Komparative Gedichtanalyse

6 0 0
                                    


Universität Bielefeld

Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft

Literaturwissenschaft

Seminar: Einführung in die Literaturwissenschaft

WS 2021/22

Leitung: Dr. Lutz Graner

Essayaufgabe

Morgen Kinder wird's was geben

Komparative Gedichtanalyse

BA Anglistik/Literaturwissenschaft

3./1. Fachsemester


Abgabedatum: 10.12.2021

I. Einleitung

Dieser Essay befasst sich mit der komparativen Analyse der beiden Texte Weihnachtsfreude, dessen Ursprung und Verfasser aufgrund verschiedener Quellen nicht eindeutig zu benennen sind, und Weihnachtslied – Chemisch gereinigt von Erich Kästner aus dem Jahre 1928. Erich Kästner hat den Ursprungstext umformuliert und ihm einen anderen Inhalt gegeben. Auf den ersten Blick muten beide Texte ähnlich an, da sie sich der gleichen formalen Struktur, auf die ich im Folgenden noch genauer eingehen werde, bedienen. Anhand einer Analyse der sprachlichen Ebene werde ich verdeutlichen, dass die beiden Texte jedoch völlig verschiedene Adressaten haben.


Die formale Struktur beider vorliegenden Texte ist identisch, das bedeutet im Einzelnen, sie bestehen aus jeweils 5 Strophen, die die gleiche Anzahl an Versen beinhalten. Das Reimschema in beiden Versionen ist ababcc. Die Verszeilen bestehen aus reinen Reimen, was sie leicht einprägbar und kindgerecht machen. Als Versmaß wurde in beiden Texten ein Trochäus verwendet. Das heißt, beide Texte bestehen aus regelmäßigen Hebungen und Senkungen aus zuerst einer betonten Silbe gefolgt von einer unbetonten Silbe, was zu einer leichten Sangbarkeit und Einprägsamkeit beider Texte führt. Auch diese Tatsache ließe in beiden Fällen wieder auf ein Kinderlied schließen, da diese ja auch explizit im Text erwähnt und angesprochen werden. „Morgen, Kinder, wird's was geben" versus „Morgen, Kinder, wird's nichts geben!"

Schaut man sich aber die verwendete Sprache und den Inhalt der Texte an, kommt man schlussendlich zu einem anderen Ergebnis.

Ausgehend von dem Gedanken, dass die Ursprungsversion dieses Liedes sich aufgrund der Sprachverwendung an Kinder richtet, werden keine Metaphern oder andere Verklausulierungen benutzt, da die meisten Kinder den Sinn und die Bedeutung solcher Stilmittel wegen ihrer geringeren Lebenserfahrung oder mangelnder Kenntnis von gebräuchlichen Sprichwörtern oder anderen bildhaften Darstellungen nicht herleiten könnten. Darüber hinaus werden viele Verniedlichungen verwendet wie zum Beispiel „Reiterpferdchen, Jettchens und Herdchen". Außerdem werden, wie bereits zuvor erwähnt, die Kinder explizit im Text angesprochen. Die Vorfreude auf das bevorstehende Weihnachtsfest wird unter Verwendung vieler Übertreibungen wie „blank geputzter Zinn, geputzter Kronensaal, viele Näscherei, große Lichterzahl, frohe Tänze", die man allesamt mit dem Sem „prächtig" belegen könnte, in den schillerndsten Farben beschrieben.

Wie wird dann die Stube glänzen

Von der großen Lichterzahl,

Schöner, als bei frohen Tänzen

Ein geputzter Kronensaal.

Ganz ohne Belehrung kommt jedoch auch das schönste Kinderlied offenbar nicht aus, denn die letzte Strophe beschreibt ganz klar, wem all das Glück und die Freude über das Weihnachtsfest und die damit verbunden Freuden und Geschenke zu verdanken sind. Nämlich den Eltern, die bereits im Vorfeld viel Arbeit und Mühe aufgewendet haben, um den Kindern ein schönes Weihnachtsfest zu bereiten. Wer all das nicht zu schätzen weiß, ist der ganzen Mühe nicht wert und hat es nicht verdient, beschenkt zu werden. „O gewiß, wer sie nicht ehrt, Ist der ganzen Lust nicht wert!" Diese letzte Zeile wird sogar nochmal mit einem Ausrufezeichen versehen, das die Aussage hier noch einmal unterstreicht und deutlich macht.

Academic TextsWhere stories live. Discover now