direkt am Strand. Ein altes Steinhaus, das früher als Fischlager verwendet worden war. Deshalb war es im Inneren auch schön kühl, selbst wenn 40 Grad draußen herrschten. Kreativ wie mein Vater war, hatte er die runde Eingangstür und alle Fenster in einem mediterranen Türkis gestrichen. Es sah wunderschön aus.

 - Hola Mimí. Lass dich knutschen!

Kira. Die Freundin von meinem Dad. Ich bewunderte sie immer für ihre Ausstrahlung. Wie konnte sie bloß immer so fröhlich sein? Sie war wie eine zweite Mutter für mich. Ich schaute an ihr herunter. Diese strahlenden Augen mit dem üblichen Lidstrich, schokobraune glänzende Haare, gebräunte Haut, ein rotes Kleid, das ihr super stand, und...

- Oh mein Gott! Entweder bist du mega fett geworden, was ich ehrlich gesagt nicht glaube, oder du bist schwanger!!!

- Naja, wir fanden es so unpersönlich, dir das am Telefon zu sagen...

Sie lächelte. - Es werden Zwillinge!

Ich freute mich so für die beiden. Sie hatten sich gesucht und gefunden. Ich war nicht eine von denen, die wollte, dass ihre Eltern unbedingt wieder zusammen kamen. Sie passten aber auch gar nicht zusammen. Mein Vater war ein Freigeist, ein Künstler, der es nur bei meiner engstirnigen Mutter ausgehalten hatte, bis ich alt genug war, um die Trennung zu verstehen und darüber hinwegzukommen. Ich hatte den besten Papá der Welt! Wahrscheinlich hätte ich sowas nicht ausgehalten. Ich tickte ähnlich wie er, mir waren Freiheit und Unabhängigkeit sehr wichtig. Aber wahrscheinlich stellte man seine Bedürfnisse zurück, wenn man Kinder bekam. Ich schaute auf den Babybauch von Kira und schmunzelte. Geschwister! Ich bekam endlich Geschwister! Das hatte ich mir schon immer gewünscht...

|Tag 2|

- Guten morgen, mein Schatz! Zeit zum Aufstehen!

- Ich hab doch Ferien!

- Wenn du noch mit uns frühstücken willst, musst du wohl oder übel jetzt aufstehen.

Da blieb keine Zeit zum Überlegen. Die selbstgemachten Pancakes und meine heißgeliebten Churros übertrafen das weiche Bett.

Aufgestanden. Zähne geputzt. Luftige Klamotten rausgesucht. Geduscht. Fertig. Bei mir ging duschen immer schnell, da ich kurze Haare hatte. Sehr praktisch im Sommer. Als ich die knarzigen Treppenstufen herabhüpfte, überwältigte mich ein himmlischer Duft nach Essen.

- Amira, ich habe einen Anruf vom Atelier bekommen. Ein ganz großer Auftrag. Tut mir leid, ich muss da sofort hin. Kicí setze ich auf dem Weg bei der Frauenärztin ab. Kommst du klar?

Er betonte das s immer so übertrieben.

- Ja klar. Macht euch um mich keine Sorgen, ich find mich schon zurecht!

Barcelona war wie mein zweites Zuhause. Ich kannte jede kleine Gasse, jede Kreuzung. Ganz früher hatten wir hier noch zu dritt als Familie gelebt, bis Mom das Jobangebot bekommen hatte. Ich freute mich schon meine Sandkastenfreunde wieder zu sehen und an meinem Lieblingsplatz Eis zu essen.

- Adiós!

Nach dem besten Frühstück meines Lebens fiel mir auf, dass ich wohl gestern meine Sonnenbrille im Flughafen verloren haben musste, denn ich konnte sie nirgends finden. Ein sehr guter Vorwand, um shoppen zu gehen...

2 Stunden. 12 Tüten. So gut wie pleite. Sowohl glücklich als auch geschafft, setzte ich mich mit meiner alten Freundin aus dem Kindergarten, die ständig am plappern war, in mein Lieblingseiscafé. Wir bestellten Himbeermascarponebecher. Wie jeden Sommer. Wir lachten viel. Wie jeden Sommer. Alle Jungs schmachteten sie an. Wie jeden Sommer. 

Nur einer nicht. Ich war froh, dass nicht jeder ihrem Charme erlag. Das wäre doch ziemlich gruselig. Und mal bitte, war es denn wirklich so schlimm, sich auch nur einen Verehrer zu wünschen, der mal zur Abwechslung nicht meine super heiße Freundin anstarrte, sondern mich?

Ok. Im Moment starrte ich eher ihn an. Braune Strubbelhaare. Ein schwarzes Hemd. Muskulös. Ein Supermario-Mousepad... Ich erstarrte. Einen Augenblick lang trafen sich unsere Blicke.

Ein Grinsen. Dann bezahlte er und ging.

Ging einfach.

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Zeit zum Spielen.

Das Gewinnen reizte ihn nicht.

Er gewann so oder so.

So oder so: Er hatte ein neues Spielzeug.

Schach war schon immer sein Lieblingsspiel gewesen.

W.O.R.T.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt