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Seine blonden Locken wehten ihm durch den auffrischenden Wind in die Stirn, was seine strahlenden blauen Augen zum leuchten brachte. Und dann war da noch sein typisches Grinsen, welches mich immer voll aus der Fassung brachte. Wie immer sah er atemberaubend aus und ich musste neben ihm wieder wie ein graues Entchen wirken. 

Doch ich konnte meinen Blick einfach nicht von ihm abwenden, er zog mich wie magnetisch an. Jeder Widerstand war zwecklos, das hatte ich gelernt. Max fixierte mich ebenfalls mit seinen Augen und sein süßes Lächeln wurde breiter. Unwillkürlich, von seinem Lächeln angesteckt, breitete sich auch bei mir ein Grinsen auf den Lippen aus.

Noch ein paar Schritte, dann stand ich direkt vor ihm und wir blickten uns beide tief in die Augen. Er war fast einen Kopf größer als ich, doch seinen ruhigen, warmen Atem spürte ich dennoch auf meiner Haut, die sofort zu kribbeln anfing. 

»Du siehst wunderschön aus«, durchbrach er nach einiger Zeit die angenehme Stille und griff mit einer seiner Hände nach meiner. Die andere erhob er auf Höhe meines Gesichts und strich mir die eine Haarsträhne, die ich extra aus meinem Zopf hatte raus hängen lassen, hinters Ohr. 

»Das kann ich nur zurück geben«, lächelte ich ihn an. Dann stellte ich mich auf Zehenspitzen und unsere Gesichter näherten sich in Zeitlupe. Immer näher und näher, bis sich unsere Lippen berührten und wir uns sanft küssten. Tausende Stromstöße durchzuckten meinen Körper - genau wie bei unserem ersten Kuss - und mir wurde schlagartig warm. Mit geschlossenen Augen löste ich mich langsam wieder von ihm und schloss ihn fest in die Arme. 

»Was wollen wir jetzt machen?«, fragte ich Max, ließ ihn aber nicht los. 

Mein Freund schien kurz zu überlegen, was mir nichts ausmachte, denn ich lauschte währenddessen seinem Herzschlag, der sich immer wieder gleichmäßig wiederholte. 
»Wir könnten 'ne Runde durch den Park drehen, muss dann aber relativ schnell wieder los.« 

Leicht enttäuscht sah ich zu ihm hoch. »Was hast du denn noch vor?« Aus meiner Stimme konnte man deutlich die Skepsis heraus hören, und er hatte es definitiv mitbekommen. Unsicher fuhr er sich durch sein üppiges Haar und sah mir nicht in die Augen. 

»Was ist los?«, fragte ich gerade heraus. Max wusste, dass er mir alles sagen konnte, denn ich wollte keine Geheimnisse zwischen uns haben - diese zerstörten in vielen Fällen eine Beziehung. Und das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. 

»Ach nichts«, fing er wirsch an, wandte seinen Blick aber immer noch von meinem ab. »Ich bin nur ... äh ... nachher mit Freunden verabredet.« 

Irgendwie klang das in meinen Ohren eher wie eine faule Ausrede, aber ich wollte die Wahrheit wissen. »Komm schon, lüg mich nicht an«, begann ich leise flüsternd und sah bittend in seine blauen Augen. »Bitte.« 

»Das. Ist. Wirklich. Die. Wahrheit«, beharrte er stur, »und am Nachmittag hab ich außerdem noch Theaterproben.« 

Mit schief gelegten Kopf musterte ich ihn. Das letzte stimmte auf jeden Fall, das wusste ich, doch die Sache mit seinen Freunden klang wie eine einfache Ausrede. Zweifel überrollten mich noch immer und ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich Max glauben schenken sollte. Innerlich rangen zwei Gegensätze miteinander - und beide waren gleich stark. 

Max hatte anscheinend meine zweifelnde Miene bemerkt und stellte mir ein Ultimatum: »Vertraust du mir nicht? Kay, komm schon, sag jetzt, dass du mir vertraust.« 

Das war mies von ihm, und er kannte meine Antwort eh schon. Seufzend lenkte ich ein, denn ich wollte jetzt keinen Streit vom Zaun brechen. »Ja, natürlich vertraue ich dir.«

»Gut«, lächelte er und schnappte sich meine Hand. Dann ging er los und zog mich hinter sich her. 

Wir liefen die wenigen Wege, die durch den Park führten, entlang und schwiegen die meiste Zeit über. Wenn ich hier mit einem anderem Jungen gewesen wäre, wäre diese Stille sicher unangenehm gewesen, doch das hier war ganz anders. Ich genoss die Stille sogar, denn in seiner Nähe fühlte ich mich wohl und beschützt, sodass ich mal Zeit hatte meine ganzen Gedanken zu ordnen. Uns verband etwas tief in unserem Inneren, welches mir das Gefühl gab, angekommen zu sein. 

Leider verging unsere gemeinsame Zeit viel zu schnell und er ließ mich enttäuscht in unserem kleinen Park stehen, da er ja mit seinen Freunden Fußball spielen gehen wollte. Kurz spielte ich sogar mit dem Gedanken, ihm unauffällig zu folgen, um zu sehen, ob er wirklich mit seinen Freunden verabredet war. 

Doch diesen kloppte ich schnell wieder in die Tonne - wie kindisch wäre das denn bitte von mir gewesen? 
Ich wusste doch, dass ich ihm vertrauen konnte. Warum nur benahm ich mich diesmal so komisch? Denn es war eigentlich nichts Neues, dass er sich mit seinen Freunden zum Fußball spielen verabredet hatte.
Wahrscheinlich hatte ich wegen seines seltsamen Verhaltens das Gefühl, dass er nicht ganz aufrichtig zu mir gewesen war. 

Auf meinem gesamten Heimweg zerbrach ich mir pausenlos meinen, jetzt schon brummenden, Schädel über unsere kurze, unglaubwürdige Konversation. Am Ende schloss ich die Haustür auf und stellte fest, dass ich kein Stück weiter war als vorhin im Park. Es war einfach sinnlos sich deswegen Kopfschmerzen zuzuziehen. Doch mein Gehirn wollte einfach nicht aufhören, die Szene auseinander zu picken und die noch so kleinsten Details heraus zu fischen.

Schlussendlich warf ich mich auf mein Bett und verabschiedete alle Gedanken an Max aus meinem Kopf. 
Um mich etwas abzulenken, schnappte ich mir mein Handy und schrieb meiner Freundin Pippa eine Nachricht:

›Ich: hast du vielleicht nachher Zeit?‹

Nachdem ich diese abgeschickt hatte, musste ich nicht lange warten, da erschienen auf dem Display schon drei kleine Punkte, was bedeutete, dass Pippa mir schrieb. Dann machte es auch schon ›Plopp‹ und die Nachricht erschien vor meinen Augen. 

›Pippa: Triffst du dich nicht mit Max?‹

War natürlich klar, dass sie das fragen würde. Schließlich hatte ich ihr deswegen ja vorhin abgesagt. Also antwortete ich schnell, dass wir uns schon getroffen hatten und mir nun langweilig war. Dass ich auch versuchte auf andere Gedanken zu kommen, verriet ich Pippa nicht - sonst würde sie nämlich die ganze Geschichte von vorne bis hinten hören wollen, mit jedem noch so kleinsten Detail. Und darauf hatte ich keine Lust, denn nochmal das Geschehene Revue passieren zu lassen würde meine Zweifel an seiner Aussage nur verstärken. 


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