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Gähnend saß Oikawa am nächsten Morgen auf seinem Platz und stützte sein Gesicht auf seinen Handflächen ab. Der Lehrer, der vorne an der Tafel stand, war gerade dabei eine Aufgabe an die Tafel zu schreiben - der Setter der Seijoh schenkte dieser jedoch wenig Beachtung. Stattdessen ließ er seinen Kopf auf seine Arme sinken und starrte sein aufgeschlagenes Buch an, das vor ihm auf dem Tisch lag. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren. Es war wie eine Blockade, die ihm den Zugriff auf seine Konzentration und all sein Wissen verwehrte. Verdammt sei der Schlafmangel, der ihn letzte Nacht, nachdem Kageyama aufgebrochen war, heimgesucht hatte.

Wenige Sekunden später vernahm Oikawa eine Vibration in seiner Hosentasche. Vorsichtig griff der Brünette in die Seitentasche und zog sein Handy hervor. Nachdenklich fuhr er mit seinem Daumen über den Bildschirm und entriegelte die Sperre. Eine Nachricht ploppte auf.

Tobio-Chan [10:15]: Bin heil angekommen.

Ein zärtliches Lächeln huschte über Oikawas Lippen, als seine Augen die Nachricht überflogen. Kageyama hatte tatsächlich an ihn gedacht. Der Ältere überlegte eine Weile was er dem Schwarzhaarigen antworten sollte, beschloss es aber auf die Pause zu verschieben. Langsam ließ er das Mobilfunkgerät wieder in seiner Hose verschwinden. Seufzend sah er schließlich aus dem Fenster. Es war dunkel und dicke Schneeflocken rieselten vom Himmel herunter. Immerhin war es schon Dezember. Nachdenklich sah der Setter den Flocken nach, wie sie schließlich auf der Fensterbank ankamen und sich mit dem bereits dort angestauten Schnee vermischten.

Zwei Monate... Seit fast zwei Monaten führten sie diese Beziehung schon, falls man es überhaupt eine Beziehung nennen konnte. Eigentlich hatte Oikawa Kageyama gehasst - wobei der Brünette sich inzwischen eingestehen musste, dass er ihn nie wirklich gehasst hatte. Er war mehr eifersüchtig auf den Jüngeren gewesen und hatte sich minderwertig gefühlt, da diesem Genie schließlich alles in den Schoß gefallen war und er dafür umso härter für seinen Traum trainieren musste. Diese Erkenntnis traf ihn nach der erlittenen Niederlage gegen die Karasuno beim Vorentscheid zum Frühlingsturnier wie ein Faustschlag. Es hatte ihn bis ins Tiefste erschüttert - schließlich war das für sein Team die letztmalige Chance gewesen nach Tokyo zu kommen, um bei den nationalen Meisterschaften mitzuwirken. Oikawa hatte lange darüber nachgedacht. Über seine Einstellung - einfach über alles. Als er dann auch noch beim finalen Spiel Karasuno gegen die Shiratorizawa beigewohnt hatte, musste er sich endgültig eingestehen, dass sich Kageyama um 180 Grad gewandelt hatte - vor allem was seinen Charakter und sein Teamwork betraf.

Von dem einstigen diktatorischen König des Spielfeldes war nichts mehr übrig - stattdessen stand ein aufrichtiger König vor ihm, der über seine Grenzen hinaus versuchte seinem Posten auf dem Spielfeld gerecht zu werden. Oikawa würde es natürlich nie zugeben, aber er war erstaunt und zugleich stolz auf den schwarzhaarigen Setter.

Wenige Wochen später liefen sich die Beiden dann im Einkaufscenter über den Weg. Zuerst war es beiden Parteien unangenehm gewesen einander gegenüberzustehen. Oikawa war jedoch derjenige gewesen, der das Gespräch zu dem Jüngeren gesucht hatte und aus einem anfänglich holprigen Gespräch entstand ein amüsanter Nachmittag. Sie trafen sich danach noch einige Male, was ihre Teammitglieder aber nie mitbekamen. Meistens trafen sie sich in einem Café, das sich außerhalb von Sendai befand. Sie wollten keine Unruhe stiften und den Fragen wollten sie somit auch aus dem Weg gehen. Es herrschte von Anfang an eine Anziehungskraft zwischen den Beiden, die keiner zu leugnen vermochte. Es waren die kleinen Dinge wie flüchtige Berührungen, die sie einander näherbrachten.

Als sie beide dann eines Abends zu tief ins Glas geschaut hatten, führte eines zum anderen. Der Schock war riesig gewesen, als Oikawa morgens wach wurde und sich gewundert hatte, warum ausgerechnet Kageyama neben ihm lag. Zudem sie beide auch noch nackt waren. Die darauffolgende Erkenntnis schlug ein wie ein Blitzschlag! Und so kam der Stein schließlich ins Rollen und sie trafen sich noch öfters, um ihre gegenseitige körperliche Begierde zu stillen. Das Feuer ihrer brennenden Leidenschaft war nun endgültig entfacht. Schlussendlich hatten sie sich dann auf diese Zweckgemeinschaft geeinigt. Es waren keine Gefühle im Spiel - im Vordergrund stand nur das körperliche Verlangen. Keiner stellte Fragen, niemand stellte überhaupt irgendwas in Frage. Eine ganz unverbindliche und unkomplizierte Sache. Bis vor kurzem hatte auch alles einwandfrei funktioniert, aber inzwischen war da noch etwas anderes.

Sanctuary - 聖域 [OiKage]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt