"Ich möchte eine Antwort von dir. Warum hast du sie umgebracht? Wieso hast du sie zerstückelt und zu Essen verarbeitet? Was hat sie dir getan? Was habe ich dir getan, damit du mir so viel Leid zufügen musstest?"
Ich lese diese Zeilen immer und immer wieder. Ich versuche zwischen ihnen zu lesen und einen Hinweis zu finden, der mir verrät, wer mich diese Dinge noch einmal durchleben lässt.
Hinter dem Brief sind, wie zu erwarten, neue Fotos. Dieses mal zeigen sie mich, wie ich in der Hotelküche stehe und frisches Fleisch zerhacke. Es ist nicht irgendein Fleisch, sondern das der toten Frau. Ich habe ihren leblosen Körper zur Vertuschung zerteilt und ihr Fleisch gegen das der neuen Lieferung im Restaurant ausgetauscht. Noch heute verabscheue ich mich dafür, doch mir blieb nichts anderes übrig. Ich bin mir nicht mal sicher, wie ich auf diese Idee gekommen bin, ich wusste nur, dass ich ihren Körper verschwinden lassen musste. Den Leuten im Restaurant und meinen Kollegen aus der Küche ist nichts aufgefallen, worüber ich sehr froh bin. Es war riskant aber es hat funktioniert und bis der Albtraum mit den Fotos angefangen hatte, war ich mir sicher, dass niemand darüber Bescheid wusste. Aber jetzt ist alles anders. Ich kann niemandem mehr trauen, nicht mal mir selbst. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich wieder einen Blackout habe und wer weiß, was ich dann anstelle? Es ist nur gut, dass ich morgen früh einen Termin mit meinem neuen Arzt habe. Vielleicht kann er mir weiterhelfen und mich davor bewahren, erneut aufzuwachen und nicht mehr zu wissen, was zuvor passiert ist.
Nach einer unruhigen Nacht mache ich mich am nächsten Morgen mit meinen Unterlagen in der Hand auf den Weg. Der Arzt scheint auf den ersten Blick sehr nett und das bestätigt sich auch nach den ersten paar Minuten der Sitzung.
"Erzählen Sie mir von sich. Weshalb sind Sie hier?", fragt mich der Doktor, nachdem ich alle Formulare ausgefüllt habe.
Ich erzähle ihm alles, angefangen im letzten Sommer. Natürlich lasse ich die Geschichte mit der toten Frau ganz bewusst aus. Er hört mir aufmerksam zu und macht sich währenddessen Notizen in die Patientenakte.
"Wann war Ihr letzter Blackout?", fragt er mich und sieht mir in die Augen. "Vor etwa einem Monat.", sage ich und denke daran zurück. "Ich lag in meinem Bett, um mich von meiner Schicht im Hotel etwas auszuruhen. Als ich dann wieder aufgewacht bin, habe ich einen ganzen Tag und meinen kompletten Dienst verpasst und neben mir lag ein Küchenmesser. Normalerweise schließe ich mich immer in der Wohnung ein, um sie nicht ungewollt zu verlassen, doch an diesem Abend habe ich nicht daran gedacht. Das seltsame war, dass ich meine Arbeit ganz normal ausgeführt habe. Niemandem ist etwas an mir aufgefallen."
"Was denken Sie, warum neben Ihnen ein Messer lag?"
Er löchert mich weiter mit unendlich vielen Fragen, auf die ich keine Antworten habe.
"Ihr Nachname ist sehr bewundernswert. Wissen Sie, was er bedeutet?" Ich schüttle langsam den Kopf und weiß nicht, wovon er redet.
"Nanuda, dieser Name ist aus dem koreanischen. Er bedeutet soviel wie 'gespalten'. In Anbetracht Ihrer Situation ist er sehr passend. Wissen Sie, ob sonst noch jemand in Ihrer Familie unter Blackouts leidet?"
Auch hier muss ich verneinen. Ich habe selten Kontakt zu meiner Familie, weshalb ich sehr wenig über sie weiß.
"Nun gut. Ruhen Sie sich aus. Die Dame an der Rezeption wird einen neuen Termin vereinbaren und dann werden wir mit einigen Tests beginnen."
Mit diesen Worten entlässt er mich zurück in meine ungewollte Einsamkeit. Wie gerne hätte ich jetzt jemanden um mich, einfach nur, um nicht alleine zu sein. Zudem werde ich bald wahnsinnig wegen meinem Verfolger. Wenn das so weitergeht, werde ich das ebenfalls bei meinem Arzt ansprechen müssen.
An meinem Wagen angekommen, stelle ich mein Navi am Handy ein, um den Weg zurück zum Hotel zu finden. Mir bleiben noch knapp drei Stunden, bis ich mich für die Arbeit fertig machen muss. Während der Fahrt erstelle ich mir einen kurzen Plan, was ich bis dahin noch erledigen möchte. In meinem Zimmer angekommen lasse ich mir einen starken Kaffee aus der Maschine und setze mich kurz auf das kleine Sofa, um schnell meine Mails auf dem Handy zu checken. Ich hoffe, dass mein Chef den Schichtplan geändert hat und ich heute doch nicht arbeiten muss. Doch leider komme ich gar nicht soweit, denn eine Nachricht auf meiner Mailbox sticht mir aufdringlich ins Auge. Ahnungslos klicke ich darauf und spiele diese laut ab."Hallo Max, du wirst dich vermutlich noch immer fragen wer ich bin. Doch das ist nicht von Belangen. Viel wichtiger ist, wer du bist und was du für deine Zukunft wählst. Ich habe drei Möglichkeiten für dich: 1. Du stellst dich der Polizei und gestehst dein Verbrechen, 2. Ich werde alle Beweise an die Polizei geben und dich somit verhaften lassen oder 3. Du bringst dich um. Wähle weise, und das schnell. Denke immer daran, ich beobachte dich."
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Der gespaltene Sternekoch
Mystery / ThrillerDies ist eine Kurzgeschichte im Rahmen eines Projektes von Sebastian Fitzek. #wirschreibenzuhause Gemeinsam mit einer Freundin habe ich diese Geschichte verfasst, weshalb alle Rechte bei uns beiden liegen. Sebastian Fitzek gab uns grobe Vorgaben u...