> Kapitel 1 <

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Draußen tobte ein Unwetter, dass von Blitzen, Donnern und ziemlich straken Sturmböen, die so manche Bäume und Sträucher zum Schwanken brachten, vorangetrieben wurde. Mein Kopf lehnte gegen die große Glasscheibe des riesigen Fensters meines Zug Abteils und mein Laptop, der vor mir auf dem Tisch stand, schien mir grell ins Gesicht. Ein erneutes lautes grollen eines Donners brachte mich zum Zucken und lies meinen Kopf sofort, ohne zu zögern vom Fenster hochfahren, sodass ich kerzengrade in meinem Sitz saß und mit großen Augen nach draußen starrte. Dass der Zug bei so einem Unwetter noch fuhr, wahr schon ein wahrhaftiges Risiko, doch auch ein ziemlicher Vorteil für mich.
Mein Blick fuhr zu dem grellen Bildschirm meines Laptops auf dem unzählige Zahlen von Rechnungen abgebildet waren, doch ich hatte keinen Kopf für das was mich schon seit Wochen plagte und ich immer wieder aufs Neue um Tage oder Wochen aufschob. Also schließet ich alle möglichen offenen Tabs, drückte den Ausschalter und klappte den Bildschirm zu, sodass, das grelle Licht mich nicht mehr blendete und meine Augen mich fast schon entspannten.
Mein Blick fuhr erneut nach draußen. Es war ziemlich dunkel geworden und ein heller Blitz zog sich über den ganzen Himmel, der hauptsächlich aus Rabenschwarzen dunklen Wolken bestand. Ich seufzte einmal. Das Abteil war außer mir Menschenleer was ich auf der einen Seite super fand, da ich so meine Ruhe hatte, doch auf der anderen Seite war es zu still und bei dem Gewitter draußen schon fast etwas unheimlich.
Einige Zeit starrte ich einfach nur nach draußen, sah den Regentropfen beim Wettrennen an der Scheibe zu und beobachtete die Blitze, die den ganzen Himmel hell erleuchteten. In der Zeit kamen wir einmal an einen Bahnhof, doch bis ich aussteigen müsste, würde es noch eine ganze Weile dauern. Rotenbrunnen war nicht um die Ecke, doch das wusste ich von Anfang an schon sehr genau. Doch die Fahrt würde sich lohnen, solange sie auch dauern würde, wenn sie vorbei war, konnte alles nur noch besser werden und würde alles besser werden.
Ich schnappte mir mein Handy was ebenfalls vor mir auf dem Tisch lag. In der Spiegelung sah ich wie zerzauste meine schwarzen Haare waren, die unter der Kapuze meiner weißen Sweatshirt Jacke hervorschauten. Auch die tiefen dunklen Schatten von Augenringe übersah ich nicht und verrollte nur die Augen als ich anfing darüber zu grübeln. Schnell entsperrte ich mein Handy und schrieb meiner Cousine eine schnelle Nachricht.
Hey Tina, keine Ahnung wie lange es noch dauert und ob der Zug überhaupt bei dem Unwetter noch lange fährt, aber bitte bring mir beim Abholen etwas zu essen mit, ich sterbe hier fast vor Hunger.
Es war die Wahrheit, mein Magen zog sich immer weiter zusammen und knurrte nur so vor sich her. Das letzte Mal, seit ich was gegessen hatte war zum Frühstück was nun schon fast einen halben Tag zurück lag.
Ich schickte die Nachricht nach einem erneuten durchlesen ab und schaltete das Handy aus. Wieder ging mein Blick zum Fenster hinaus, doch diesmal schweiften meine Gedanken weit ab.
Draußen flogen Wälder, Wiesen und Felder vorbei und ich musste sofort an die etlichen Sommer denken, die ich bereits auf dem Martinshof verbracht hatte. Zusammen mit Bibi und Tina war ich so oft über Wiesen galoppiert und hatte etliche Wettrennen gewonnen und ebenso viele verloren. Ich erinnerte mich an das Sommercamp von Tinas Schule an dem Bibi und ich eingeladen worden waren. Wir hatten so viele neue Leute kennengelernt, Freundschaften geschlossen und Spaß gehabt. Zusammen mit den Pferden hatten wir die Wälder Falkensteins Unsicher gemacht und mit Alexander ein Wolfsjunges gerettet was von der Mutter verstoßen und ganz allein in den Wäldern umherwanderte. Wir hatten Picknicke gemacht und Schnitzeljagden für die Ferienkinder oder andere Besucher. Ich hatte meine reiterlichen Fähigkeiten gebessert und für mich entdeckt, Bibi und Tina etwas Neues beigebracht und so viel zeit mit den Pferden und Ponys verbracht, dass sie sich jedes Mal aufs Neue an mich erinnerten.
Ich hatte nie so viele Abenteuer erlebt, wie in diesen Zeiten. Und nun zog ich um. Ich zog an den Ort an dem ich mich wirklich zu Hause fühlte. An den Ort, der für mich richtig war, wo ich immer sein wollen würde und wo ich, ich sein konnte. Ich konnte es kaum abwarten. Mein Gepäck sowie mein Pferd würden die nächsten Tage hinterher gebracht werden, da ich schlecht alles in den Zug laden konnte, zumal ein Pferd im Zug wohl auch keine allzu gute Idee wäre.
Ja Casado würde es nicht gefallen im engen Zug mehrere Stunden zu stehen. Genauso wenig wie es mir gefiel hier stunden lang herumzusitzen und mich zu langweilen. Lieber würde ich jetzt mit ihm zusammen über die Felder galoppieren unter dem dunklen Gewitterhimmel und all meine Probleme von Rechnungen und Planungen nur für einen winzig kleinen Moment zu vergessen. Ich wollte den Wind in den Haaren spüren, wie er sausend und heulend an mir vorbeizog, wollte die Hufe meines Wallachs auf den Boden brettern hören und die Arme ausbreiten als gehörte mir die ganze Welt. Ich vermisste das Gefühl von Freiheit, denn das letzte Mal seit Casado und ich so etwas zusammen erlebt hatten war schon ein paar Monate her. Ich war viel unterwegs, mit der Uni beschäftigt oder bei meiner Familie. Casados Reitbeteiligung hatte ihn die meiste Zeit bewegt, ich war für einige Zeit nur zwei Mal die Woche zu ihm gekommen. Er hatte mir zu spüren gegeben, wie sehr es ihn verletzte.
Unsere Beziehung war zu Grunde gegangen. Er hörte mir nicht zu und ich verlor meine Geduld mit ihm. Er war ein anderes Pferd geworden. Bis zu dem Tag als mir alles zu blöd wurde und ich ihn fast verkauft hätte. Ich hätte in dieser Zeit das Reiten fast vollständig ausgegeben. Casado hatte mich an einem Tag mehrere Male abgeworfen, sodass ich den sandigen Boden der großen Reithalle unseres alten Stalls wohl mindestens ein Dutzend Mal geküsst hatte.
Der letzte Sturz hatte es in sich, und ich glaubte noch heute manchmal noch Auswirkungen davon mit mir zu tragen. Mein Handgelenk war gebrochen, eine große Platzwunde am Kopf und ein kaputtes Knie waren folgen des letzten Sturzes gewesen. Ich konnte es ihm nicht übelnehmen. Mein Wallach war schlau und somit zeigte er mir wie es sich für ihn anfühlte von mir vernachlässigt zu werden. Erst war ich schockiert, wie er sich so derartig verändert hatte, kündigte seine Reitbeteiligung und schob im Stillen die erste Zeit alles auf sie. Wer wusste was sie mit ihm angestellt hatte, doch als ich dann eines Nachts zu Hause im Bett lag, wurde mir alles klar und ich blickte durch alles hindurch.
Casado war nicht bösartig, es war seine Art mit mir zu kommunizieren. Nachdem ich mich vollständig erholt hatte, besuchte ich ihn jeden Tag. Ich ritt eine Zeit lang nicht, jedoch nicht aus Angst, sondern weil unser Vertrauen zerstört war und ich es wieder aufbauen musste. Ich musste gut machen, was ich verbockt hatte.
Wir arbeiteten vom Boden aus und steigerten uns immer mehr, bis ich mich eines Abends einfach auf ihn setzte. Nur mit Halfter und Strick ritten wir durch die Halle und waren eins. Unsere Bindung war wieder vollständig errichtet. Ich vertraute ihm und er vertraute mir.
Ich schoss aus meinen Gedanken hoch, als die Lautsprecheranlage des Zuges eine laute Durchsage machte.
In kürze erreichen wir Rotenbrunnen.

Decision || Bibi und Tina FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt